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Kreis Lörrach Den Beschäftigten Gehör schenken

Denis Bozbag
Die Schulen benötigen laut dem verdi-Geschäftsführer Südbaden-Schwarzwald ein ambitioniertes Bildungskonzept. Foto: Die Oberbadische

Interview: Reiner Geis zieht nach 20 Jahren ver.di Bilanz von der Gewerkschaftsarbeit in der Region

Die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft ver.di mit Sitz in Berlin ist gestern vor 20 Jahren gegründet worden. Denis Bozbag sprach mit Reiner Geis, dem ver.di-Geschäftsführer der Bezirksverwaltung Südbaden-Schwarzwald, über die Herausforderungen der regionalen Gewerkschaftsarbeit in den vergangenen Jahren sowie jetzt während der Corona-Pandemie.

Herr Geis, ver.di entstand 2001 aus dem Zusammenschluss von fünf Einzelgewerkschaften aus verschiedenen Dienstleistungsbranchen. Warum war diese Fusion nötig und welche Verbesserungen haben sich dadurch für die Mitglieder ergeben?

Ver.di ist die gewerkschaftliche Antwort auf die Veränderungen in unserer Arbeitswelt. Das Beschäftigungswachstum im Dienstleistungsbereich, insbesondere im Gesundheitswesen, die Zunahme von E-Kommerz, die Zunahme von Freelancern und Ich-AGs, die enge Verknüpfung von Logistik und Handel sowie der Umbau des Öffentlichen Dienstes brauchte eine veränderte Interessensvertretung.

Mit ver.di werden diese verschiedenen Interessen der Mitglieder vertreten. Dazu haben wir branchen- und berufsspezifische Angebote, einen fundierten Rechtsschutz, eine Ausweitung der Erreichbarkeit und streiterfahrene Sekretäre in den Betrieben, die Betriebs- und Personalräte vor Ort unterstützen können.

Ver.di hat aufgrund seiner Größe mit mehr als zwei Millionen Mitgliedern ein gewichtiges Wort bei politischen Entscheidungen. Die Einführung des Mindestlohnes, notwendige Korrekturen in der Hartz IV-Gesetzgebung resultieren daraus.

Was waren rückblickend für Sie die wichtigsten Erfolge für die Arbeitnehmer in unserer Region, die dank der Gewerkschaftsarbeit von ver.di erzielt werden konnten?

Der wichtigste Aspekt für unsere Mitglieder ist die Lohngerechtigkeit. Dort, wo ver.di Tarifverhandlungen führt, können die Mitglieder auf eine optimale Ausschöpfung des Verteilungsspielraumes zählen. Laut Forschungsinstituten liegt der Unterschied von Gehaltserhöhungen zwischen tarifgebundenen und tariflosen Beschäftigten bei circa einem Drittel jährlich mehr für die tarifgebundenen Beschäftigten.

In den vergangenen 20 Jahren ver.di kommt da eine durchschnittliche Gehaltsspreizung von gut 15 Prozent zusammen. Wir schauen in Krisensituationen auf die Sicherheit der Arbeitsplätze. So ist es mit angepassten Tarifabschlüssen gelungen, die Standorte von Karstadt-Kaufhof in der Region zu erhalten.

Veränderungsprozesse lösen Ängste bei den betroffenen Arbeitnehmern aus. So war es wichtig, sich beim Umbau der Klinikstandorte in Rheinfelden, Schopfheim, Lörrach, aber auch in der Ortenau einzumischen, damit die Beschäftigteninteressen Gehör fanden.

Bei Firmenneugründungen braucht es einen Betriebsrat. Wir halfen gerne bei der Gründung des Betriebsrates bei Zalando. Die Erwerbsarbeit findet für uns grenzübergreifend statt, daher arbeiten wir mit den Schweizer Gewerkschaften eng zusammen.

Auf welche Arbeitnehmerthemen richtet ver.di bei der Bewältigung der Corona-Pandemie nun den Fokus?

Wir sind der Anwalt der Beschäftigten in der Coronakrise. Für uns muss Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz oberste Priorität haben. Regelmäßige, mehrfache und wöchentliche Tests, kostenlose Schutzausrüstung, individuelle Homeoffice-Angebote sowie die Beteiligung des Betriebsrates beim Planen für den Infektionsschutz sind notwendig.

Wie lässt sich dem Fachkräftemangel in unserer Region mit Sicht auf die Schweiz, die mit höheren Löhnen lockt, am besten entgegenwirken?

Die Attraktivität von Arbeit ist neben gerechter Bezahlung gekennzeichnet von einem hohen Maß an Selbstbestimmung der Beschäftigten. Angebote von flexiblen Arbeitszeitmodellen, kurze Wege zur Arbeit, ergänzende Homeoffice-Tage und Betriebskindergärten sind gefragt.

Attraktive Fortbildungsangebote, eine offene und demokratische Führungskultur wiegen oft den weiter entfernten Arbeitsplatz, der vermeintlich besser bezahlt ist, auf. Wichtig ist, frühzeitig an die Ausbildung des eigenen Nachwuchses zu denken. Das heißt, auch über den eigenen Bedarf auszubilden. Gewachsene berufliche Bindungen gilt es früh zu verankern.

Sehen Sie Schulen und Kitas in Südbaden organisatorisch, technisch und personell nach einem Jahr Corona gut gerüstet, um den Arbeits- und Gesundheitsschutz für Mitarbeiter und Kinder im Präsenzunterricht ausreichend zu gewährleisten?

Die Vorbereitung der Schulen und Kitas sind unterschiedlich fortgeschritten. Viele Leitungen haben individuelle Schutzpläne für ihre Einrichtungen erstellt.

Dabei sind sie häufig an die Grenzen des Machbaren gestoßen. Geteilte Gruppen und die Beachtung von Corona-Hygienemaßnahmen benötigen zusätzliches Personal. Dieses zusätzliche Personal wurde jedoch nicht eingestellt. Vielmehr fehlen in vielen Teams Kolleginnen und Kollegen, die zur Risikogruppe gehören.

Mit dieser ausgedünnten Mannschaft ist es unmöglich, Normalbetrieb in den Schulen und Kitas aufrechtzuerhalten. Bauliche Veränderungen, welche die neuen Anforderungen der Hygieneprävention erfüllen, stehen aus. Wir brauchen daher keine zentralen Öffnungsbeschlüsse, sondern ein ambitioniertes Bildungskonzept mit ausreichend finanziellen Mitteln.

Damit könnte es auch gelingen, die notwendige IT-Ausstattung in den Bildungseinrichtungen aufzubauen, die Unterricht in Pandemiezeiten besser möglich macht.

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