Kreis Lörrach Der Durst bleibt

Alisa Eßlinger
 Foto: sba

Ambulante Suchthilfe Landkreis Lörrach blickt zurück /Präsenzbetrieb trotz Einschränkungen findet statt /Auswirkungen der Krise sind noch ungewiss

Kreis Lörrach  - Auch in der Corona-Pandemie gilt für die ambulante Suchthilfe im Landkreis Lörrach: „Wir sind da, alle dürfen kommen.“ Das betonte Leiterin Rebekka Steimle bei der Vorstellung des Jahresrückblicks 2020. Dennoch hatten die beiden Einrichtungen Fachstelle Sucht und Suchthilfe Drehscheibe mit coronabedingten Einschränkungen zu kämpfen.

Da die beiden Einrichtungen des Baden-Württembergischen Landesverbands für Prävention und Rehabilitation (bvl) zur systemrelevanten Infrastruktur gehören, war es für die Fachstelle Sucht und die Suchthilfe Drehscheibe möglich, ihr Angebot in der Krise aufrechtzuerhalten. Doch durch die coronabedingten Zuschusskürzungen um fünf Prozent im Haushaltsplan 2021 des Landkreises hatte die Suchthilfe ihr Angebot einschränken müssen, teilte Steimle mit.

Fachstelle Sucht

Zu Beginn der Pandemie wurden Beratungsgespräche der Fachstelle Sucht über das Telefon angeboten. Bereits im vergangenen Juni waren wieder Präsenzberatungen mit Maskenpflicht möglich. Steimle bemerkte, dass die Klientel tendenziell jünger wird.

Mittlerweile kommen nicht nur 40- bis 60-Jährige, sondern bereits Menschen ab 30 Jahren. Dies hänge vor allem mit dem Glücksspiel (acht Prozent) zusammen, meinte Steimle. Der größte Suchtfaktor bleibe mit 85 Prozent immer noch der Alkohol.

Knapp zehn Prozent der Einmal-Beratungen durch die Fachstelle sind zurückgegangen. „Die Menschen sind müde und mürbe“, erklärte Steimle. Dennoch wurden im vergangenen Jahr monatlich 56 Einzelgespräche geführt und 682 Menschen (2019: 764) betreut. 79 Personen (91) wurden an stationäre und ambulante Suchtberatungsstellen vermittelt, und in der Fachstelle direkt wurden 39 (40) ambulant behandelt sowie 54 (50) in der Nachsorge begleitet.

Mit 40 Prozent gab es im vergangenen Jahr einen hohen Anteil an Arbeitslosen und Sozialhilfeempfängern. Andere sind in Kurzarbeit oder erleben zunehmend mehr Druck am Arbeitsplatz, wie zum Beispiel in der Kranken- und Altenpflege. Aber auch im Homeoffice seien die „normalen Kompensationsmechanismen eingeschränkt“. Die Familien leiden unter der Enge und den fehlenden Außenbezügen. „Die Stressfaktoren sind da“, weiß Steimle.

Die Nachfrage nach Angehörigen-Beratung sei derweil um zehn Prozent gestiegen. Zu 60 Prozent wurde diese vor allem von Frauen wahrgenommen.

Suchthilfe Drehscheibe

Während die Fachstelle Menschen mit legaler Sucht berät, kommen zur Einrichtung „Suchthilfe Drehscheibe“ substanzunabhängig Menschen mit langjähriger schwerwiegender Suchterkrankung. Darunter sind Menschen im Alter von 25- bis 60, die zu 33 Prozent alkoholkrank und zu 35 Prozent abhängig von Opioiden sind. Allein 85 Prozent der Klientel kommen aus Lörrach. Der Frauenanteil ist mit sechs Prozent niedrig geblieben.

Seit Beginn der Pandemie musste auch der Teilbereich „Drehscheibe“ Abstriche machen: „Zu uns kommen konsumierende Personen, daher mussten wir vorsichtig sein und Einschränkungen vornehmen“, erklärt Steimle. Das Mittagessen zum Mitnehmen wurde über das Küchenfenster verteilt. Rund 15 Personen kommen täglich. „Es ist wichtig, dass wir sie sehen und mit ihnen sprechen können“, hob Steimle hervor.

Das Lebenshilfe-Angebot wie Duschen, Waschmaschine und Kleiderkammer war dennoch täglich geöffnet. Lediglich ein längerer Aufenthalt war nicht möglich. Die Folge war, dass sich die Zahl der einmaligen Beratungskontakte mit 44 Personen um die Hälfte zum Vorjahr verringerte. Dafür war die Zahl der langfristigen Betreuung mit 114 (111) gleich geblieben.

Auswirkungen der Krise

Ob mehr Menschen in der Corona-Krise süchtig geworden sind, wird sich laut Steimle erst in den nächsten Jahren zeigen. Deutlich sei, dass der Alkoholkonsum in der Pandemie gestiegen ist. „Die Menschen konsumieren anderes. Sie gehen nicht in die Bar, sondern kaufen den Alkohol im Einzelhandel und trinken ihn zuhause.“ Steimle vermutet, dass vor allem die Medienabhängigkeit zunehmen wird.

Positiv sei, dass die Akzeptanz, sich Hilfe zu holen, über die Jahre zugenommen hat. „Früher hat man sich geschämt, das ist zum Glück nicht mehr so.“ Allerdings bleibe die innere Hürde bestehen: Sich das Problem eingestehen und etwas dagegen zu unternehmen. Daher steht für Steimle fest: Solange das Leben kompliziert ist, wird es immer Bedarf an einer Suchthilfe geben.

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