Kreis Lörrach Glanzvoller Auftakt bei der Binzener Runde

Dorothee Philipp (Text) und Kristoff Meller (Fotos)

Benefizgala von „Leser helfen Not leidenden Menschen“. Jahresthema: Gewalt gegen Frauen.

Binzen / Kreis Lörrach - Große Gefühle, aber auch Nachdenklichkeit bestimmten die Benefizgala „Binzener Runde" im Hotel-Restaurant „Mühle“ am Freitag. Für Unterhaltung sorgten die fünf Hauptdarsteller des Musicals „Happy Landing“. Das soziale Thema des Abends lautete: Gewalt gegen Frauen. Es ist gleichzeitig das diesjährige Schwerpunktthema der Aktion „Leser helfen Not leidenden Menschen“.

Die Aktion „Leser helfen Not leidenden Menschen“ des Verlagshauses Jaumann hat sich in den jetzt 39 Jahren ihres Bestehens zu einer beispiellosen Erfolgsgeschichte entwickelt. Landkreisweit werden dabei jedes Jahr Menschen motiviert, mit Geld- oder Sachspenden denen zu helfen, die am Rand der Gesellschaft stehen. Im vergangenen Jahr erreichten die Geldspenden mit 189 564 Euro einen neuen Rekordstand. Um auch die Gönner und Sponsoren zu würdigen, die mit ihrem außerordentlichen Engagement zu dem stolzen Ergebnis beitragen, wurde die „Binzener Runde“ ins Leben gerufen. Sie ist die glanzvolle Auftaktveranstaltung für die „heiße Phase“ der Spendenaktion. Das stilvolle Ambiente im Binzener Hotel-Restaurant „Mühle“ ist dafür wie geschaffen.

Willkommen am Flughafen

Die rund 120 geladenen Gäste wurden, bevor sie sich mit einem Gläschen Sekt erfrischen konnten, einem „Sicherheitscheck“ unterzogen: Eine strahlend gut aufgelegte Crew aus drei hübschen Stewardessen und einem coolen Flugkapitän nahm die Besucher in die Mitte für ein unvergessliches Erinnerungsfoto. Das taffe Team bestand aus den Hauptdarstellern des aktuellen Musicals „Happy Landing“, das vom Bad Säckinger Gloria-Theater produziert wurde und schon 25 000 Zuschauer in seinen Bann gezogen hat. Ab 17. November erlebt das Musical seine Neuauflage. Im Verlauf der Binzener Runde gab es wunderbar witzige und herzergreifende Kostproben aus dem auf die Musicalbühne gebrachten „Liebesroman“. Dieser spielt sich vor der Kulisse eines Flughafens im Kolorit der 1960er Jahre ab – bestens in Szene gesetzt durch eindrucksvolle Videoinstallationen. Der Roman setzt nach vielen Gefühlsturbulenzen am Ende zum „Happy Landing“ an.

Ein heikles Schwerpunktthema

Große Gefühle und Nachdenklichkeit weckte auch das das diesjährige Schwerpunktthema: Gewalt gegen Frauen.

Landrätin Marion Dammann erinnerte als Schirmherrin der Aktion daran, dass es in allen gesellschaftlichen Bereichen Menschen gibt, die Not leiden, und dass „Leser helfen“ für viele einen Lichtblick darstellt. „Die öffentlichen Stellen bieten Hilfe bei existenziellen Notlagen, aber Aktionen wie ,Leser helfen’, bieten dann das kleine Bisschen mehr, erfüllen den Wunsch, der für die Betroffenen sonst ein Wunsch bleiben muss“, sagte Dammann.

Die Hoffnung, dass sich das Problem Gewalt gegen Frauen irgendwann einmal erledigt, sei noch längst nicht erfüllt. Das Thema selbst sei in der Gesellschaft ein Tabu. Sie lobte das Lörracher Frauenhaus, das an diesem Abend mit zwei Schecks von der Binzener Gönnerrunde und von den Sponsoren in Höhe von jeweils 5000 Euro bedacht wurde, für seine Arbeit. „Wir müssen diese als Vereine organisierten Einrichtungen stärken, sie sind auf unsere Spenden angewiesen“, sagte die Landrätin. Und an die Adresse des Organisationsteams des Verlagshauses Jaumann mit Guido Neidinger und Uta Schroeder: „Ich bin sicher, dass, wie jedes Mal, Ihre Hilfe zu den Richtigen kommt.“

Um was es bei der Arbeit in den Frauenhäusern konkret geht, erfuhren die Gäste in einem Interview, das im Vorfeld als Video aufgezeichnet wurde.

Eine betroffene Frau erzählt

Chefredakteur Guido Neidinger sprach darin mit Sandra (Name geändert), einer jungen Frau, die über das Frauenhaus mit ihrer kleinen Tochter den Weg aus einer von Gewalt und Bedrohungen durch den Ehemann überschatteten Situation in ein selbstbestimmtes Leben gefunden hat. Atemlos verfolgte das Publikum die Geschichte einer Liebe, die im Desaster endet. Dreimal sucht Sandra im Frauenhaus Zuflucht, zweimal kehrt sie in der Hoffnung, dass alles besser würde, wieder zurück, auch getäuscht durch die leeren Versprechungen und Beteuerungen ihres Mannes. Sandras Geschichte erzählte von Angst, Schmerz und enttäuschtem Vertrauen, von Einsamkeit und dem Bedürfnis nach Schutz. Umso gerührter waren die Menschen im Saal, als Sandra nach dem Video selbst auf die Bühne kam und im Dialog mit Guido Neidinger von ihrem jetzigen Leben und ihrer Erinnerung an die Aufnahme im Frauenhaus berichtete. „Das alles ist jetzt zwei Jahre her, aber der Schmerz geht niemals weg“, sagte sie. Neidinger zollte seiner Gesprächspartnerin großen Respekt dafür, dass sie so offen über ihre privatesten Erfahrungen sprechen konnte: „Eine mutige Frau“.

Das berichten die Expertinnen

Das Lörracher Frauenhaus besteht seit 33 Jahren und ist eines von 400 in Deutschland. Über die Arbeit berichteten Antje Lauber und Martina Kopf vom Leitungsteam in einer weiteren Fragerunde mit Guido Neidinger. Eine der erschütterndsten Erkenntnisse war, dass diese Zufluchtsstätten für von häuslicher Gewalt betroffene Frauen viel zu wenige Kapazitäten haben. „Wir sind immer voll ausgelastet“, berichtete Antje Lauber. Allein im Jahr 2017 habe man für 100 Frauen keinen Platz gefunden. Viele bräuchten die Zuflucht nur für wenige Tage, andere für Monate. Und viele würden wieder in ihre alten, problematischen und teilweise lebensbedrohlichen Verhältnisse zurückgehen, weil sie keine geeignete Wohnung für sich und oft auch für ihre Kinder finden. „Wir sind keine Rundumbetreuung, sondern ein Kriseninterventionszentrum“, erklärte Kopf. Die Arbeit im Frauenhaus ziele darauf ab, die Situation der Frauen so zu stabilisieren, dass sie ihren Alltag selbst bewältigen können. Sie kritisierte, dass Gewalt gegen Frauen in der Gesellschaft als „Privatsache“ betrachtet würde, die Außenstehende nichts angehe. „Gewalt ist nie Privatsache“, sagte sie. Eine erschreckende Zahl nannte Neidinger: „Für 300 Frauen endet die häusliche Gewalt in Deutschland jedes Jahr mit ihrer Ermordung.“

Nachdenkliches und Unterhaltendes geglückt kombiniert

Dass die Informationen und Erkenntnisse über das schwierige Thema bei aller Nachdenklichkeit die Gäste nicht zu Boden drückten, dafür sorgte die gelungene Programmgestaltung, die sich entlang eines fürstlichen Vier-Gang-Menüs bewegte, das das Mühle-Team um Chefkoch Carsten Weltin gezaubert hatte. Das kompetente Service-Team stand unter der Leitung von Vincent Bühler. Dank und Beifall gingen auch an Patron Hansjörg Hechler und seine Frau Gil, die wieder einmal perfekte Gastgeber waren.

Frauen in Notsituationen helfen

Am Ende der Spendenaktion sollen weitere 20000 Euro an Institutionen fließen, die Frauen in Notsituationen häuslicher Gewalt helfen, sagte Neidinger. „Vorausgesetzt, unsere Spender spenden weiterhin so eifrig wie bisher und das Geld kommt zusammen.“ Weitere Einzelheiten gibt es in den jeweils aktuellen Ausgaben der drei Tageszeitungen Die Oberbadische, Weiler Zeitung und Markgräfler Tagblatt sowie im Internet unter www.leser-helfen.com sowie bei Facebook. Mehr Impressionen der Binzener Runde gibt es in unserer Fotogalerie.

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