Frage: Gibt es Versorgungsschwerpunkte?
Nein. Wir sind für den gesamten Landkreis Lörrach zuständig und in Teilen des Kreises Breisgau-Hochschwarzwald sowie in Wehr aktiv, wobei der Großteil unserer Patienten aus dem ländlichen Raum kommt.
Wichtig für uns und die Patienten ist die enge Verknüpfung des Palliativnetzes mit den Kreiskliniken. Wir sind auch bestens vernetzt mit dem onkologischen Zentrum von Dr. Jan Knoblich und Prof. Dr. Richard Fischer. Von diesen erhalten wir die meisten Zuweisungen, aber auch direkt durch die Hausärzte.
Frage: Sehen Sie noch Bedarf, weitere Ärzte mit ins Boot zu holen?
Ja. Mit Blick in die Zukunft brauchen wir mehr Ärzte. Diese müssen Palliativmediziner sein und Erfahrung mitbringen. Kurzum: Wir müssen noch wachsen, um den Bedarf in der Region vollends abdecken zu können. Im ersten Jahr unseres Bestehens geht es aber primär darum, das Palliativnetz zu etablieren und eine gut funktionierende Struktur zu schaffen.
Frage: Palliativpflege bedeutet, todkranken Menschen ein Sterben in Würde zu ermöglichen, möglichst frei von Schmerzen – und das aus Sicht vieler Patienten in der heimischen Umgebung. Ist das in den meisten Fällen Realität?
Ja, das können wir mit dem Palliativnetz in den meisten Fällen realisieren.
Frage: Das Sterben in Kliniken ist also eher Vergangenheit?
Nun, hier kommt die Patientenverfügung ins Spiel, die ich als Hausarzt mit meinen Patienten gemeinsam ausgefüllt habe. Bei der Frage, wo sie einmal sterben wollen, kam bisher zu 90 Prozent die Antwort, dass dies im Krankenhaus geschehen soll. Und zwar, weil viele Betroffene den Angehörigen nicht zur Last fallen wollen.
Hinzu kam, dass die Betreuung im Rahmen einer spezialisierten ambulanten Palliativversorgung in der Vergangenheit wenig bekannt war. Jetzt existiert das Angebot, weshalb die Patienten bis zum Schluss in der häuslichen Umgebung bleiben wollen. Es hat also ein Umdenken stattgefunden.
Frage: Gab es dieses auch in der Gesundheitspolitik, oder müssen Sie dicke Bretter bohren, um die ambulante Palliativversorgung zu stärken?
Dafür haben wir gar keine Zeit. Hier ist die Landesarbeitsgemeinschaft zur spezialisierten ambulanten Palliativversorgung (SAPV) gefragt. Von der Politik erfahren wir jedenfalls keine Unterstützung.
Frage: Haben Ihnen Kreisverwaltung und Lokalpolitik nicht unter die Arme gegriffen?
Nein, da habe ich mir mehr Hilfe erwünscht. Ich persönlich fand es auch seltsam, dass wir nach der Unterzeichnung der Charta zur Betreuung schwerstkranker und sterbender Menschen durch den Landkreis im vergangenen Jahr von diesem dann nichts mehr gehört haben.
Frage: Wenn Sie im Hinblick auf die SAPV einen Wunsch frei hätten: Wie würde der lauten?
Mein größter Wunsch wäre es, uns weniger Steine in den Weg zu legen. Das fängt schon beim medizinischen Dienst der Krankenkassen (MDK) an. So müssen wir zum Beispiel für jeden dritten Patienten eine MDK-Anfrage ausfüllen, warum eine SAPV-Versorgung notwendig ist. Für uns bedeutet dies viel zusätzliche Arbeit. Ich muss auch MDK-Anfragen von Patienten bearbeiten, die schon mehrere Monate verstorben sind.
Ich habe eigentlich viele Wünsche, dabei geht es eher um die Versorgung der Patienten. Was wir brauchen, sind zum Beispiel Fahrzeuge. Die Kollegen sind nämlich mit ihren Privatautos unterwegs. Unter dem Strich bin ich mit der Entwicklung des Palliativnetzes aber zufrieden.
Frage: Ein Blick zurück: Welche Hürden mussten genommen werden, um das Netzwerk aufzubauen?
Eine ganze Menge! Um eine SAPV gründen zu dürfen, mussten wir 200 Prozent Ärzte und 300 Prozent Pflegekräfte nachweisen. Das war schwierig, weil es mit mehreren Medizinern bewerkstelligt werden musste. Zudem haben wir die gesamte Infrastruktur geschaffen – von der Computertechnik bis hin zu den ambulanten Versorgungsmaterialien. Es war nichts da, meine Mitstreiter und ich mussten alles auf die Beine stellen, um den Selektivvertrag von der Kasse zu erhalten.
Frage: Anderes Thema: Wenn es um Palliativmedizin geht, steht nicht selten das Thema Sterbehilfe im Raum. Hat Ihr Netzwerk bereits Anfragen erhalten?
Nein. Kein einziger unserer Patienten hat bisher den Wunsch nach Sterbehilfe geäußert, und keiner will freiwillig aus dem Leben scheiden. Das mag sich nun für viele zynisch anhören, aber die SAPV stellt eine Lebensqualität dar, auch wenn es um schwere Tumorerkrankungen geht.
Wir haben Fälle von weit fortgeschrittenen Krebserkrankungen, bei denen die Palliativversorgung es den Menschen ermöglicht, schmerzfrei zu leben und friedlich zu sterben. Ich denke, dass der Wunsch nach Sterbehilfe aus Angst vor einem qualvollen Ende aufkommt. Und diese müssen wir den Patienten nehmen. Dafür nehmen wir uns viel Zeit.
Frage: Ein Blick nach vorne: Wo sehen Sie das Palliativnetz in fünf Jahren?
Ich hoffe, dass es dann auf sicheren Beinen steht, mit deutlich mehr Manpower ausgestattet ist und selbständig läuft.