Kreis Lörrach Ich gehe mit einem weinenden Auge

Valentin Radonici
Grenzübergreifende Projekte liegen Josha Frey immer besonders am Herzen und prägen seine Arbeit. Foto: zVg

In seiner Zeit als Landtagsabgeordneter hat Josha Frey viel erlebt.

Der Landtagsabgeordnete Josha Frey (Bündnis 90/ Die Grünen) hat fast 13 Jahre lang den Landtagswahlkreis Lörrach (Wahlkreis 58) im Landtagsparlament in Stuttgart vertreten. Anlässlich seines Abschieds als Landtagsabgeordneter zum Jahresende 2023 haben wir mit ihm gesprochen und auf sein Wirken zurückgeblickt.

Herr Frey, nach fast 13 Jahren legen Sie Ihr Mandat in der laufenden Legislaturperiode aus privaten Gründen nieder. Der Rückzug aus dem Landtag fällt Ihnen sicher nicht leicht.

Für einen Außenstehenden kam meine Entscheidung sicher überraschend. Es war ein Prozess über mehrere Monate für mich. Ich gehe mit einem weinenden Auge, weil ich ein Profil als Brückenbauer zwischen dem Wahlkreis Lörrach und Stuttgart und zu unseren Nachbarn in der Schweiz und Frankreich gehabt habe. Es ist für mich aber klar gewesen, dass ich nicht mehr meinen Ansprüchen gerecht werden kann und ich privat Aufgaben habe, die nun eine höhere Priorität für mich darstellen.

Lassen Sie uns über Ihre politische Bilanz reden. Welche Projekte lagen Ihnen besonders am Herzen?

Am Herzen haben mir immer die grenzübergreifenden Projekte gelegen. Außerdem soziale Projekte und der Kampf gegen den Klimawandel. Als Beispiel für soziale Projekte habe ich einen intensiven Kontakt zum jetzigen Sozialminister Manfred Lucha aufgebaut, der sich über den Lörracher Weg und den Bau des neuen Klinikums am Stadtrand Lörrachs schon vor zehn Jahren informiert hat. Auch durch die Ortskenntnis des Ministers wurde der mittlere dreistellige Millionenförderbeitrag des Landes möglich. Ohne diese direkten Kontakte vor Ort wäre die Unterstützung vom Land so nicht zustande gekommen.

Welche Vorhaben wurden erfolgreich umgesetzt?

Sowohl kleinere als auch größere Vorgaben konnten erfolgreich umgesetzt werden. 250 bis 300 Bürgeranfragen hatten wir während Corona bearbeitet. Viele wollten helfen und einige haben sich beschwert – wir konnten dies entgegennehmen und den entsprechenden Stellen zuführen.

Ein großes Vorhaben, welches ich erfolgreich umsetzen konnte, war das Landesglücksspielgesetz. Hier habe ich direkt an der Umsetzung mitgearbeitet und war zum Beispiel verantwortlich, dass man Abstandsregelungen zu Jugendeinrichtungen einführt und nicht ein Spielkasino neben dem anderen Kasino steht. Ich war Verhandler für die Grünen bei der Erstellung des Gesetzes.

Sicher mussten auch bei dem einen oder anderen Projekt dicke Bretter gebohrt werden. Bei welchen politischen Vorstößen mussten Sie eine Niederlage verbuchen?

Eine Niederlage war für mich, dass das Verkehrsprojekt der Kandertal-S-Bahn noch nicht umgesetzt wurde, bei dem ich immer wieder auf die Wichtigkeit hingewiesen habe.

Ein anderes Projekt, bei dem ich nicht erfolgreich war, ist das Landtagswahlgesetz, welches ich so wie nun beschlossen nicht unterstütze. Die Folge ist nämlich, dass in Zukunft die großen Städte bestimmen, wer auf die Landesliste kommt und damit die ländlichen Gebiete benachteiligt werden. Davon kann auch meine Nachfolgerin Sarah Hagmann betroffen sein, der ich allerdings zutraue, das Direktmandat erfolgreich zu verteidigen.

Wollen Sie an einem Thema dranbleiben?

Am Thema der S-Bahn im Kandertal werde ich sicher dranbleiben. Ich werde an die Verantwortlichen im Landkreis appellieren, sich nicht weiter hinter Studien zu verstecken, um so die Umsetzung des Projekts aufzuhalten.

Sie haben sich als Europapolitiker immer für die grenzüberschreitende Zusammenarbeit stark gemacht. Welche Bilanz ziehen Sie für Ihr Wirken, vor allem mit Blick auf das Zusammenwachsen der Regio?

Ich ziehe eine positive Bilanz. Wir haben aus der Corona-Zeit viel gelernt. Ich habe mich stark für die Zusammenarbeit zwischen dem Elsass, Baden-Württemberg und den angrenzenden Schweizer Kantonen eingesetzt.

So konnten Corona-Patienten aus dem Elsass in Deutschland behandelt werden. Die Corona-Zeit konnte grenzüberschreitend deswegen so gut gemeistert werden, weil das Vertrauen und die persönliche Verbindung da war und gepflegt wurde. Das ist heute immer noch so.

Ich konnte in Stuttgart mich für die wichtigen grenzüberschreitenden Projekte wie die Tram 8 einsetzen und die Wichtigkeit der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit für den ganzen Landkreis Lörrach deutlich machen.

Die grenzüberschreitende Zusammenarbeit spielt im Dreiland eine wichtige Rolle. Beunruhigt es Sie, wenn Grenzen auftreten wie bei den Verhandlungen zum Rahmenabkommen der Schweiz mit der EU 2021?

Die Verhandlungen haben deutlich gezeigt, dass dort Menschen auf Schweizer Seite verhandelt haben, die nicht in die Region involviert waren und mit der Brille der Bundeshauptstadt Bern verhandelt haben. Mit EU-Kommissar Maros Sevcovic ist nun ein guter „Verhandler auf Augenhöhe“ mit der Schweiz da, das macht mir Hoffnung. Wichtig wäre, ein gemeinsames Stromabkommen zu erreichen, welches es noch nicht gibt. So ein Abkommen würde Baden-Württemberg und der Schweiz sehr helfen.

Beunruhigen dürften Sie auch die Ampel-Galgen, die im Rahmen der Bauernproteste zu sehen sind. Was kann/muss Demokratie Ihrer Meinung nach aushalten?

Es war wichtig, dass sich der Bauernverband von den Galgen distanziert hat. Es war nicht dienlich, dass mit dem Aufbauen von Galgen ein Drohpotential aufgebaut wird. Hier wird aus meiner Sicht vieles aus Russland und aus AfD-Nähe gesteuert. Dies wurde bei solchen Aktionen oder dem Vorfall in Schlüttsiel mit Robert Habeck deutlich.

Wo sehen Sie Grenzen dessen, was eine Demokratie aushalten muss?

Das Anbringen von Galgen ist eine solche Grenze. Eine Grenze sind auch die Pläne von Potsdam. Daher ist es gut, dass die Menschen gegen rechts aufstehen und für die Demokratie einstehen. Ich selbst war von Grenzüberschreitungen mit zwei Anschlägen auf mein Büro betroffen. Diese habe ich konsequent zur Anzeige gebracht. Wir müssen schon im Ansatz der Verrohung der Diskussion entgegentreten.

Die Kommunalwahlen im Juni werfen ihre Schatten voraus. Sehen Sie Ihre Partei gut aufgestellt?

Ja, wir sind gut aufgestellt. Es ist ein guter Wechsel zwischen jungen und alten Kräften bei den aufgestellten Listen zu beobachten. So entsteht eine gute Mischung. Bewährte Politikerinnen und Politiker können den Jungen gut weiterhelfen, und man profitiert gegenseitig.

Eine abschließende Frage: Werden Sie sich politisch weiterhin einbringen?

Ich bin von Parteikollegen gefragt worden, ob ich für den Kreistag kandidiere. Das werde ich tun, da ich diese ehrenamtliche politische Aufgabe mit meinen privaten Vorhaben zeitlich für machbar halte. Unabhängig davon werde ich mich an Diskussionen auch um kreisübergreifende Themen mit meinem Wissen beteiligen

Das Gespräch führte Valentin Radonici

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