Kreis Lörrach Wenn die Seele weint

Adrian Steineck
Dargebotene Hand Basel bietet telefonische Seelsorge an. (Symbolbild) Foto: Archiv

Christine Salkeld: Die Psychologin spricht über das Thema Depression.

Basel - Ein offenes Ohr für die Probleme der Menschen haben die Berater der Telefonseelsorge „Die Dargebotene Hand“ in Basel. Etwa vierzig Mal am Tag werden sie unter der Nummer 143 angerufen und haben es dabei auch mit seelischen Leiden wie Depressionen zu tun.

Adrian Steineck hat mit der Psychologin Christine Salkeld von der „Dargebotenen Hand“ Basel darüber gesprochen, ob es den viel beschworenen „Winterblues“ tatsächlich gibt und ab wann von einer Depression gesprochen werden kann.

Frage: Frau Salkeld, wenn es wie derzeit draußen früh dunkel und kalt ist, wird häufig von einer jahreszeitlich bedingten Depression oder schlicht dem „Winterblues“ gesprochen. Gibt es diesen Ihrer Erfahrung nach tatsächlich, und wird die Telefonseelsorge im Winter häufiger als sonst angerufen?

Nein, den „Winterblues“ gibt es nicht wirklich, auch wenn wir immer wieder darauf angesprochen werden. Die Statistik und unsere Erfahrungen sagen aber etwas Anderes. Es gibt sogar die Hypothese, dass im Sommer mehr Menschen Hilfe in Anspruch nehmen, weil sie sich dann eher draußen aufhalten und merken, dass sie einsam sind, während sich gefühlt alle anderen Menschen im Park oder anderswo treffen. Im Winter sind wir eher drinnen und sehen dann generell nicht so viel vom Leben.

Frage: Stichwort Depression: Schlechte Tage hat jeder einmal. Ab wann wird es bedenklich und deutet auf eine Depression oder eine depressive Phase hin?

Das ist laut Weltgesundheitsorganisation klar definiert. Wenn man lediglich das Gefühl hat, dass es mir heute schlecht geht und morgen bestimmt wieder besser wird, ist das noch kein Hinweis auf eine Depression. Erst wenn bestimmte Symptome gleichzeitig und länger als zwei Wochen am Stück auftreten, sprechen wir von einer Depression. Diese Symptome sind etwa Müdigkeit, Hoffnungslosigkeit, der Verlust des Interesses an Dingen, die einem eigentlich wichtig sind, sowie unter Umständen Ängste. Bei schweren Depressionen kann es zu Selbstmordgedanken kommen.

Frage: Von Außenstehenden erhalten Betroffene häufig den Rat „Jetzt reiß dich doch mal zusammen“. Was halten Sie von solchen Aussagen?

Solche vermeintlichen Ratschläge helfen überhaupt nicht, sondern können die Situation für den Betroffenen im Gegenteil noch verschlimmern, weil er dann nicht mehr über seinen Seelenzustand spricht. Man sollte eine Depression auch nicht verniedlichen mit Sätzen wie „Das wird schon wieder“. Unsere Telefonberater werden dahingehend geschult, dass sie möglichst keine Ratschläge erteilen, was aber gar nicht so einfach ist. Viele Anrufer erwarten von uns, dass wir ihnen sagen, was sie tun sollen. Aber jeder Betroffene sollte wissen: Er muss eine Depression nicht alleine durchstehen. Es ist sehr sinnvoll, sich professionelle Hilfe zu holen.

Frage: Wie häufig werden Sie angerufen?

Wir erhalten an manchen Tagen 15 bis 20 Anrufe, zu Spitzenzeiten sind es auch 40 Anrufe täglich.

Frage: Kommen die Hilfesuchenden aus allen Altersschichten, oder stellen Sie fest, dass eher ältere Menschen bei Ihnen anrufen und froh sind, wenn sie jemanden zum reden haben?

Wir werden größtenteils von Menschen ab 45 Jahren angerufen, und der größte Teil der Anrufer ist älter als 60 Jahre. Den meisten Anrufern geht es darum, überhaupt mit jemandem zu sprechen. Das hat mit der demografischen Entwicklung zu tun: Die Menschen werden immer älter, zugleich nehmen im Alter häufig die Kontakte ab.

Frage: Was muss jemand mitbringen, um bei Ihnen Helfer sein zu können?

In erster Linie Lebenserfahrung. Wir in Basel haben derzeit 35 Helfer, die rund um die Uhr telefonisch erreichbar sind. Die meisten davon sind im Rentenalter. Eine Motivation zum Helfen ist oft das Gefühl: Ich habe soviel Glück gehabt im Leben, dass ich jetzt etwas zurückgeben will.

  • Weitere Informationen: Die „Dargebotene Hand“ Basel ist telefonisch nur aus der Schweiz erreichbar, bietet aber auch Beratung per E-Mail oder Chat an. Näheres finden Hilfesuchende im Internet unter www.basel.143.ch. Im Landkreis Lörrach ist die Telefonseelsorge Lörrach-Waldshut unter Tel. 0800 / 111 0 111 oder 0800 / 111 0 222 rund um die Uhr erreichbar. Der Anruf ist kostenlos. Alle Kontaktaufnahmen erfolgen anonym und vertraulich.

Zur Person: Christine Salkeld ist Psychologin und Bereichsleiterin Aus- und Weiterbildung bei der "Dargebotenen Hand" in Basel. Die gelernte Sozialpsychologin leitet neben der neunmonatigen Ausbildung auch die Supervisionsgruppen für die telefonischen Helfer.

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