Kreis Lörrach Immer mehr unerlaubte Einreisen

Michael Werndorff
Immer mehr Menschen versuchen, unerlaubt über die Schweiz nach Deutschland zu gelangen. Foto: Michael Werndorff

Die Zahl der Asylsuchenden steigt, der Hilferuf aus den Kommunen wird immer lauter.

Die irreguläre Migration nach Südbaden nimmt weiter zu. Das belegen Zahlen der Bundespolizeidirektion Stuttgart: So wurden von Januar bis einschließlich Juni insgesamt 6026 unerlaubt eingereiste Personen über die Landesgrenze zur Schweiz registriert. Im Vorjahreszeitraum waren es 1610 Personen – im gesamten Jahr 2022 10 472 visumspflichtige Personen aus Drittstaaten (plus 316,9 Prozent).

Mehr Abweisungen

Allerdings ist Vorsicht beim direkten Vergleich der Zahlen geboten, denn: Nicht nur die Zahl der Einreisen steigt – zugenommen haben auch Abweisungen: So hat sich nämlich die polizeiinterne Erfassung der Migranten vergangenen November geändert. Seither werden Personen, die noch auf Schweizer Hoheitsgebiet durch die Bundespolizei im Rahmen der Kontrollen festgestellt werden, nicht mehr wegen versuchter unerlaubter Einreise angezeigt, sondern nur abgewiesen. Laut Zahlenwerk kamen von November 2022 bis einschließlich Juni noch einmal 6213 Abweisungen hinzu. Dass diesen Menschen bei weiteren Versuchen doch der Grenzübertritt nach Deutschland gelingt, könne nicht ausgeschlossen werden, wie es seitens der Bundespolizei im März hieß.

Hauptgrund für den Anstieg ist offenbar, dass die einst geschlossene Balkanroute immer mehr Lücken bekommt. Dabei nutzen derzeit viele Migranten Züge, um nach Deutschland zu gelangen. „Während wir vorher die Uhr nach den Nightjet-Zügen stellen konnten, hat sich die Lage mittlerweile geändert. Wir greifen jetzt zu allen Uhrzeiten Personen auf, und das auf allen Verkehrswegen“, erläuterte Bundespolizei-Sprecherin Katharina Keßler im Frühjahr die Lage an der Grenze zur Schweiz. Der Großteil der Menschen komme aus Afghanistan, überwiegend seien es junge Männer, selten ganze Familien.

Schleuser bekämpfen

Im Blick bei der verstärkten Binnengrenzfahndung und Schwerpunktkontrollen der Polizei ist auch die Schleuserkriminalität: „Mit unserem verstärkten polizeilichen Engagement im grenznahen Raum zur Schweiz erhöhen wir den Druck auf Schleuser und diejenigen, die versuchen, illegal in unser Land einzureisen“, erklärte Landesinnenminister Thomas Strobl in einer Mitteilung von Dienstag. Anlass war ein Treffen mit der Bundesinnenministerin. Und weiter: „Die hohe Einwanderung nach Deutschland hat uns an einen ganz kritischen Punkt gebracht: Unsere Städte, Gemeinden und Landkreise sind an der Belastungsgrenze, die Kapazitäten zur Aufnahme sind nahezu erschöpft. Wir müssen jede Stellschraube nutzen, um die Migration zu steuern und zu begrenzen.“

Dazu gehöre auch ein wirksamer Grenzschutz an der Grenze Deutschlands zur Schweiz. „Bundesinnenministerin Nancy Faeser hat am Wochenende die Einführung von Grenzkontrollen an der Grenze zu Polen und Tschechien ins Spiel gebracht. Das wäre ein kleiner Schritt in die richtige Richtung –hilft uns aber bei der Bekämpfung der illegalen Migration an der Grenze zur Schweiz kein Stück weiter“, betont der Innenminister.

Wie groß der Handlungsdruck ist, zeigt auch die Lage im Landkreis Lörrach: Die Kapazitäten der Gemeinschaftsunterkünfte (GU) in der vorläufigen Unterbringung für Asylsuchende im Kreis werden in wenigen Tagen erschöpft sein. Sozialdezernentin Elke Zimmermann-Fiscella berichtete zuletzt, dass sich die Zahl der geflüchteten Menschen in Baden-Württemberg im Vergleich zum August 2022 fast verdoppelt habe. Anfang des Monats zählte die Verwaltung 1348 Geflüchtete in den insgesamt zwölf Gemeinschaftsunterkünften des Landkreises. Während der Kreis bislang über einen Puffer von 300 Plätzen verfügte, sei dieser nun aufgebraucht. Laut Sozialdezernentin muss der Kreis pro Monat 100 neue GU-Plätze schaffen. Auch bei den unbegleiteten minderjährigen Ausländern explodierten die Zahlen, erklärte die Dezernentin.

Hilferuf der Kommunen

Nun richten sich die Landräte und der Oberbürgermeister erneut an die Landesregierung. Der CDU-Landtagsabgeordnete Sabine Hartmann-Müller kennt die problematische Situation in der Grenzregion und mahnt dringend dazu, den Notruf der Kommunen ernst zu nehmen: „Die Kommunen sind absolut am Limit. Sie müssen jetzt entlastet werden, um handlungsfähig zu bleiben!“

Vor allem die Jugendämter in der Region stünden unter massivem Druck, entsprechende Notunterkünfte zu organisieren. Der ohnehin begrenzte Wohnungsmarkt erschwere die Lage zusätzlich. „Im Ergebnis stehen kaum zumutbare Lösungen wie die Zeltstadt in Lörrach oder die drohende Belegung von Sporthallen“, berichtet Hartmann-Müller.

Derweil soll die Polizei Baden-Württemberg verstärkt illegale Einreisen bekämpfen. Vom 18. bis 21. September hat die Polizei im Rahmen einer Schwerpunktaktion Kontrollen im grenznahen Raum zur Schweiz durchgeführt. Hierbei wurden im Landkreis Lörrach an zwei Tagen 224 Personen und 79 Fahrzeuge kontrolliert. Im Einsatz standen 79 Polizeibeamte, die 19 Straftaten feststellten, darunter 16 ausländerrechtliche sowie ein Verkehrsverstoß und zwölf Ordnungswidrigkeiten, wie Thomas Batzel vom Polizeipräsidium Freiburg auf Anfrage unserer Zeitung mitteilte.

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