Kreis Lörrach Impfpflicht droht Lücken zu reißen

Toni Kostic
Die Einführung der einrichtungsbezogenen Impfpflicht sorgt vielerorts für viel Kritik und Verunsicherung. Foto: pixabay

Umfrage: Einrichtungen warnen vor Rückgang des Pflegeangebots im Landkreis Lörrach

Die Personaldecke ist bereits angespannt. Nun droht die einrichtungsbezogene Impfpflicht in den Pflegeeinrichtungen im Landkreis die Lage zu verschärfen, wie eine Umfrage unserer Zeitung ergibt.

Von Toni Kostic

Kreis Lörrach. Die Sorgen vor der Einführung der Teilimpfpflicht waren groß. Es würde zu Kündigungen von Seiten des Pflegepersonals kommen. Gerade für den Landkreis Lörrach bestünde die Gefahr, dass Pflegefachkräfte in die Schweiz abwandern, da es dort keine Impfpflicht gibt, warnten Pflegeeinrichtungen.

Nun sind knapp drei Monate seit Einführung vergangen, und die Warnungen werden lauter. Dabei decken sich die Erfahrungen und Meinungen der Verantwortlichen in den betreffenden Einrichtungen größtenteils.

Weniger Mitarbeiter, weniger Pflege

„Aus meiner Sicht ist die Umsetzung der einrichtungsbezogenen Impfpflicht ein Wahnsinn, der massive Folgen hat und gestoppt werden muss, mit dem Blick auf die angespannte Fachkräftesituation, aber auch mit Blick auf die pflegebedürftigen Personen im Landkreis“, äußert sich Marcus Ehmann. Einrichtungsübergreifend geht der Pflegedienstleiter der Gevita Seniorenresidenz Lörrach von einer Impfquote von deutlich mehr als 90 Prozent im Landkreis Lörrach aus.

In seiner Pflegeeinrichtung sei seit dem 15. März eine Person aus dem nichtpflegerischen Bereich aus freien Stücken gegangen. Bei weiteren fünf wisse er noch nicht, wie es weitergeht. Es handelt sich bei ihnen allesamt um Mitarbeiter, auf die er nicht verzichten will und kann.

„Selbst wenn nur fünf Mitarbeiter fehlen, wird es zu Versorgungsproblemen kommen“, verdeutlicht Ehmann die Lage. Im ambulanten Dienst etwa würden als Folge davon keine neuen Kunden aufgenommen, und im stationären Betrieb könnten schlechtestenfalls nicht alle Betten belegt werden. Schließlich müsse man den Personalschlüssel im Rahmen der Leistungs- und Qualitätsvereinbarung einhalten. Im Moment sei es der Gevita aber noch möglich, ihr Pflegeangebot unvermindert anzubieten.

Noch keine Bußgelder und Zutrittsverbote

Angaben des Lörracher Gesundheitsamts zufolge werden derzeit 467 Fälle in Zusammenhang mit der Impfpflicht bearbeitet. Bislang wurden aber noch keine Zutrittsverbote oder Bußgelder erlassen. Für die Verwaltung bringt die Bearbeitung dieser Fälle „einen hohen zusätzlichen Arbeitsaufwand mit sich“, wie die Pressestelle des Landratsamts auf Anfrage unserer Zeitung mitteilt. Zu Auswirkungen auf die Pflegesituation könne man aber keine Einschätzung abgeben.

Pflegekräfte gehen in die Schweiz

Obwohl er zurzeit keine Gefährdung des Pflegeangebots wahrnimmt, sieht auch Martin Strittmatter sie auf längere Sicht kommen. Das Vorstandsmitglied des Evangelischen Altenwerks, dem auch das Margaretenheim angehört, befürchtet, nicht genügend Ersatz für Beschäftigte zu finden, die aus der Pflege ausscheiden.

Seit der Einführung der Impfpflicht haben vier seiner Arbeitnehmer gekündigt und sind in die Schweiz abgewandert. Insgesamt sind bei ihm 220 Mitarbeiter beschäftigt, von denen zwölf sich noch nicht endgültig für oder gegen die Impfung entschieden haben. Noch tragen sie den Genesenenstatus. Danach müsse sie Strittmatter dem Gesundheitsamt melden.

Der Schutz der Bewohner seiner Einrichtung stehe für Strittmatter im Vordergrund, nur halte er dafür die laufende Impfpflicht für ein ungeeignetes Mittel. Sie wurde damals als Auftakt zur allgemeinen Impfpflicht erlassen, erinnert er. Nachdem diese dann scheiterte, kam bei seinen Beschäftigten Unmut auf.

Es treffe nämlich Pflegekräfte, „die den Laden zwei Jahre lang am Laufen gehalten haben“. Statt Sanktionen gegen ungeimpfte Beschäftigte zu verhängen, hätte er sich lieber gewünscht, seine Mitarbeiter mehr zu informieren und entsprechende Angebote zu machen.

Jede Fachkraft wird gebraucht

Der Eigenbetrieb Heime des Landkreises Lörrach zählt insgesamt 684 Mitarbeiter. Bei gegenwärtig 27 ungeimpften Beschäftigten hat der Eigenbetrieb eine Impfquote von 96,3 Prozent, weiß Leiter Reinhard Heichel. Nur ein Mitarbeiter habe seit dem Greifen der Impfpflicht gekündigt. Grund war die Ungewissheit, ob ihm ein Betretungsverbot verhängt oder sogar eine Bußgeldzahlung auferlegt worden wäre.

Weil Heichel jede Fachkraft braucht, hat auch er die Sorge, dass es in vielen Fällen zu Kündigungen kommen wird. „Es tut bei jeder Kraft weh“, macht der Betriebsleiter deutlich. Er hofft auf eine Rücknahme der Teilimpfpflicht.

Ehmann äußert sich ähnlich: Die Coronasituation habe sich seit dem vergangenen Jahr verändert. Mittlerweile infizieren sich in seinem Pflegeheim überwiegend geboosterte Mitarbeiter, die das Virus dann weitergeben. So sei der Schutz vor der Infektionsweitergabe an gefährdete Bewohner durch die Impfung der Mitarbeiter doch nicht gegeben. Ehmanns Ansicht nach ist deshalb auch die gegenwärtige Impfpflicht inhaltlich nicht mehr tragbar.

Kliniken-Mitarbeiter sind verunsichert

Aus den Kliniken des Landkreises heißt es, dass man sich nach dem Scheitern der allgemeinen Impfpflicht „mit einem enormen Verwaltungsaufwand, Verunsicherung der Mitarbeiter und angesichts einer sowieso schon dünnen Personaldecke vom Bundesgesundheitsministerium allein gelassen“ fühlt. Bei einer Impfquote von 94 Prozent habe man dem Gesundheitsamt bislang 53 Mitarbeiter gemeldet. Zu Nachmeldungen werde es noch kommen, weil einige Mitarbeiter den Genesenenstatus hätten, der ablaufen werde.

Gleichzeitig betont Klinikensprecherin Marion Steger auf Anfrage unserer Zeitung: „Wir sind weiterhin überzeugt, dass die Impfung insbesondere zum Schutz der uns anvertrauten Patienten und der Mitarbeiter, die im direkten Kontakt mit diesen stehen, eine sehr wirksame Maßnahme ist.“

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