Kreis Lörrach Inklusion ist ein weites Feld

Die Oberbadische

Barrierefreiheit: Rollifreunde Weil am Rhein wecken Verständnis für die Bedürfnisse von Rollstuhlfahrern

„Es gibt keine Barrierefreiheit, die Menschen ohne Behinderung je geschadet hat“: Dieses Zitat des bekannten Inklusionsaktivisten Raul Krauthausen aus Berlin könnte der Leitspruch der Rollifreunde Weil am Rhein sein. Denn auch der rund 70-köpfige Verein unter Vorsitz von Rosa Kammerling setzt sich, vor allem mit Blick auf ein barrierefreies Leben, für die Integration von Gehandicapten ein.

Von Jasmin Soltani

Kreis Lörrach. „Wir wollen Verständnis für die Bedürfnisse von Rollstuhlfahrern und Behinderten wecken“, fasst Vorstandsmitglied Uwe Reimann die Ziele der „Rollifreunde Weil am Rhein“ zusammen, eine zunächst lose Gruppierung, entstanden 2008 als Ausgründung des Rollinetzwerks Lörrach. Es war von Anbeginn ein Treff nicht nur für Rollifahrer, hatten doch die Vereinten Nationen just in jenem Jahr die Behindertenrechtskonvention verabschiedetet. Sie gesteht allen Menschen das Recht auf uneingeschränkte und selbstbestimmte Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zu. Inklusion ist das Stichwort, das von Bildung bis Wahlrecht ein weites Feld ist und viel mit dem Kleinklein im Alltag zu tun hat: im Straßenverkehr, beim Einkaufen, bei Behördengängen, Arztbesuchen und in der Freizeitgestaltung.

Wer Rosa Kamerling und Uwe Reimann in ihren straßentauglichen elektrischen Rollstühlen ein stückweit begleitet, wird rasch mit den Hindernissen konfrontiert, mit denen Rollstuhlfahrer täglich zu kämpfen haben. Kaum ist das Haus im Gleiwitzerweg via Fahrstuhl und Rampe verlassen und über den Liegnitzerweg der Weg zur Breslauer Straße eingeschlagen, wartet die erste Hürde: Hohe Bordsteinkanten.

Was Menschen, die nicht auf Rollstuhl, Rollator oder sonstige Gehhilfen angewiesen sind, kaum auffällt, ist schon für Eltern mit Kinderwagen ein Stolperstein. „Wir aber kommen da alleine gar nicht auf den Gehweg“, sagt Rosa Kamerling. Dann heißt es Umwege in Kauf nehmen, oder notgedrungen auf die Fahrbahn ausweichen.

„Unüberwindbare Hürden gibt es zuhauf“

Derlei für Rollstuhlfahrer unüberwindbare Hürden im Straßenverkehr gibt es zuhauf in den Städten. Sie zu beseitigen kostet Geld. Deshalb sollte es bei anstehenden Bauarbeiten gleich miterledigt werden, fordern die Rollifreunde. „Was aber nicht immer der Fall ist“, konstatiert Kamerling anhand von Beispielen.

Neben der Beseitigung von Barrieren geht es dem Verein auch um öffentliche Behindertentoiletten – vorzugsweise mit einheitlichem Euroschloss für den sich körperlich Beeinträchtigte passende Schlüssel besorgen können. „Das steht ganz oben auf unserer Wunschliste“ betont Uwe Reimann.

Um sich mehr Gehör zu verschaffen, wurde aus der losen Gruppe der Rollifreunde, die sich zu geselligen Runden, Informationsaustausch und Ausflügen traf, 2012 ein Verein, der auch im Behindertenbeirat der Stadt vertreten ist. Berücksichtigt werden die Belange der Rollstuhlfahrer gleichwohl hauptsächlich bei Neubauprojekten, sagt Reimann. Ansonsten sei „viel Luft nach oben“, ergänzt Rosa Kamerling, obschon sich einiges in Puncto Barrierefreiheit getan habe. Selbst die langersehnte Rampe vor dem Kaufring steht nun.

Doch Nachbesserungen würden oft halbherzig vollzogen: Die Rampe hat noch eine Kante zur Fahrbahnseite, im modernisierten Laguna- Badeland steht der Behindertenlifter im Keller, befinden sich im Behinderten-WC auch Dusche und Umkleide. „Keiner würde so für Nichtbehinderte bauen“, kritisiert Rosa Kamlerling.

Demütigend sei dies, ebenso wie das Warten vor Geschäften, bis jemand eine mobile Rampe holt, oder wenn ein Busfahrer einfach weiterfährt, statt beim Einstieg über die behindertengerechte Rampe behilflich zu sein, mit der jeder SWEG-Bus ausgestattet ist.

Deshalb werden die Rollifreunde nicht müde, um Akzeptanz zu werben, auch bei jungen Menschen. Vielversprechend seien dabei die Projekttage, die an weiterführenden Weiler Schulen sowie in Schliengen und Grenzach -Wyhlen durchgeführt wurden. Im Rollstuhl sitzend bekommen die Schüler ein Gefühl für den beschwerlichen Hindernislauf von Rollifahrern, aber auch dafür, was trotz Handicap machbar ist, Rollstuhlsport zum Beispiel. Beratungen dazu und zu weiteren Lebensfragen von Betroffenen gehören denn auch zum vielseitigen Vereinsangebot.

Weitere Informationen: rollifreundeweilamrhein.de

„Behinderung“ lautet das Schwerpunktthema der Aktion „Leser helfen Not leidenden Menschen“ in diesem Jahr. Neben der Unterstützung von Einrichtungen und Projekten für „Menschen mit Behinderung“ geht es auch darum, mit redaktionellen Beiträgen und Reportagen die Themen Behinderung und Inklusion ins Bewusstsein der Öffentlichkeit zu tragen.

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