Kreis Lörrach Justiz muss 1000 Verfahren prüfen

Michael Werndorff
Das neue Cannabis-Gesetz erntet Lob und Kritik. Foto:  

Das neue Cannabis-Gesetz sorgt bei der Staatsanwaltschaft für viel zusätzliche Arbeit. Wegen der rückwirkenden Straffreiheit müssen Strafverfahren aufgearbeitet werden. Derweil begrüßt die Drogen- und Jugendberatungsstelle die Teillegalisierung.

Die Teil-Legalisierung von Cannabis ist durch. Ab dem 1. April sind gewisse Mengen von Cannabis zum Eigenkonsum erlaubt, auch ist der Anbau in der Wohnung gestattet, wo bis zu 50 Gramm aufbewahrt werden dürfen.

Die rückwirkende Straffreiheit sorgt derweil für scharfe Kritik. Der rheinland-pfälzische Justizminister Herbert Martin (FDP) nannte das Vorgehen der Bundesregierung zuletzt „rücksichtslos“. So müssten nämlich die Akten von knapp 10 000 Verfahren in Handarbeit überprüft werden. Das Gesetz schlägt auch in Baden-Württemberg hohe Wellen. Mit Bayern, Brandenburg und dem Saarland stimmte das Land dafür, den Vermittlungsausschuss anzurufen. Und BW-Innenminister Thomas Strobl (CDU) sprach von einem „handwerklich verkorksten“ Gesetz und einem „Bürokratiemonstrum“. Kurzum: Es kommt Mehrarbeit auf die Staatsanwaltschaften zu – auch bei der Staatsanwaltschaft Freiburg – Zweigstelle Lörrach – werden derzeit alle rechtskräftig abgeschlossenen Strafverfahren aufgearbeitet, bei denen die Strafvollstreckung noch nicht vollständig abgeschlossen ist und bei denen die Verurteilung jedenfalls teilweise wegen des strafbaren Umgangs mit Cannabis erfolgte, wie Oberstaatsanwältin Karin Sattler-Bartusch auf Nachfrage unserer Zeitung erklärt. Und weiter: „Dies betrifft im hiesigen Zuständigkeitsbereich über 1000 Verfahren, mit einem zeitlichen Aufwand von bis zu einer Stunde für jede der zu überprüfenden Akten.“

Eine gesonderte Bereitstellung von Personal für diese Aufgabe sei nicht erfolgt. Die Überprüfungen müssen von den Mitarbeitern zusätzlich zum Tagesgeschäft erledigt werden, heißt es weiter. „Bei beschränkten Ressourcen und ohnehin voller Auslastung stellt dies eine ganz erhebliche Zusatzbelastung dar“, erklärt Sattler-Bartusch.

Auch auf die Polizei werde jede Menge Arbeit zukommen, wie Stefanie Loth, Landesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), fürchtet. „Am Ende sehe ich einige Aufgaben auf die Polizei zukommen, wie mehr Präventionsarbeit, mehr Kontrollen im Straßenverkehr und mehr Aufwände bei den Kontrollen auf der Straße, aber kein Mehr an Personal und finanziellen Mitteln“, erklärte Loth dem SWR gegenüber. Die Drogen- und Jugendberatungsstelle im Landkreis Lörrach begrüßt die Teillegalisierung.

„Es ist gut, dass sich die Politik mit der Frage beschäftigt hat, ob es nicht sinnvoll ist, das Phänomen Cannabis anders zu bewerten als allein über das Strafrecht“, erklärt Leiter Frank Meißner im Gespräch mit unserer Zeitung. „Es ist gut, dass die Menschen nicht mehr stigmatisiert und kriminalisiert werden“, verweist er auf vier Millionen Cannabis-Konsumenten in Deutschland. Zudem sei es ein wichtiger Schritt, dem Schwarzmarkt entgegenzuwirken.

Durch die Teillegalisierung verändere sich aber keinesfalls die Einstufung der Risiken und Nebenwirkungen. „Cannabis ist nicht unbedenklich“, macht der Experte deutlich. „Der Konsum war, ist und bleibt mit bestimmten Risiken verbunden.“ Nachvollziehbar sei, dass die Neuerung bei vielen Eltern für Verunsicherung sorge und Ängste auslöse, dass sich Cannabis wie ein Flächenbrand ausbreite, denn das Ziel des Gesetzes sei kaum bekannt. Meißner gibt Entwarnung, Erfahrungen aus anderen Ländern zeigten, dass es zu keiner Ausbreitung komme.

Es sei aber davon auszugehen, dass es durchaus mehr Probier-Konsumenten geben werde, die vorher nichts mit der Illegalität zu tun haben wollten. Die Gefährdung, eine Abhängigkeit von Cannabis zu entwickeln, hätten derweil verletzbare, sensiblere Menschen, und zwar ganz unabhängig von dem neuen Gesetz, weiß Meißner.

Während die Strafverfolgungsbehörden Mehrarbeit erwartet, sieht Meißner keine Anfragewelle auf die Beratungsstelle zu kommen. Der ein oder andere dürfte sich im Zuge der Entstigmatisierung sicher ermutigt fühlen, aus einer freien Entscheidung heraus eine Beratung in Anspruch zu nehmen.

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