Kreis Lörrach Klinik-Start mit starken Schmerzen

Peter Ade
Seit einem halben Jahrhundert existiert das Kreiskrankenhaus Rheinfelden auf der Nollinger Höhe. Nach erheblichen Startschwierigkeiten hat sich das Haus mit seinen Fachabteilungen zu einer Vorzeige-Klinik entwickelt. Foto: Peter Ade

Rückblick: Kreiskrankenhaus Rheinfelden eröffnet / Mutige Kräfte schrieben Erfolgsgeschichte

Die angestrebte Zentralisierung der Kliniken des Landkreises weckt Erinnerungen an die bewegte Historie der bestehenden Krankenhäuser in Schopfheim und Rheinfelden. Letzteres ist das Jüngste im Bunde. Vor einem halben Jahrhundert wurde es am „Vogelsang“ auf der Nollinger Höhe für die Abteilungen Innere Medizin und Chirurgie gebaut und nahm danach einen turbulenten Start. 1977 kam die Fachabteilung Orthopädie hinzu.

Von Peter Ade

Kreis Lörrach. Ein Herzenswunsch der Bevölkerung erfüllte sich im Spätjahr 1975: Die stationäre medizinische und pflegerische Versorgung der Menschen war ab sofort in zentraler Lage annähernd optimal sichergestellt. Doch die ersten Monate des neuen Hauses mit angrenzendem Schwesternwohnheim zogen alles andere als harmonisch ins Land. Regional- und Kommunalpolitiker jener Zeit wissen bis heute genau, dass dem grünen Licht zum Baubeginn heftige Debatten auf nahezu allen Ebenen vorausgingen.

Erhebliche Widerstände gab es vor allem im alten Landkreis Säckingen, zu dem Rheinfelden bis Anfang der 1970er Jahre gehörte. Am Bau der Klinik hatten zwei Männer entscheidenden Anteil. Der frühere Rheinfelder Oberbürgermeister Herbert King (1920-2001) und der Lörracher Landrat Otto Leible (1927-2004) waren von Anfang an glühende Verfechter für ein Krankenhaus, das bald weithin hervorragenden Ruf erlangen sollte.

Signal durch Kreisreform

Der entscheidende Durchbruch kam im Zuge der Kreisreform mit der Zuordnung der Industriestadt zum Landkreis Lörrach. Landrat Leible setzte sich an die Spitze der Befürworter und räumte in unzähligen Gesprächen und Verhandlungen – unter anderem mit dem Sozialministerium Baden-Württemberg – Bedenken und Vorurteile aus dem Weg.

In Rheinfelden selbst nahm der schon in den 1960er Jahren auf Initiative von Herbert King ins Leben gerufene Krankenhaus-Förderverein Fahrt auf. Einige hundert Bürger wurden auf Anhieb Mitglied und standen zusammen mit Gemeinderat und Verwaltungsspitze wie eine Eins hinter der Forderung nach einer leistungsstarken Klinik. „Ohne die beispielhafte Bürgerinitiative wäre das Krankenhaus am Vogelsang wohl noch viele Jahre eine Vision geblieben“, erinnert sich der frühere Rheinfelder Kreis- und Stadtrat Erich Blatter.

Doch nach Überwindung aller politischen und bürokratischen Hürden verlief der Start auf der Nollinger Höhe alles andere als glücklich. Bauliche Mängel – vor allem im Bereich der Statik – zogen Auseinandersetzungen mit dem Architekten und kostspielige Korrekturen nach sich.

Mysteriöse Todesfälle

Weitaus tragischer waren wenige Wochen nach der Eröffnung sieben mysteriöse Todesfälle auf der Intensivstation, die bundesweit für Aufsehen sorgten. Ein Krankenpfleger geriet ins Fadenkreuz der Ermittler. Er soll den älteren Patienten Überdosen der Herzstärkungsmittel „Lanitop“ und „Kombetin“ verabreicht haben – zwei Digitalis- und Strophantin-Präparate, die zum Tod geführt haben.

An Weihnachten 1975 wurde der Mann am Arbeitsplatz festgenommen. Es folgten zwei langwierige, nicht unumstrittene Prozesse am Landgericht Freiburg. Ein zunächst erfolgter Freispruch wurde vom Bundesgerichtshof aufgehoben. Seiner Verantwortung entzog sich der Beschuldigte später durch Freitod.

Ungeachtet aller Turbulenzen in der Anfangsphase – der „Vogelsang“ gedieh prächtig. Chirurgie und Innere Medizin entwickelten sich unter Leitung der engagierten Chefärzte Dr. Rolf Boos und Dr. Klaus Walter sowie der langjährigen Pflegedienstleiterin Hildegard Kieninger zu Fachabteilungen mit vorzüglichem Ruf.

Patienten aus aller Welt

Die 1977 eröffnete Orthopädie unter Leitung von Professor Hans-Rudolf Henche verhalf dem Haus zu höchstem Renommee. Henches wissenschaftlicher Einsatz – vor allem auf dem Gebiet der Arthroskopie – war bahnbrechend und machte das Kreiskrankenhaus zu einer Top-Adresse für Patienten aus aller Welt, darunter deutsche und internationale Spitzensportler.

Für seine Verdienste bekam der heute in Lörrach lebende 83-jährige Arzt im Jahr 2005 das Bundesverdienstkreuz. Allerdings kam das Krankenhaus in den 1990er Jahren im Zuge der Gesundheitsreform auf den Prüfstand. Das Schlagwort der Klinik-Konzentration bis hin zur Schließung einzelner Abteilungen und der Bündelung medizinischer Dienstleistungen an zentralen Orten schwebte lange Jahre wie ein Damoklesschwert über dem „Vogelsang“.

Bestens aufgestellt

„Wir können uns nicht vorstellen, dass unser Krankenhaus geschlossen wird“, erklärte der damalige Bürgermeister Rolf Karrer als Vorsitzender des Krankenhaus-Fördervereins. Die Klinik sei „hervorragend aufgestellt“ und bediene auf der Rheinschiene eine 50 000 Einwohner zählende Bevölkerung von Grenzach-Wyhlen bis Schwörstadt. Im Wettbewerb mit anderen Kliniken im Landkreis, mit Bad Säckingen sowie der benachbarten Schweiz habe Rheinfelden gute Argumente, die kaum zu widerlegen seien. Das Haus sei für 4,6 Millionen Euro frisch saniert worden und habe ein ausgezeichnetes Angebot.

„Rheinfelden funktioniert bestens“, betonte Dr. Rolf Boos, der frühere Chef der Inneren Abteilung. Die dem Standort zukommende Bedeutung mit der Orthopädie und der „Inneren“ werde angesichts der demografischen Entwicklung der Bevölkerung weiter zunehmen. Vor allem dem Zusammenwirken von Orthopädie und Rheumatologie, dem Spezialgebiet der „Inneren“, räumte der frühere Chefarzt einen hohen Stellenwert ein.

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