Kreis Lörrach Kritik an Umgangsformen in Berlin

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Sommerinterview: Diana Stöcker (MdB) will unserer Region im Bundestag mehr Gehör verschaffen

Kreis Lörrach (ag). Diana Stöcker (CDU) ist seit 2021 Mitglied des Deutschen Bundestages als direkt gewählte Abgeordnete für den Wahlkreis Lörrach-Müllheim. Davor war sie von 2015 bis 2021 Bürgermeisterin in Rheinfelden. Im Sommerinterview bezieht sie Stellung zu aktuellen Themen.

Dabei geht es zum einen um Ereignisse, die derzeit die Bundespolitik in Berlin bewegen, wie den Ukraine-Krieg, die Energiekrise oder die Corona-Lage. Zum anderen gibt Stöcker aber auch Auskunft darüber, in welchen Bereichen sie sich in der Hauptstadt für die Belange des Landkreises Lörrach einsetzt.

Frau Stöcker, Sie wollen sich für die Menschen in unserer Region einsetzen. Denken Sie, dass die spezifischen Probleme, die gerade der ländliche Raum hat, in Berlin ausreichend Beachtung finden?

Ich bin dafür angetreten, unserer Region Gehör zu verschaffen. Für meine Arbeit als direkt gewählte Abgeordnete bedeutet dies, die Bedürfnisse und Interessen unserer Region in Berlin auf die Tagesordnung zu bringen.

Aktuell setze ich mich zum Beispiel für Rehakliniken ein, von denen es in meinem Wahlkreis eine Vielzahl gibt. Die Corona-Ausgleichszahlungen für Rehabilitations- und Vorsorgeeinrichtungen müssen verlängert werden, die Bundesregierung will sie jedoch streichen, was zu Klinik-Insolvenzen führen wird.

Der bundesweit herrschende Fachkräftemangel wird hier im Dreiländereck durch die Nähe zur Schweiz zusätzlich verschärft. Dies betrifft ganz besonders Fachärzte und den Pflegebereich. Wir brauchen in der Pflege unter anderem die sofortige Anerkennung von Berufsabschlüssen aus dem Ausland. Ich habe hierzu mehrere parlamentarische Anfragen gestellt und bereite gerade neue Initiativen vor. Hier muss die Regierung endlich ihre Hausaufgaben machen.

Auch unser ländlicher Raum benötigt mehr Aufmerksamkeit und muss mit seinen speziellen Bedürfnissen in Berlin auf die Tagesordnung. Denn wir haben hier im Schwarzwald eine besondere Situation. Landwirtschaft findet oft an sehr herausfordernden Standorten, zum Beispiel Steilhängen, statt. Die Erhaltung unserer einzigartigen Kulturlandschaft geht nur gemeinsam mit der Landwirtschaft. Viele Landwirte haben aufgrund der hohen bürokratischen und praxisfremden Auflagen bereits aufgegeben. Das darf nicht sein. Ich werde mich daher auch weiterhin für die besondere Landwirtschaft im Schwarzwald einsetzen.

Derzeit sind die Cum-ex-Affäre und die möglichen Verwicklungen von Kanzler Olaf Scholz ein großes Thema. Wie beurteilen Sie aus der Opposition heraus die Lage?

Vorverurteilungen sind fehl am Platze. Auch in der Politik muss die Unschuldsvermutung gelten. Das gilt natürlich auch für Bundeskanzler Scholz. Die Unklarheiten müssen jedoch aufgeklärt werden. Um die Kuh vom Eis zu kriegen, sollte Scholz bereit sein, konstruktiv mit dem Untersuchungsausschuss des Hamburger Senats zusammenzuarbeiten.

Was mich am Verhalten von Scholz am meisten stört, ist sein arroganter Umgang mit der Opposition. In den Fragestunden werden Fragen der Opposition abgekanzelt oder nur oberflächlich beantwortet. Hier geht es auch um den Respekt gegenüber allen Parlamentarierinnen und Parlamentariern.

Und wie beurteilen Sie die Arbeit der Regierung im Hinblick auf den Ukraine-Krieg? Halten Sie die Unterstützung, die aus Deutschland kommt, für ausreichend?

Ein bewegender, erschütternder und gleichzeitig symbolhafter Moment für die Ukraine-Politik der Bundesregierung war die per Video in den Plenarsaal übertragene Rede des ukrainischen Präsidenten Selenskyj.

Erschütternd war, dass es keinerlei Reaktionen von Scholz oder der Bundesregierung auf die Rede gab und direkt zur Tagesordnung übergegangen wurde. Bundestagsvizepräsidentin Göring-Eckhard hat direkt im Anschluss an die Rede zwei Geburtstagskindern gratuliert. Ein unangemessener und enttäuschender Umgang mit dem ukrainischen Präsidenten.

Deutschland hätte früher mehr tun müssen. Bis heute wird noch nicht alles geliefert, was möglich wäre und zugesagt wurde.

Wie stehen Sie zu einem potenziellen Weiterbetrieb der Atomkraftwerke, um einer möglichen Energieknappheit im Winter entgegenzuwirken?

Ich habe mich bereits mehrfach für den Streckbetrieb der Kernkraftwerke ausgesprochen. Es kann den Bürgerinnen und Bürgern nicht glaubhaft vermittelt werden, dass Deutschland aus Kernkraft gewonnene Energie aus dem Ausland bezieht, während gleichzeitig in Deutschland die sichersten AKWs der Welt stillgelegt werden.

Um die Energiekrise zu überstehen, brauchen wir jede verfügbare Kilowattstunde. „Technologieoffenheit“ wird seit Jahren betont und erfährt gerade in der jetzigen Krise neue Rechtfertigung. Deshalb haben wir als Unionsfraktion die Regierung dazu aufgefordert, die Deckelung der Energie aus Wasserkraft und Biogas auszusetzen. Nur für die Wasserkraft hat die Regierung daraufhin den Deckel aufgehoben.

Wir müssen darüber hinaus bereit sein, Energiesicherheit stärker europäisch fortzuentwickeln. Nationale Alleingänge werden die Energieversorgung der Mitgliedstaaten nicht sicherstellen können. Wir brauchen gerade jetzt die europäische Solidarität bei Gas, Strom und Öl. Wir müssen unsere Potenziale zusammenführen, zum Beispiel im Sinne von Ökostrom-Partnerschaften, mit grenzüberschreitenden Leitungen und mit einem europäischen Wasserstoffnetz.

Die neue Gasumlage ist ein handwerklich schlecht gemachtes Regelwerk und sozial ungerecht. Dass auf die Umlage auch eine Mehrwertsteuer zu zahlen ist, ist keine große Überraschung.

Derzeit ächzt nicht nur Deutschland unter der anhaltenden Hitze. Waldbrände und Wassermangel gehen damit einher. Müsste nicht mehr getan werden für den Umwelt- und Klimaschutz?

„Was wir heute tun, entscheidet darüber wie die Welt morgen aussieht.“ Dieses Zitat von Marie von Ebner-Eschenbach ist ein wichtiger Leitsatz für mich. So wie wir aktuell mit den natürlichen Ressourcen umgehen, kann es nicht weitergehen.

Wir haben in der Union pragmatische Vorschläge gemacht. Aufbauend auf dem europäischen Emissionshandel für Energie und Industrie wollen wir den europäischen Emissionshandel im Luftverkehr stärken und in weiteren Sektoren wie Mobilität und Wärme sowie dem Schiffsverkehr so schnell wie möglich etablieren.

Deutschland kann aufgrund seines kreativen und innovativen Mittelstands als Industrieland eine Vorreiterrolle einnehmen, damit weltweit CO 2-Neutralität erreicht wird. Dies sind wir den nachfolgenden Generationen schuldig.

Die Corona-Lage scheint sich aktuell zu entspannen. Sehen Sie diesbezüglich optimistisch in den Herbst?

Es ist weder die Zeit für Euphorie noch für Panikmache. Wir brauchen eine handfeste, zielorientierte Politik. Denn für den Herbst und Winter erwarten alle Experten steigende Fallzahlen.

Am 23. September laufen die Regelungen des Infektionsschutzgesetzes aus, die Grundlage für die Maßnahmen zur Virusbekämpfung sind. Die Regierung hätte die letzten Monate nutzen müssen, um ein solides Konzept für den Herbst zu erarbeiten. Zwischen Gesundheits- und Justizminister herrscht aber immer noch Uneinigkeit darüber, mit welchen Maßnahmen es im Herbst weitergehen soll. Es kann nicht sein, dass der Gesundheitsschutz aufgrund unterschiedlicher Meinung in der Regierung geopfert wird.

Die große Linie ist klar: Wir müssen die älteren und vorerkrankten Menschen schützen, zugleich aber Lockdowns oder Schul- und Kitaschließungen vermeiden.

Obwohl die nötigen Stellungnahmen der Experten mittlerweile vorliegen, schafft es die Regierung nicht, einen gemeinsamen Vorschlag zu präsentieren. Das Gesetz wird der Deutsche Bundestag Anfang September wahrscheinlich erneut im Eiltempo beschließen müssen.

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