Kreis Lörrach Nach Dringlichkeit abarbeiten

Michael Werndorff
Wegen der Corona-Pandemie mussten auch an den Kreiskliniken und am St. Elisabethen-Krankenhaus planbare Operationen verschoben werden (Archivfoto) Foto: Die Oberbadische

Gesundheit: Kliniken mussten coronabedingt Operationen verschieben / Patienten zeigen Verständnis

Kreis Lörrach - Die Corona-Pandemie stellt das Gesundheitssystem vor große Herausforderungen. So ist in den vergangenen Monaten deutschlandweit ein Großteil der Klinikkapazitäten für Covid-19 Patienten freigehalten worden. Planbare Operationen wurden verschoben – auch an den Kliniken im Landkreis Lörrach. Das hat nicht nur Folgen für Patienten, sondern wirkt sich auch negativ im Finanzhaushalt der Krankenhäuser aus.

Zehntausende Krebspatienten mussten auf ihre OP warten

Nach Aussage des Vorstandsvorsitzenden der Deutschen Krebshilfe, Gerd Nettekoven, hätten während des Lockdowns Zehntausende Krebspatienten auf ihre Operationen warten müssen. Auch Diagnose- und Früherkennungsmaßnahmen seien verschoben worden, wie er gegenüber der Augsburger Allgemeinen dieser Tage sagte.

Wie viele Eingriffe an den Kreiskliniken insgesamt aufgrund der Pandemie verschoben werden mussten, kann Klinikensprecherin Marion Steger auf Nachfrage unserer Zeitung nicht sagen, weil darüber keine Statistik geführt werde. „Dringliche Eingriffe bei Patienten mit Symptomen haben wir die ganze Zeit über durchgeführt, inklusive der dazugehörigen Vor- und Nachsorge.“

Fallzahlen knapp 35 Prozent Vergleichsmonat des Vorjahres

Derweil sind für die gesetzliche Krankenversicherung verschobene Operationen nur indirekt erkennbar. „Vergleichen können wir die sogenannten Krankenhaus-Fallzahlen (KH), die sich aus der Addition der von den Kliniken abgerechneten Einzelfälle ergeben. Im Corona-Monat Mai lagen diese in Baden-Württemberg um 34,7 Prozent unter den Fallzahlen des Vergleichsmonats des Vorjahres“, erklärt Cordelia Steffek, Sprecherin der AOK Hochrhein-Bodensee.

So nahmen bei den AOK-Versicherten die Fallzahlen von Januar bis Ende Mai im Vergleich zum Vorjahr bei den koronaren Herzkrankheiten um 19,2 Prozent, bei Diabetes mellitus um 20,6 und bei Arthrose um 30,1 Prozent ab. „Rückgängige Fallzahlen können nach Auffassung der AOK auch bedeuten, dass manche von körperlichen oder psychischen Beschwerden betroffene Menschen wichtige Entscheidungen aufgeschoben haben“, sagt Steffek.

"Bei akuten Erkrankungen oder starken Schmerzen weiterhin zum Arzt!"

AOK-Geschäftsführer Uwe Schreiber appelliert in diesem Zusammenhang dringend, bei akuten Erkrankungen oder starken Schmerzen zum Arzt zu gehen oder bei schwerwiegenden gesundheitlichen Problemen die Notaufnahme aufzusuchen. „Mit einer schweren Erkrankung zuhause zu bleiben und nicht zum Arzt oder in ein Krankenhaus zu gehen, wäre falsch und sogar gefährlich.“

Für die verschobenen Operationen hätten die betroffenen Patienten Verständnis gezeigt. „Es gab keine Beschwerden, teilweise zeigten sich die Patienten sogar erleichtert über eine Terminverschiebung unsererseits. Wir haben uns über das große Verständnis sehr gefreut“, kommentiert Steger die Corona-Maßnahmen.

Der Betrieb an den Kreiskliniken laufe wieder voll, natürlich weiterhin unter Einhaltung der Hygieneregeln und dadurch mit etwas reduzierter Bettenzahl, wie weiter zu erfahren ist. Die Abarbeitung der verschobenen Eingriffe sei in vollem Gange. „Dabei priorisieren wir nach Dringlichkeit.“

Besonnener Umgang auf die Corona-Situation

Schreiber lobt derweil den besonnenen Umgang, mit dem die Kliniken in der Region auf die Corona-Situation reagieren: „Die Krankenhäuser haben zum richtigen Zeitpunkt geeignete Schutzmaßnahmen ergriffen und sich flexibel auf die veränderte Herausforderung eingestellt.“

Mit Blick auf eine mögliche zweite Welle seien die Kreiskliniken gut aufgestellt. „Wir sind nun besser vorbereitet und haben das Szenario schon einmal durchlebt. Je nach Ausmaß würde man nach demselben Schema verfahren und den Betrieb stufenweise auf die Versorgung von Covid-19-Patienten umstellen, inklusive zum Beispiel der Absage planbarer Operationen“, erklärt Steger. Auch seien die Vorräte an persönlicher Schutzausrüstung aufgestockt, Hygieneprozesse mit Blick auf Covid-19 gezielt optimiert und stufenweise Stationskonzepte für Covid-Patienten vorbereitet worden.

Die Corona-Pandemie hat nicht nur unmittelbare Folgen für die Patienten und den Klinikbetrieb. Es kommt auch zu großen finanziellen Einbußen: „Die wirtschaftliche Situation ist angespannt. Wir setzen alles daran, die aufgrund Corona nicht erbrachten Leistungen aufzuholen. Die Ausfallpauschale kann dies nicht kompensieren“, macht die Klinikensprecherin deutlich. Das wurde bereits in der jüngsten Kreistagssitzung im Mai thematisiert.

Ausgleichspauschale reicht nicht aus

Vor dem Hintergrund des Krankenhausentlastungsgesetzes monierte Klinikengeschäftsführer Armin Müller, dass die tagesbezogene Ausgleichspauschale in Höhe von 560 Euro aus seiner Sicht nicht ausreiche. So werde ein nicht beatmungspflichtiger Covid-19-Patient geringer vergütet als die Ausgleichspauschale.

Daneben führe die Mehrkostenpauschale für Schutzausrüstung mit 50 Euro pro Fall zu einem monatlichen Defizit von rund 150 000 Euro. Weiter entspreche der Intensivzuschuss in Höhe von 50 000 Euro nicht der Realität. Die ursprüngliche Prognose für das laufende Jahr ging von einer Steigerung der Gesamterlöse auf 114 Millionen Euro aus. Es sei abzusehen, dass die Planzahlen für 2020 wahrscheinlich nicht erreicht würden, wie es im Mai hieß.

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