Kreis Lörrach ÖV-Branche fühlt sich überrumpelt

Michael Werndorff
Experten gehen davon aus, dass das 9-Euro-Ticket vor allem für den Freizeit-, Wochenend- und Ferienverkehr genutzt wird –­ mit hoher Auslastung auf touristischen Strecken. Foto: Michael Werndorff

Verkehr I: 9-Euro-Ticket soll Bürger entlasten / RVL-Geschäftsführer zeigt sich derweil kritisch

Das 9-Euro-Ticket findet reißenden Absatz: In wenigen Stunden nach Verkaufsstart am Montag waren schon Zehntausende Monatstickets verkauft. Für die Verkehrsunternehmen im Regio Verkehrsverbund Lörrach konnte RVL-Geschäftsführer Frank Bärnighausen gestern auf Anfrage unserer Zeitung noch keine Zahlen nennen. Fest steht aber, dass die Nachfrage steigen wird und mehr Menschen Bus und Bahn nutzen werden.

Von Michael Werndorff

Kreis Lörrach. „Wir rechnen mit einer erhöhten Ticketnachfrage“, sagte Bärnighausen im Gespräch mit unserer Zeitung. Mit Sicherheit werde es auf bestimmten Strecken und je nach Tag und Wetter volle bis überfüllte Fahrzeuge geben. Insbesondere auf der Hochrheinstrecke zum Bodensee.

Viel Freizeitverkehr

So gehen Experten davon aus, dass das Ticket vor allem für den Freizeit-, Wochenend- und Ferienverkehr genutzt wird – mit hoher Auslastung auf touristischen Strecken. Die DB will daher insbesondere dort zusätzliche Züge einsetzen.

Die Kapazitäten der Fahrzeuge seien aber beschränkt, erklärt Bärnighausen. Es sei ein Trugschluss, zu glauben, die Verkehrsunternehmen würden heiße Luft transportieren, monierte er. Außerdem habe kaum ein Busbetrieb ungenutzte Fahrzeuge auf seinem Hof stehen. Ein weiteres Problem sei der ausgeprägte Fahrermangel, gab Bärnighausen zu bedenken. Kurzum: Alle Fahrzeuge seien im Einsatz. „Es gibt keine Luft nach oben.“

Die Bundesregierung hat zur Entlastung der Bürger wegen steigender Energiekosten beschlossen, für drei Monate das stark vergünstigtes Ticket für den ÖPNV zum Preis von monatlich neun Euro einzuführen.

Branche überrumpelt

„Damit wurde die ÖV-Branche regelrecht überrumpelt“, zeigt sich Bärnighausen kritisch. „Wir mussten in kurzer Zeit viel Detailarbeit leisten, zahlreiche Aspekte waren nicht geklärt.“ Neben dem großen organisatorischen Aufwand bedeutet das Ticket auch Mindereinnahmen für den RVL, die Bärnighausen mit vier Millionen Euro beziffert, die der Bund erstatten werde.

Die Entlastungsmaßnahme sei ein kurzfristiges Geschenk der Bundesregierung an die Bürger. „Der Aspekt der Nachhaltigkeit wird dabei völlig außen vor gelassen.“ Finanzielle Mittel sollten in dauerhafte Angebote investiert werden, verwies Bärnighausen auf Verbesserungen im Ausbau oder bei den Tarifen. Er hofft aber, dass dem ÖPNV nach Auslaufen der dreimonatigen Aktion neue Nutzer erhalten bleiben werden.

Intensive Vorbereitung

Auch für die SBB Deutschland mit Sitz in Konstanz seien die Vorbereitungen „sehr kurzfristig und intensiv“ gewesen, teilt Marketing-Leiter Daniel König auf Anfrage unserer Zeitung mit. Jetzt hoffe das Unternehmen, dass entsprechende finanzielle Zusagen bald eintreffen. „Wir als SBB GmbH haben dem Land verschiedene Angebote für zusätzliche Kapazitäten beziehungsweise Entlastungen offeriert, jedoch unter den Aspekten der Umsetzbarkeit“, verweist auch er auf die begrenzte Anzahl an Personal und Fahrzeugen. „Hier benötigen wir jedoch schnelle und unbürokratische Entscheidungen, um die entsprechenden Kapazitäten zeitnah bereitzustellen.“

Für Klimaneutralität

FDP-Bundestagsabgeordneter Christoph Hoffmann unterstreicht derweil in einer Mitteilung die Entlastungswirkung für die Bürger: „Der Ansturm auf die Tickets bereits wenige Stunden nach Verkaufsstart zeigt, dass dies eine wichtige und richtige Maßnahme des FDP-Ministeriums ist. Mit diesem Angebot werden viele Bürger entlastet.“

Mit dem Maßnahmenpaket der Ampel-Koalition würden umfangreiche Entlastungen auf den Weg gebracht. Die vergünstigten ÖPNV-Tickets machten deutlich, wie mit einfachen, unbürokratischen Maßnahmen gleich zwei Ziele erreicht werden: ein Beitrag zur Klimaneutralität und die Entlastung der Bürger.

„Auch zahlreiche Verkehrsteilnehmer, die bisher nur selten oder gar nicht den öffentlichen Verkehr nutzten, können sich nun mit dem Zug- und Busverkehr anfreunden. Selbst in ländlichen Regionen, wo für einen Großteil der Menschen das Leben mit höheren Mobilitätskosten verbunden ist, wird ein Umstieg auf den öffentlichen Verkehr festzustellen sein.“

Der FDP-Politiker betont, dass dies nicht automatisch bedeute, dass der Staat mehr Geld gibt. „Aber der Staat nimmt den Menschen weniger Geld weg, das ist der Ansatz der Koalition.“

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