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Kreis Lörrach „Sehnsucht nach Normalität ist da“

Adrian Steineck
Gerade in Krisenzeiten können Weihnachtssymbole wie die Krippe Trost und Zuversicht spenden. Foto: Kristoff Meller

Weihnachten: Pfarrer Markus Schulz über Gottesdienste in Corona-Zeiten und die Ängste der Menschen

Es ist das zweite Weihnachten unter Corona-Bedingungen. Herrschte im vergangenen Jahr trotz der Kontaktbeschränkungen bei vielen Menschen Zuversicht aufgrund der gerade entwickelten Impfstoffe vor und der Wille, das Fest unter Pandemie-Regeln als besondere Erfahrung wahrzunehmen, so ist die Stimmung in diesem Jahr eine andere, sagt Markus Schulz.

Von Adrian Steineck

Kreis Lörrach. Markus Schulz ist Pfarrer an der Christuskirche in Lörrach und Stellvertreter von Dekanin Bärbel Schäfer. Unsere Zeitung hat mit ihm über die Bedeutung des Weihnachtsfests in schwieriger Zeit gesprochen und darüber, unter welchen Auflagen Gottesdienste zu Weihnachten überhaupt möglich sind.

Frage: Herr Schulz, zum zweiten Mal müssen wir uns an Weihnachten überlegen, wie viele und welche Verwandten wir einladen, ob der Besuch in der Kirche sicher ist und ob irgendwo 2G- oder 3G-Regeln gelten, statt einfach nur das Fest genießen zu können. Ist die Stimmung an Weihnachten 2021 eine andere als an Weihnachten 2020?

Definitiv ja. Im vergangenen Jahr haben wir uns mit der katholischen Kirche abgestimmt und sind zu dem Schluss gekommen, dass wir keine öffentlichen Gottesdienste zur Weihnachtszeit verantworten können – und damals war die Inzidenz deutlich niedriger als heute. Aufgrund der Impfstoffe und der sonstigen Rahmenbedingungen haben wir uns dieses Jahr aber dafür entschieden, Gottesdienste anzubieten.

Frage: Unter welchen Bedingungen laufen diese ab?

Die Kirchen haben als Religionsgemeinschaften viele Freiheiten. Diese gilt es verantwortungsvoll zu nutzen. Es gibt die Möglichkeit, entweder einen Gottesdienst ohne Zugangsbeschränkung für Ungeimpfte, aber dafür mit reduzierter Besucherzahl, anzubieten oder einen Gottesdienst unter 2G- oder 3G-Bedingungen. Dies ist aber nur erlaubt, wenn es in der Nähe auch einen Weihnachtsgottesdienst gibt, der für alle Menschen offensteht. In Lörrach wird es beide Arten von Weihnachtsgottesdiensten geben.

Frage: Das heißt also, dass Weihnachtsgottesdienste grundsätzlich jedem offenstehen, egal ob geimpft oder nicht?

Ja. Die Evangelische Landeskirche Baden und das Erzbistum Freiburg weichen mit dieser Sicht von der Haltung der Kirchen in anderen Bundesländern wie Berlin, Thüringen oder Sachsen ab. Dort orientieren sich die Regeln für Weihnachtsgottesdienste an den Corona-Verordnungen der jeweiligen Bundesländer. Das heißt, dass Ungeimpfte entweder ganz ausgeschlossen sind oder einen Testnachweis vorlegen müssen.

Frage: Welche Rückmeldungen erhalten Sie von den Menschen in Ihrer Kirchengemeinde? Ist die Sehnsucht nach Gemeinschaft groß oder scheuen sich viele eher vor dem Kirchgang, aus Angst davor, sich mit Covid-19 anzustecken?

Die Sehnsucht nach Gemeinschaft und generell nach Normalität ist definitiv da. Gerade bei Senioren ist der Bedarf groß. Viele Weihnachtsgottesdienste sind bereits ausgebucht, und auch ein Konzert zur Adventszeit bei uns in der Christuskirche war ausgebucht. Dort ist eine Frau sogar wieder gegangen, weil ihr die ausgewählten Advents- und Weihnachtslieder nicht fröhlich genug waren und sie sich von dem Konzert noch mehr Ermutigung erwartet hat. Es ist da auch eine Möglichkeit der Kirche, zu zeigen, dass es im Leben auch noch andere Aspekte gibt als 2G oder 3G. Mitunter muss man bei Veranstaltungen auch einmal nach anderen Lösungen suchen.

Frage: Wie können diese aussehen?

Wir haben dieses Jahr etwa das traditionelle Musical der Christuskirche mit 50 Kindern vorbereitet. Da haben sich Kinder wie Eltern sehr darüber gefreut, dass endlich wieder etwas gemeinsam auf die Beine gestellt wurde. Schlussendlich mussten wir das Musical aufgrund der sich verschärfenden Situation dann doch absagen. Aber bei den Krippenspielen etwa wird es dieses Jahr so sein, dass vieles im Freien stattfindet und damit auch für alle Menschen zugänglich ist.

Frage: Wenn jemand dieses Jahr an Weihnachten partout nicht in die Kirche gehen will, aber dennoch Kraft aus dem Glauben schöpft: Welche Möglichkeiten gibt es, sich für zuhause ein wenig Zuversicht und Wärme zu verschaffen?

Da gibt es verschiedene Möglichkeiten, auch für Menschen, die nicht im Internet unterwegs sind. Eine Telefonandacht etwa mit Weihnachtsmusik und geistlichen Impulsen etwa. Im Netz gibt es die Initiative „24 X – Weihnachten neu erleben“, die sich schon im vergangenen Jahr gegründet hat und unter anderem Online-Videos anbietet. Im Kirchenbezirk Markgräflerland wird an Heiligabend ab 15 Uhr ein Sofa-Gottesdienst angeboten. Zu guter Letzt gibt es natürlich für jeden Menschen die Möglichkeit, sich zu sagen: Ich bin selbst Christ und brauche keinen Pfarrer. Da kann jeder seine Bibel oder sein Gesangbuch mit Weihnachtsliedern zur Hand nehmen.

Frage: Noch einmal zurück zur Grundstimmung. Im vergangenen Jahr wurden kurz vor Weihnachten die ersten Impfstoffe zugelassen, es herrschte trotz der Kontaktbeschränkungen doch bei vielen die Zuversicht: Im nächsten Jahr wird es wieder besser, sprich: normaler. Welche Stimmung erleben Sie dieses Jahr im Gespräch mit den Menschen?

Die Einsamkeit ist für viele Menschen ein wesentlicher Faktor. Viele unserer Kirchengemeindemitglieder haben ihre Familie nicht vor Ort. Da spielt die Dankbarkeit für funktionierende Beziehungen eine große Rolle. So haben etwa unsere regelmäßigen Angebote wie etwa die verschiedenen Gruppen und Kreise eine große Bedeutung gewonnen, da diese für manche auch wie eine Familie sind.

Frage: Als Pfarrer herrscht bei Ihnen in der Advents- und Weihnachtszeit Hochsaison. Welche Möglichkeiten nutzen Sie selbst, um einfach einmal für sich zu sein?

Es ist durchaus so, dass auch ich die derzeitige Situation als harte Zeit und als ziemlich stressig erlebe. Denn für uns Pfarrer bedeutet die Corona-Lage, dass wir uns vielmehr mit den Begleitumständen einer Predigt beschäftigen müssen als nur mit deren Inhalt. Da spielt für mich die Stille eine große Rolle. Ich schaffe mir immer wieder Zeitfenster für das Beten, in denen ich den ganzen Trubel aussperre.

Frage: Und wie feiern Sie selbst Weihnachten?

Mit meiner Familie. Das tut mir einfach gut. An Heiligabend halte ich einen Gottesdienst ab, aber am 25. Dezember habe ich dann frei und freue mich auf die Zeit gemeinsam mit meiner Frau und meinen fünf Kindern.

Weitere Informationen: Die Telefonandacht des Missionswerks Karlsruhe ist unter 0180 / 11 777 11 zu erreichen. Näheres zu den Gottesdiensten und kirchlichen Angeboten im Internet unter www.christus-kirche.org.

teilt sich mit seiner Frau die Pfarrstelle an der Christuskirche in Lörrach und ist Stellvertreter von Dekanin Bärbel Schäfer. Er stammt aus Nordrhein-Westfalen, ist Vater von fünf Kindern und treibt in seiner Freizeit gerne Sport wie etwa Langlaufen.

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