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Kreis Lörrach Stolpersteine als Teil eines Gesamtkonzepts

Dorothee Philipp
Markus Moehring (v. l.), Kathrin Ellwart, Matthias Zeller, Moshe Flomenmann und Andreas Meckel auf der Bühne. Foto: Philipp

Erinnerungskultur: Podiumsdiskussion im Saal der Lörracher Musikschule.

Lörrach - Wie kann man Erinnerungskultur so pflegen, dass sie in einer sich wandelnden Gesellschaft lebendig bleibt und Impulse auslöst? Um dieses Themenfeld ging es in einer Podiumsrunde mit anschließender Diskussion am Mittwoch im Lörracher Musikschul-Saal.

Dass dabei die Erinnerung an den Terror der Nationalsozialisten im Vordergrund steht, habe allen Grund, erklärte Oberbürgermeister Jörg Lutz in seinem Grußwort. Lörrach ist bereits reich an Orten, wo die Erinnerung an das Naziregime und das Gedenken an die verschiedenen Opfergruppen mit Tafeln, Stelen und anderen Mitteln wach gehalten wird, wie aus einer Foto-Präsentationdes Fachbereichsleiters Kultur Lars Frick hervorging.

Doch wie kann man einen lebendigen, kritischen Diskurs am Leben halten, wenn die Zeitzeugen immer weniger werden und die Jugendlichen kaum noch wüssten, was mit den Erinnerungsstätten angesprochen wird, fragte Lutz. Neue Ideen und Ziele seien gefragt, wenn man in die Zukunft schauen wolle: „Wir sollten uns ein klares Ziel setzten, aber ohne Termindruck durch ein vermeintlich symbolisches Datum.“

Derzeit wird in Lörrach diskutiert, ob man sich dem Projekt „Stolpersteine“ des Künstlers Gunter Demnig anschließen soll, der seit 1992 quadratische Pflastersteine mit Messingoberfläche vor Gebäuden verlegt, in denen Opfer des Naziregimes gewohnt hatten (wir berichteten) Rund 70 000 solcher Steine hat Demnig bisher in 23 Ländern verlegt.

Thema Stolpersteine dominiert Diskussion

Moderator Matthias Zeller vom SWR regte an, dass sich die Diskussion an diesem Abend nicht nur auf die Stolpersteine fokussieren sollte, da es grundsätzlich um die Frage ging: Was darf nicht vergessen werden? Trotzdem nahm das Thema breiten Raum ein. Während Andreas Meckel, Gründungsmitglied der Freiburger Initiativgruppe Stolpersteine, voll und ganz hinter dem Projekt steht, sieht Museumsleiter Markus Moehring die Idee kritischer. Nicht nur weil Charlotte Knobloch, ehemalige Präsidentin des Zentralrats der Juden in Deutschland, festgestellt hatte, dass dadurch die Opfer ein zweites Mal mit Füßen getreten würden. Es sei für ihn auch zunehmend ein Problem, dass Demnig als Künstler die alleinigen Rechte an dem Projekt habe, sagte Moehring: „Erinnern sollte nicht monopolisiert werden.“

Um das Erinnern wach zu halten, brauche es etwas, das nicht aus einer Beliebigkeit heraus entstehe, das sei schon angesichts der hohen Opferzahlen geboten. Moehring schlug einen Rundgang vor, an dem an verschiedenen Stellen differenziert über einzelne Aspekte des Themas informiert wird und einen zentralen Gedenkort, „an dem Dinge passieren müssen“, wie Veranstaltungen, Gedenkfeiern oder Ähnliches, was die Menschen zusammenbringe.

Rabbiner Moshe Flomenmann warnte davor, Gedenken und Funktion zu kombinieren. Man habe in Lörrach doch eine lebendige jüdische Gemeinde vor Ort, wo man hingehen könne und wo auch jüdisches Leben der Gegenwart vermittelt werde. Aber das erfordere aktives Handeln, indem man hingeht.

Das Stolperstein-Projekt, das die jüdische Gemeinde erst abgelehnt hatte, werde jetzt nach ausführlichen internen Diskussionen passiv unterstützt – die jüdische Gemeinde wird sich nicht finanziell engagieren.

Kathrin Ellwart, die als Projektleiterin derzeit in Freiburg am Aufbau eines NS-Dokumentations- und Informationszentrums mitarbeitet, stellte mit Moderator Zeller fest, dass Stolpersteine stark polarisieren können. Sie lobte, dass sich die Stadt auf den Weg mache, das Gedenken auch für die Zukunft lebendig zu halten. Freiburg habe gelernt aus dem Dilemma, dass der Synagogenbrunnen schon als Kinderplanschbecken und für Junggesellinnenabschiede herhalten musste. „Wir müssen nicht erinnern, sondern vermitteln“, sei eine zentrale Erkenntnis daraus gewesen.

Für OB Lutz blieb das Fazit: Wenn die Stolpersteine als Bestandteil in einem Gesamtkonzept der Erinnerungskultur Platz finden, sei das sinnvoll. Wie die Stadt weiter vorgehen wolle, müsse der am 26. Mai neu gewählte Gemeinderat entscheiden.

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