Kreis Lörrach Teamwork statt Einzelkämpfertum

Die Oberbadische

Behinderung: Bernhard Klauser ist seit 2010 Vorsitzender des Spastikervereins Kreis Lörrach

Manchmal fällt einem eine Aufgabe zu und lässt einen über Jahre nicht mehr los. Bei Bernhard Klauser war es so. Seit neuneinhalb Jahren engagiert sich der Vater eines mittlerweile 21 Jahre alten Sohns als Vorsitzender im achtköpfigen Vorstand des Spastikervereins – Verein für Menschen mit Körperbehinderung – im Kreis Lörrach und hat in dieser Zeit viel für seine Schützlinge und die betroffenen Familien bewirken können.

Von Beatrice Ehrlich

Kreis Lörrach. 150 Mitglieder hat der Verein, auch außerhalb des Landkreises, meist Familien, aber auch Kommunen. Über die Jahre hat Klauser, von Beruf Kaufmännischer Leiter in einem Unternehmen für Tief- und Straßenbau, Routine in der Vertretung von Interessen und im Umgang mit der Öffentlichkeit gewonnen. Eigenschaften, die auch in der Politik gefragt sind. Seit den vergangenen Kommunalwahlen bringt er seine Sachkenntnis und Erfahrung jetzt auch als Gemeinderat in Zell im Wiesental ehrenamtlich mit ein.

Am Anfang des kurz Spastikervereins genannten Vereins stand eine im Jahr 1974 von Hildegard Wenz ins Leben gerufenen Selbsthilfeinitiative. Ihren körperlich und zum Teil auch kognitiv stark eingeschränkten Kindern wollten betroffene Eltern Angebote zur Frühförderung und den Schulbesuch ermöglichen und ihnen – wie anderen Kindern auch – eine Tagesstruktur bieten mit Kontakten über die Herkunftsfamilie hinaus. Ein weiteres Ziel der Initiative war die Vernetzung unter den betroffenen Familien, ein Aspekt, der bis heute im Verein einen wichtigen Raum einnimmt. Die Behindertenhilfe, damals nur sehr rudimentär vorhanden, hat sich seitdem um bedeutende Schritte weiterentwickelt. Heute seien Behinderte ins Bewusstsein der Öffentlichkeit gerückt, Barrierefreiheit sei ein wichtiges Thema beim Bauen und im Verkehr, aber auch in der Kommunikation – Stichwort: Leichte Sprache, freut sich Klauser. Interessen von Behinderten würden auf öffentlicher Seite wahrgenommen, etwa über den städtischen Behindertenbeirat, wenn auch in kleineren Gemeinden wo oft noch Nachholbedarf herrsche. Mit den anderen Organisationen der Behindertenhilfe gelänge in den meisten Fällen eine sinnvolle und sich ergänzende Aufgabenteilung und darüber hinaus über die Kooperation im Fachkreis Behindertenhilfe auch die Formulierung gemeinsamer politischer Interessen.

Wie soll es weitergehen mit den jungen Leuten, wenn die Schulzeit beendet ist? Die Frage nach dem Wohnen und der Selbstständigkeit ihrer Kinder treibt auch die Eltern im Spastikerverein um. Wohnen und ambulante Selbstständigkeit sind ein großes Thema. „Wir werden auch nicht jünger“, gibt Klauser zu bedenken, „und wer weiß schon, was in 15 oder 20 Jahren sein wird?“ Der Verein ist zu 40 Prozent beteiligt an leben + wohnen, einem Dienstleister für Menschen mit Körper- und Mehrfachbehinderung und deren Angehörige, der stationäre Wohngruppen, ambulante Wohnbegleitung, einen Förder- und Betreuungsbereich, Schulbegleitung, Offenen Hilfen, einen familienunterstützenden Dienst sowie einen Fahrdienst im Angebot hat. Die Kosten für dieses Beteiligung in Höhe von etwa 30.000 Euro im Jahr bringt der Verein auf, unterstützt von regelmäßigen treuen Spendern, Firmen wie Einzelpersonen. Neben speziell ausgebildeten Fachleuten sind dort auch Menschen im Freiwilligen Sozialen Jahr oder Bundesfreiwilligendienst sowie Ehrenamtliche gegen Aufwandsentschädigung im Einsatz. Um das von den Mitgliedern, aber auch politisch erwünschte ambulant betreute Wohnen voranzutreiben, hat der Spastikerverein vor kurzem ein Grundstück in Tumringen erworben, um dort, gern zusammen mit einem Partner, der erst noch gefunden werden muss, barrierefreie Wohnungen für ambulant betreutes Wohnen zu erstellen. In einer Umfrage unter den Mitgliedern vor zwei Jahren war ein großer Bedarf an solchen Wohnungen festgestellt worden. Jetzt soll das Vorhaben Schritt für Schritt weiter geplant und umgesetzt werden. Dafür sei der Spastikerverein dringend auf Spenden angewiesen, erklärt Klauser.

Durch die Beteiligung bei leben+wohnen sind Mitglieder des Spastikervereins eingebunden in das dort organisierte Angebot der Offenen Hilfen. Hinzu kommen selbst organisierte Angebote wie etwa die wöchentliche Schwimmgruppe im Hallenbad Maulburg immer samstags von 12 bis 13.30 Uhr. „Der Aufenthalt im Wasser sei gerade für Spastiker eine gute Sache“ betont Klauser. Neben Aqua-Fitness gebe es auch die Möglichkeit im ebenfalls reservierten Schwimmerbecken seine Runden zu ziehen. Dank eines Hebelifts haben Menschen mit körperlicher Behinderung hier die Möglichkeit, sich ihren jeweiligen Bedürfnissen entsprechend unter Aufsicht im Wasser zu bewegen.

Großer Wert wird beim Spastikerverein auf die regelmäßigen Zusammenkünfte gelegt: Seien es die jährliche Adventsfeier zusammen mit leben + wohnen, Grillfeste, Kegelabende, Ausflüge, der jährliche Kuchen- und Adventskranzverkauf in der Lörracher Innenstadt oder Fachvorträge zu verschiedenen Themen – immer wieder gibt es Gelegenheit zu Begegnung und Austausch für alle Betroffenen und ihre Familien. Ein alle zwei Monate erscheinender Rundbrief informiert alle zwei Monate über die zurückliegenden Aktivitäten und das aktuelle Programm, wie etwa über den InClusiv-Gottesdienst der Evangelischen Stadtmission Lörrach oder den Tag der Selbsthilfe im Landkreis Lörrach, der am 5. Oktober in Schopfheim stattgefunden hat. Liebevoll zusammengestellte Fotografien laden dazu ein, Sternstunden der vergangenen Monate, wie etwa den Jahresausflug zum Mundenhof oder eine Theateraufführung in Kooperation mit dem Freien Theater Tempus fugit noch einmal Revue passieren zu lassen.

„Behinderung“ lautet das Schwerpunktthema der Aktion „Leser helfen Not leidenden Menschen“ in diesem Jahr. Neben der Unterstützung von Einrichtungen und Projekten für „Menschen mit Behinderung“ geht es auch darum, mit redaktionellen Beiträgen und Reportagen die Themen Behinderung und Inklusion ins Bewusstsein der Öffentlichkeit zu tragen.

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