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Kreis Lörrach „Und dann kam Corona“

Alexander Anlicker
Das Team vom Caritassozialdienst (v. l.): Ruth Götzmann (Fachbereichsleitung), Martin Holz (Lörrach), Doris Leimeier (Außenstelle Zell) und Christine Wondrak-Brunen (Außenstelle Weil) Foto: zVg

Schwerpunkt: Caritassozialdienst hilft beim Umgang mit Behörden / Auch Zuhören ist wichtig

„Corona und die Folgen“ lautet das Schwerpunktthema der Aktion „Leser helfen Not leidenden Menschen“ unserer Zeitung in diesem Jahr. Die Auswirkungen der Pandemie treffen insbesondere die Menschen hart, die ohnehin von Armut betroffen sind, wie Ruth Götzmann, Leiterin der Fachbereiche Soziale Dienste und Jugendsozialarbeit des Caritasverbands für den Landkreis Lörrach, und ihre Kollegin Doris Leimeier anhand von anonymisierten Beispielen schildern.

Von Alexander Anlicker

Kreis Lörrach. „Die Pandemie erleben viele Menschen als Angriff auf ihre körperliche, psychische und gesellschaftliche Identität. In vielen zentralen Lebensbereichen wie Gesundheit, Arbeit, Kultur, Wohnen, Teilhabe und Partizipation erfahren viele Menschen deutliche Einschränkungen, Bedrohungen oder gar nachhaltige Verletzungen“, stellte die Liga der freien Wohlfahrtspflege anlässlich der diesjährigen Landesarmutswoche fest.

Bildung und Teilhabe

Die Familie M. (Ehepaar mit vier Kindern) ist vor fünf Jahren aus Syrien geflüchtet und lebt in Lörrach. Der Vater arbeitet im Niedriglohnsektor. Die Familie erhält aufstockend Leistungen nach dem SGB II vom Jobcenter. Die Mutter besucht einen Deutschkurs.

Und dann kam Corona: Home-Schooling war angesagt. In den ersten Monaten des Lockdowns hatte die Familie nur einen Laptop für drei Schulkinder zur Verfügung. Home-Schooling war aber nicht nur wegen der fehlenden technischen Voraussetzungen ein Problem.

„Ich unterstütze meine Kinder so gut wie möglich, damit sie im Unterricht möglichst gut mitkommen und trotz anderer Muttersprache alles verstehen. Online ist das aber noch wesentlich schwieriger.“ berichtet die Mutter.

Arbeitsverlust

Frau S. ist alleinerziehend und lebt mit ihren beiden Kindern im Markgräflerland. Aufgrund der Trennung musste sie ihre Vollzeitbeschäftigung im Schichtdienst aufgeben und begann als Teilzeitkraft in einem Tagesrestaurant zu arbeiten. Die Familie erhält Leistungen nach dem SGB II vom Jobcenter. Das Geld reicht gerade für den täglichen Bedarf.

Und dann kam Corona: Das Restaurant hatte während des Lockdowns geschlossen. Frau S. war noch in der Probezeit und wurde betriebsbedingt gekündigt.

„Durch meinen Verdienst hätten wir wenigstens etwas mehr Geld zur Verfügung gehabt. Meine Kinder waren viel zu Hause, sie konnten sich ja auch nicht mit Freunden treffen. Wie gerne hätte ich ihnen mal das ein oder andere zur Beschäftigung gekauft, aber selbst das war nicht drin. Ich habe mir dann sehr viel Mühe gegeben, wir haben gebastelt, gemalt und und und…. Hat gut geklappt, aber es war für mich auch eine sehr anstrengende Zeit. Ich hoffe, dass ich nach der Pandemie sehr bald wieder eine Arbeit finde“, sagt die alleinerziehende Mutter.

Wohngeld

Die Familie K. (Ehepaar mit zwei Kindern) wohnt im Oberen Wiesental. Der Vater arbeitet in einer Metallfabrik. Die Mutter hat einen Mini-Job in einer Reinigungsfirma. Bislang hat das berufliche Einkommen mit dem Kindergeld für den Lebensunterhalt ausgereicht.

Und dann kam Corona: Die Fabrik hat Kurzarbeit angemeldet. Der Vater hat Wohngeld und Kinderzuschlag beantragt.

„Ich hätte nie gedacht, dass ich mal in so eine Lage komme. Alle Papiere ausfüllen und auf das Geld vom Amt angewiesen sein, das ist mir alles andere als leicht gefallen. Außerdem hat es Monate gedauert, zumal das eine Amt zunächst auf die Bescheide vom anderen Amt gewartet hat. Ich bin aber natürlich froh, dass es diese Unterstützung in Deutschland gibt. Ich weiß nicht, was wir sonst gemacht hätten“, erklärt der Familienvater.

Großer Beratungsbedarf

Mit Beginn der Corona-Pandemie hat der Beratungsbedarf zugenommen. „Die Leue kamen gehäuft zu uns in die Beratung“, berichtet Götzmann. Es ging aber nicht nur um Hilfe bei der Antragstellung für Wohngeld, Kinderzuschlag oder ALG II. „Zu uns kommen nicht die Leute, die in einem Haus mit Garten wohnen“, erklärt die Fachbereichsleiterin. Durch die räumliche Enge in Folge von Kurzarbeit oder Home-Schooling gab es Konfliktpotenziale, mentale Probleme wie Niedergeschlagenheit oder Unsicherheit.

Der Zugang zum Hilfeleistungssytem war für die Klienten eingeschränkt. Ämter seien nur noch nach Terminabsprache oder digital erreichbar gewesen. „Viele Klienten haben gar keinen Computer und die Behördensprache ist kompliziert“, berichtet Doris Leimeier. Neben der Hilfe mit Formularen geht es auch ums Zuhören. „Die Leute haben das Gefühl, dass sie wahrgenommen werden“, ergänzt Götzmann.

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