Kreis Lörrach Verbraucher tragen Mitschuld

Martina Proprenter
Lebensmittelpreise und das Kaufverhalten der Endverbraucher sorgen für erhitzte Gemüter. Foto: Die Oberbadische

Podium: Bauernbewegung „Land schafft Verbindung“ (LSV) diskutiert mit Politikern

Kreis Lörrach - „Miteinander statt übereinander reden“ war der Grundgedanke der von Landwirten organisierten Podiumsdiskussion am Samstag auf dem Rüttehof. Denn der Frust der Bauern richtet sich aktuell gegen die Verschärfung der Dünge-Verordnung, auch Preisdumping und Importkonkurrenz waren Thema.

Drei Stunden lang schoben sich Politiker, Landwirte und Einzelhandel gegenseitig den Schwarzen Peter zu, fanden aber dennoch parteiübergreifend einige gemeinsame Punkte, die angegangen und vor allem besser kommuniziert werden sollen.

Podium ist uneins

Abgesehen von bewusst ausgeteilten Spitzen der Parteienkonkurrenten fand das große Podium mit sorgfältig durchdachten Argumenten viel Zustimmung beim Publikum. Auf die provokante Frage „Wollen wir in Deutschland weiterhin Landwirtschaft haben?“ konnte die Antwort nur „ja“ lauten.

LSV-Pressesprecher für Baden-Württemberg, Thomas Frenk, differenzierte jedoch: „Wir brauchen keine Landwirtschaft, wir brauchen Bauern“, mit eigenen Tieren, Hof und Nachfolger. Die Unterscheidung – private kleine Betriebe in Südbaden gegen riesige Konzerne im Norden – zog sich als roter Faden durch den Abend. So auch die Rolle der Verbraucher bei Preisdumping und dem Wunsch, „pestizidfrei“ zu arbeiten. Den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln verglich Karlfrieder Fischer, auf dessen Hof die Aktion stattfand, mit Impfungen bei Menschen. Dünger und spezielles Futter könne man mit Vitaminen und Nahrungsergänzungsmitteln für Menschen vergleichen. Schon verliere das negative Stigma an Wirkung.

Trotz positivem Fazit des Abends hätte er sich ein größeres Interesse der Verbraucher gewünscht. Hier sei die Bewegung LSV nun gefragt, aktiver aufzuklären.

Mit-, nicht gegeneinander

Eine einfache Lösung, wie Landwirte mehr Planungssicherheit bekommen, konnte keiner präsentieren. Wichtig sei, sagte der heimische SPD-Landtagsabgeordnete Rainer Stickelberger, dass Vorschriften Bestand hätten: „Düngeverordnung 2014, 2017, jetzt 2020. Rechtssicherheit sieht anders aus.“

Keine leeren Versprechen

Widerspruch erntete der Einwurf des Grünen-Bundestagsabgeordneten Gerhard Zickenheiner, der Klimawandel mache Planungssicherheit unmöglich. Mit Dürre oder Frost hätten die Landwirte schon immer zu kämpfen gehabt. Aktuell sei der Wolf ein „heißes Thema“, genauer die Frage, wer Schutzzäune bezahle und aufbaue, meinte Landwirt Sven Geiger. Er forderte auch: „Es braucht Politik, die nicht nur leere Versprechungen macht, wie heute Abend.“

Jubelnden Beifall erntete FDP-Bundestagsabgeordneter Christoph Hoffmann für die Aussage: „Ich will überhaupt keinen Wolf haben, das passt nicht in unsere Region.“

Verbraucher sind gefragt

Viel Zustimmung bekam CDU-Landtagsabgeordneter Patrick Rapp für den Einwand, dass nicht nur die Politik, sondern auch Verbraucher Fehler gemacht hätten. Etwa auf ihrem 1000 Euro teuren Grill dann Billigfleisch zu grillen.

Der Argumentation folgte auch Jörg Hieber, Gründer der regionalen Einzelhandelskette. Zwar nehme er „gerne“ die Rolle des „bösen Einzelhändlers“ an, doch die Endverbraucher würden schlussendlich den Preis bestimmen, er müsse „das Spiel mitspielen“. Man müsse daher die Arbeit der Produzierenden besser darstellen, er sei bereit, „alles aus der Region“ zu machen, bot er neue Kooperationen an.

Dass dieser Dialog in den vergangenen 30 Jahren von Seiten der Bauern „verschlafen“ wurde, gab Obstbauer Max Hagin zu bedenken. Als Auftrag an alle gab beim Besucherpodium schließlich eine Verbraucherin den Auftrag: „Reißt euch zusammen! Schafft miteinander und nicht gegeneinander!“.

Eingeladen hatte das Organisations-Team der Bauernbewegung „alle politischen Parteien“, allerdings nicht die AfD, wie Fischer auf Nachfrage unserer Zeitung bestätigt, auf dessen Hof die erste Podiumsdiskussion in Baden-Württemberg stattfand. Denn die Landwirte würden sich von der AfD nicht vertreten fühlen.

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