Kreis Lörrach Durch die bbv Akademie beruflich in die Spur gefunden

Gerald Nill
Michael Rimkus (mitte), Bereichsleiter des Jobcenters Landkreis Lörrach, und der Leiter der bbv Akademie, Norbert Uttner (rechts), freuen sich über die erfolgreiche Umschulung eines Schülers zum Industriemechaniker. Foto: Gerald Nill

Vor vier Jahren meldete sich ein 36-Jähriger Kunde beim Jobcenter und bat um Hilfe. Über den Träger bbv Akademie GmbH macht er eine Ausbildung und wurde so zu einem positiven Vorzeigebeispiel für erfolgreiche Berufsintegration.

Der heute 40-Jährige hatte den Einstieg ins Leben irgendwie verpasst und landete am Ende als Flaschensammler auf der Straße. Obwohl er nie etwas gelernt hatte und keinen Antrieb für eine feste Arbeit aufbrachte, gelang ihm mit dem Jobcenter und der bbv-Akademie in Lörrach nun die Umschulung zum Industriemechaniker.

„Man kann von drei Euro am Tag überleben. Aber es macht keinen Spaß“, sagt Peter Normann (Name von der Redaktion geändert) rückblickend. „Wenn man aus Mülleimern isst, scheut man Kontakte.“ Irgendwie war es ihm nach der Schule gelungen, sich durch das Leben zu wursteln. Zahlungen der Eltern und gelegentliche Jobs hielten ihn über Wasser, bis Corona kam, die Eltern die Überweisungen beendeten und er die Wohnung verlor. „Ich war plötzlich obdachlos“, sagt der Mann im besten Alter.

Potential ist vorhanden

Die Riesenchance, die sich ihm bot, war eine Vermittlung durch Sozialarbeiter in der Obdachlosenunterkunft zum Jobcenter Lörrach. Dort sind Fallmanager darauf geschult, auch scheinbar hoffnungslose Fälle zu motivieren. Und manchmal steht am Ende eine Erfolgsgeschichte wie die von Peter Normann, der aktuell noch ein Praktikum bei einem Maulburger Weltmarktführer absolviert und im Juli seine berufliche Laufbahn startet.

„Es gibt viele Menschen, die dieses Potenzial hätten, wenn wir sie erreichen“, sagt Norbert Uttner, Geschäftsführer bei der bbv-Akademie in Lörrach. „Aber viele haben Angst, den ersten Schritt zu tun“, spricht Uttner das Thema Versagensängste und Selbstzweifel an, wenn man erst einmal auf einem Nebengleis gelandet ist. bbv versucht seit fast einem halben Jahrhundert Menschen beruflich in die Spur zu bringen. In den 1970er Jahren waren es noch die geburtenstarken Jahrgänge, für die es nicht genug Ausbildungsplätze in der Wirtschaft gab. Heute bildet bbv für die Kunden des Jobcenters weiter. Ein Programm richtet sich speziell an Langzeitarbeitslose, die ganz behutsam aus ihrer Situation geholt werden. Menschen, die behutsam erst einmal eine Tagesstruktur auf die Reihe bekommen müssen. Michael Rimkus, Bereichsleiter beim Jobcenter, kennt die Antriebsschwäche der Betroffenen nur zu gut. Er kennt aber auch das verbreitete Anspruchsdenken einiger Zeitgenossen, ohne jede Anstrengung an das Bürgergeld zu kommen. Ein Funken Motivation muss schon aufgebracht werden, um die Angebote der Agentur anzunehmen. Peter Normann kann aus eigener Erfahrung sagen: „Wenn man den ganzen Tag rumsitzt, ist es mal schön, aber es erfüllt mich nicht.“

Uttner geht einen Schritt weiter und weiß von seiner Klientel: „Wenn man keine Aufgabe hat, wird man auf Dauer krank. Psychisch oder physisch.“ Die Sprecherin des Jobcenters, Melanie Payer, stimmt zu: „Arbeitslosigkeit macht krank.“ Die Arbeitsagentur gibt sich nicht zuletzt deshalb viel mehr Mühe, ihre Kunden in passende Maßnahmen zu bringen. bbv bietet Ausbildung in Metall und Elektro, Gastronomie, Logistik und Verwaltung.

Das Spektrum der Menschen in Ausbildung reicht vom Top-Azubi bis zum Problemfall, vom 18- bis zum 60-jährigen querbeet. Peter Normann war so ein Problemfall und ließ sich überzeugen, die Ausbildung zum Industriemechaniker zu machen. Heute ist er der „Musterknabe“, einer von 60 Prozent Lehrgangsteilnehmern, die es von der Langzeitarbeitslosigkeit in eine Festanstellung schaffen. Insgesamt gelingt 99 Prozent der Lehrgangsteilnehmer bei bbv ein IHK-Abschluss, sagt Uttner nicht ohne Stolz. Auf die sozialpädagogische Betreuung der Lehrgangsteilnehmer legt man Wert. Wenn Abbruch durch Schulden, Alkohol oder familiären Stress droht, sind die Helfer zur Stelle.

Ohne Plan durchs Leben

Normann hat inzwischen Freunde über das Weiterbildungsinstitut gefunden: „Einer ist direkt übernommen worden. Ein anderer hat jetzt ein Vorstellungsgespräch.“ Das macht Mut. Ihm und hoffentlich auch anderen Betroffenen, die sich ohne Ausbildung und ohne Plan durchs Leben schlagen. Ihnen will Melanie Payer die Augen öffnen: „Jeder zweite Arbeitslose hat keine Ausbildung und wird in Zeiten der Transformation immer schwerer einen Job finden.“ Die Botschaft der Arbeitsagentur ist klar: Es ist nie zu spät. „Du bist nicht zu alt“, wie Payer sagt.

In einem System der Belohnung erhalten Teilnehmer der Maßnahmen nicht nur viel Selbstbestätigung, sondern auch Bonuszahlungen für Abschlüsse und unter Umständen ein Mietauto. Trotzdem kommen zu wenig Bürger, bedauert die Arbeitsagentur. „Die Mittel sind vorhanden, aber die Resonanz ist verhalten“, berichtet Rimkus. Befragt man heute Peter Normann nach seinen Plänen, so sagt er: „Eine Festanstellung und eine eigene Wohnung.“ Beides ist durch die Umschulung bei bbv in greifbare Nähe gerückt. Das Jobcenter wünscht sich noch viel mehr solcher Erfolgsgeschichten.

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