Kreis Lörrach Wählernamen werden nicht mehr laut verlesen

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Unterwegs im Kanton Zentralbosnien waren die Wahlbeobachter Josha Frey (links) und Cecilia Friderics (rechts). Begleitet wurden sie von einem Fahrer und einer Übersetzerin. Foto: zVg

Interview: Josha Frey berichtet von seinen Erfahrungen als Wahlbeobachter in Bosnien-Herzegowina

Kreis Lörrach. Die Menschen in Bosnien-Herzegowina haben am Sonntag unter anderem die dreiköpfige Präsidentschaft des Gesamtstaats neu gewählt. Diese wird seit dem Friedensabkommen von Dayton von 1995 nach ethnischen Kriterien besetzt: Es gibt darin jeweils einen Vertreter der muslimischen Bosniaken, der Serben und der Kroaten im Land.

Der Grünen-Landtagsabgeordnete Josha Frey war als Wahlbeobachter vor Ort. Im Gespräch mit Alexandra Günzschel berichtet er von dieser Erfahrung.

Frage: Herr Frey, wie wird man eigentlich Wahlbeobachter?

Der Landtag hat mich als Vertreter des Landes Baden-Württemberg in den Kongress der Gemeinden und Regionen des Europarats (KGRE) entsandt. Er setzt sich schwerpunktmäßig mit dem Schutz der Menschenrechte, dem Eintreten für Rechtsstaatlichkeit und der Entwicklung der Demokratie in den Mitgliedstaaten auseinander und hierfür ein. Im Sinne des zuletzt genannten Punktes – der Entwicklung der Demokratie – laden Mitgliedsstaaten den Europarat immer wieder zu Wahlbeobachtungsmissionen ein.

Nachdem die Wahlkommission des Staates Bosnien und Herzegowina (BIH) im Juli den KGRE dazu eingeladen hat, die Wahl zu beobachten, wurden Mitglieder zur Teilnahme aufgerufen. Daraufhin habe ich mich beworben und wurde auch ausgewählt. So konnte ich als vom KGRE akkreditierter Wahlbeobachter am vergangenen Wochenende bei den Wahlen im Kanton Zentralbosnien dabei sein.

Frage: Worin besteht genau die Aufgabe eines Wahlbeobachters vor Ort?

In BIH fanden am vergangenen Sonntag ja gleichzeitig mehrere Wahlen statt. Die Bürger haben nicht nur das dreiköpfige Staatspräsidium des Gesamtstaates gewählt, sondern auch die Legislativen der zwei Teile des Gesamtstaates, das heißt, die zwei Kammern der Föderation Bosnien und Herzegowina und die Legislative der ebenfalls zum Gesamtstaats gehörenden Republika Srpska.

Außerdem wurden in der Föderation Bosnien und Herzegowina auch die Kantonsräte in den zehn Kantonen gewählt.

Als Wahlbeobachter war ich zusammen mit 17 weiteren Kollegen des KGRE beauftragt, die Wahlen in den Kantonen in BIH zu beobachten. Ich selbst war in Zentralbosnien am Wahltag von 6.30 bis 22 Uhr unterwegs.

Am Freitag und Samstag vor der Wahl wurden wir für diesen Zweck vom Büro für demokratische Institutionen und Menschenrechte der OSCE und der zentralen Wahlkommission BIH unter anderem über das Wahlsystem und die korrekten Abläufe informiert. Am Wahltag selber fuhren wir dann in Zweierteams zu verschiedenen Wahllokalen, stets begleitet von einem Übersetzer und einem Fahrer.

Dabei geht es im wesentlich darum, zu prüfen, ob der Ablauf der Wahl den Regeln entsprechend verläuft, sprich, genug und auch die offiziellen Wahlzettel vorhanden sind, die Wahlurnen verschlossen sind, die Voraussetzungen für eine geheime Wahl eingehalten werden und so weiter.

Frage: Hatten Sie das Gefühl willkommen zu sein, oder gab es auch Anfeindungen?

Ich habe mit meiner ungarischen Kollegin Cecilia Friderics insgesamt 17 Wahllokale unangekündigt besucht und davon jeweils ein standardisiertes Protokoll angefertigt. Die örtlichen Wahlkommissionen in dem überwiegend ländlichen Gebiet Zentralbosniens waren stets freundlich und gut vorbereitet auf die Wahlen.

Frage: Welche Beobachtungen haben Sie am Wahltag gemacht?

Wir hatten insgesamt wenig Beanstandungen. Allerdings gab es gelegentlich zerbrochene Siegel an Wahlurnen und Handys befanden sich auf den Tischen der lokalen Wahlkommissionen, obwohl dies bei diesen Wahlen verboten war.

Da ich schon 2018 bei einer Wahlbeobachtung in BIH dabei war, konnte ich feststellen, dass der Vorschlag vom Europarat nun umgesetzt wurde, den Namen der Wähler nicht mehr laut im Wahllokal zu verlesen, wenn sie ihre Stimme abgeben. Es stand auch vor jedem Wahllokal ein Polizist, um die freie Wahl sicherzustellen.

Frage: Gab es besondere Erlebnisse, die Sie gerne mit den Lesern teilen möchten?

Wenn Menschen in den Wahllokalen erkannten, dass ich deutsch sprach, wurde ich immer wieder auf meine Herkunft angesprochen. Dann machten sie stets deutlich, dass sie selbst gut Deutsch konnten aufgrund von Aufenthalten in Deutschland während des Kriegs in ihrem Land in den 1990er-Jahren.

Die schöne Landschaft und die Gastfreundschaft machten auf jeden Fall Lust, wieder einmal in dieses Land zurückzukehren. Allerdings steht auf nationaler Ebene noch viel Versöhnungsarbeit der politischen Ebenen und der verschiedenen Ethnien an, um das gesamte Land in eine stabile Demokratie und gute Regierungsarbeit zu bringen.

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