Kreis Lörrach Wie das Zusammenleben gelingen kann

Alexandra Günzschel
Die Rückkehr der Wölfe ist auch mit Herausforderungen verbunden. Foto: pixabay

In kleinen Schritten erobert sich der Wolf den Südschwarzwald zurück.

Fest steht: Baden-Württemberg ist nicht Brandenburg. In dem Bundesland im Nordosten der Republik leben mittlerweile 47 Rudel, während im Südwesten seit 2015 gerade mal 19 Wölfe eindeutig nachgewiesen wurden. Nicht alle sind in Baden-Württemberg sesshaft, andere bereits gestorben. Sicher weiß man von fünf toten Wölfen, von denen vier auf der Autobahn umkamen und einer durch einen illegalen Abschuss.

Fest steht aber auch, dass die Rückkehr der Wölfe für die Nutztierhalter eine Herausforderung darstellt, wie jüngst der Fall in Todtnau zeigte, wo fünf Schafe von einer Fähe gerissen wurden. Es war die Mutter der ersten Wolfswelpen, die nach 150 Jahren im Südschwarzwald zur Welt gekommen sind. Wobei man nur von der Existenz eines Jungtiers sicher weiß, da es in eine Fotofalle geraten war.

In dieser Situation haben wir uns einmal umgehört, wie Politiker, Landwirte und Naturschützer die Forderungen nach einer Erleichterung der Abschüsse bewerten.

Einst ausgerottet

„Heute leben wir in einer Zeit, in der unzählige Arten jeden Tag aussterben. Vor diesem Hintergrund ist es aus Sicht des Naturschutzes ein Erfolg, dass eine ehemalige ausgerottete Art sich wieder in ihrer Heimat ausbreiten kann. Wölfe erfüllen als großer Beutegreifer grundsätzlich eine wichtige Funktion im Ökosystem: Nicht zu Unrecht wird der Wolf als ,Gesundheitspolizei des Waldes’ bezeichnet, da er häufig auch kranke und schwache Tiere frisst und somit den Bestand seiner Beutetiere gesund hält“, erklärt Alexandra Ickes, Referentin für Artenschutz beim Nabu-Landesverband.

Als Grundlage für ein funktionierendes Miteinander nennt sie ein Mindestmaß an Herdenschutz für Schafe, Ziegen und Rinder. Maßnahmen wie Elektrozäune und Zubehör würden im Fördergebiet Wolfsprävention vom Land zu hundert Prozent gefördert, betont Ickes. Bisher sei kein Fall bekannt, bei dem ein Wolf in Baden-Württemberg den definierten Mindestschutz überwunden habe.

Erst eine Handvoll Tiere

„Die Wolfspopulation in Baden-Württemberg ist mit einer Handvoll Wölfen noch am Anfang der Ausbreitung. Daher ist zu diesem Zeitpunkt die Beratung und Umsetzung des Herdenschutzes besonders wichtig, erklärt Ickes.

Der SPD-Landtagsabgeordnete Jonas Hoffmann betont, dass Wölfe auch weiterhin vom Aussterben bedroht seien. Ihm geht es vor allem darum, den richtigen Umgang mit der Situation zu finden. Anstelle von Zäunen gegen die bisher wenigen Wölfe in Südbaden spricht sich Hoffmann eher für eine schnelle und unbürokratische Entschädigung von Tierhaltern – auch ohne Schutzzaun – aus. Denn die Landwirte sind im Präventionsgebiet dazu angehalten, bestimmte Vorsorgemaßnahmen zu treffen, um bei nachgewiesenen Wolfsrissen entschädigt zu werden.

„Ich denke, dass die ganze Diskussion um den Wolf viele Emotionen weckt“, sagt Hoffmann und wünscht sich eine nüchternere Betrachtung.

Umstrittene Zäune

Auch Heinz Kaufmann, BLHV-Vorsitzender im Landkreis Lörrach, sieht die Wolfszäune kritisch, da sie andere Wildtiere stark beschränken und dem Wandertourismus schaden würden. „Nach den aktuellen Richtlinien darf ein Wolf erst nach dreimaliger Überwindung der sehr aufwendigen und teuren Schutzzäune mit gleichzeitigen Angriffen auf Nutztiere zum Abschuss freigegeben werden“, macht Kaufmann deutlich.

Wolfsfreie Zonen

Die Weidetierhaltung bezeichnet er als Grundlage des Biosphärengebiets Südschwarzwald, da sie der Offenhaltung der Landschaft dient. Durch die Rückkehr des Wolfes rechnet er mit Betriebsaufgaben und fordert deshalb wolfsfreie Zonen im Bereich des Biosphärengebiets. Dies könne nur mit Bejagung erreicht werden, betont Kaufmann.

Der Grünen-Landtagsabgeordnete Josha Frey hebt darauf ab, dass Wölfe schon heute in begründeten Einzelfällen geschossen werden. Eine Aufnahme ins Jagdrecht, wie sie teilweise gefordert werde, hält er deshalb für unnötig und sogar hinderlich für ein schnelles Handeln, weil dann zwei Behörden statt bisher einer zuständig wären.

Erfahrene Jagdgruppe

„Im Falle eines auffälligen Wolfes können wir schnell eingreifen, weil wir gemeinsam mit Hessen und Rheinland-Pfalz eine erfahrene Jagdgruppe haben“, erklärt Frey und verweist zudem auf einen Ausgleichsfonds, der Landwirte „im Falle eines Wolfsrisses schnell und unbürokratisch entschädigt“.

Derweil wird auch auf Bundesebene über das Thema diskutiert. „Abschüsse von Wölfen nach Rissen müssen schneller und unbürokratischer möglich sein“, hat Umweltministerin Steffi Lemke nach einem mutmaßlichen Rudelangriff mit 55 getöteten Schafen gefordert. Konkrete Vorschläge dazu sollen Ende September vorliegen.

Der FDP-Bundestagsabgeordnete Christoph Hoffmann betont: „Vor dem Hintergrund exponentiell steigender Wolfszahlen muss die Anzahl der in Deutschland lebenden Wölfe begrenzt werden. Bei anderen Wildtierarten ist das auch der Fall.“ Hoffmann verweist auf ein „differenziertes Wolfsmanagement“, dass unter anderem die kontinuierliche Überwachung der Bestände vorsieht.

In einem Punkt sind sich jedoch alle einig: „Verhaltensauffällige Wölfe müssen aus der Population entnommen werden, um ein konfliktarmes Zusammenleben mit dem Wolf in Deutschland zu ermöglichen“, fordert auch Ickes vom Naturschutzbund Nabu.

Im Idealfall kann Baden-Württemberg von den gemachten Erfahrungen im Norden der Republik profitieren.

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