Kreis Lörrach „Wir haben gute Arbeit geleistet“

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Bei der Energiewende tickt die Uhr: Atomkraftwerke werden vom Netz genommen, während der Ausbau von regenerativer Energie hinterherhinkt. Bei der Wasserkraft ist das meiste Potenzial schon ausgeschöpft. Foto: Michael Werndorff

Interview: FDP-Abgeordneter Hoffmann über vier Jahre Bundestag, die Ampel und politische Differenzen

Christoph Hoffmann vertritt den heimischen Wahlkreis mittlerweile seit vier Jahren im Deutschen Bundestag. Aus der Opposition heraus ging es für ihn und seine Partei zuletzt in Regierungsverantwortung. Unser Redakteur Michael Werndorff sprach mit dem FDP-Politiker über anstehende Aufgaben.

Frage: Herr Hoffmann, Sie starten in Ihre zweite Amtszeit als FDP-Abgeordneter. Welche Bilanz ziehen Sie nach vier Jahren Bundestag?

Kurzum: Wir haben als FDP in der Opposition gute Arbeit geleistet, was sich auch bei der Regierungsbildung bestätigt hat. Unser Vorteil in den Koalitionsverhandlungen war, dass wir die Themen in den vergangenen vier Jahren gut aufbereitet haben, um sie dann in Sondierungspapier und Koalitionsvertrag einfließen zu lassen.

Frage: An welche Themen knüpfen Sie an, die Sie weiter vorantreiben wollen – im heimischen Wahlkreis wie auch auf Bundesebene?

Wir können jetzt Inhalte umsetzen, die im Koalitionsvertrag verankert wurden. Ganz aktuell: Die Erhöhung der Minijobgrenze von 450 auf 520 Euro. Das hilft vielen Menschen, die bei Lohnerhöhungen bislang gezwungen waren, weniger zu arbeiten.

Frage: Zwischenfrage: Kritiker sagen, dass reguläre Arbeitsverhältnisse verdrängt würden. Zudem ist von einer wirtschaftlichen Sackgasse für Minijob-Beschäftigte die Rede.

Das glaube ich nicht. Ich denke, dass es diese Beschäftigungen braucht, da sie flexibler sind als konventionelle Arbeitsverträge. Wegen ihres starren Arbeitsrechts führen sie zu Zurückhaltung bei Arbeitgebern.

Frage: Besonders schlecht ist die Perspektive in Sachen Rente.

Es ist sicher nicht erstrebenswert, ein ganzes Leben lang in einem 450-Euro-Job zu arbeiten. Manchmal ist es aber eine gute Ergänzung. Letztlich war der sogenannte Minijob ein Ergebnis der Agenda 2010, die einen Wirtschaftsboom auslöste. In die Thematik passt auch die Erhöhung des Mindestlohns. Das führt wiederum zu einer erwartbaren Mindestrente.

Frage: Zurück in den heimischen Wahlkreis: Welche Aufgaben stehen auf Ihrer Agenda?

Die Erhaltung unserer kleinstrukturierten Landwirtschaft, die von arbeitsintensiven Flächen und Sonderkulturen geprägt ist. Weil Landwirtschaft ein europäischer Markt ist, setze ich mich für gleiche Rahmenbedingungen ein. Und vor dem Hintergrund der Erhöhung des Mindestlohns im Laufe dieses Jahres braucht es ein Begleitprogramm, damit kleine Familienbetriebe finanziell nicht überfordert werden. Zu einem Sterben der Höfe darf es nicht kommen.

Frage: Die Regierungsbildung ging relativ schnell über die Bühne. Sind Sie mit dem bisherigen Zusammenspiel der Dreierkonstellation zufrieden?

Ich denke, dass wir auch trotz inhaltlicher Differenzen gut miteinander harmonieren. Wenn jemand meint, sich weiter hinauswagen zu wollen, als es die Koalitionsvereinbarung zulässt, gelingt es Bundeskanzler Olaf Scholz, regelnd einzugreifen.

Frage: Erste Risse in der Ampelkoalition tun sich bei der Frage um die Energieversorgung auf. Bundesfinanzminister Christian Lindner begrüßte zuletzt den Vorstoß der EU-Kommission, bestimmte Investitionen in Atom- und Gaskraftwerke als nachhaltig einzustufen. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck lehnte derweil den Vorschlag, Atomstrom als nachhaltig einzustufen, kategorisch ab.

Vorweg: Die EU-Kommission hat Investitionen in neue Gas- und Atomkraftwerke als klimafreundlich eingestuft. Deutschland ist Teil der EU, weshalb wir diesen Beschluss letztlich mittragen müssen. Dagegen wehren kann sich Deutschland nicht, was auch Habeck zum Ausdruck brachte. Andere Länder setzen derweil auf CO2-freie Atomkraft – wir nicht, und das unterstütze ich.

Frage: In der Energiefrage gibt es in der Regierungskoalition unterschiedliche Auffassungen.

Die Grünen entwerfen das Bild einer Autarkie durch erneuerbare Energie. Dem ist aber nicht so. Wenn Deutschlands Industrie weltweit einen Spitzenplatz belegen will, brauchen wir Energieimporte. Hier gilt es umzustellen, um von fossilen Brennstoffen wegzukommen. Leider wurde im Koalitionsvertrag die Bedeutung der Entwicklungszusammenarbeit nicht genug gewürdigt.

Dabei liegen im globalen Süden große Chancen, zumal die Voraussetzungen für Solar- und Windenergie dort besser sind als bei uns. Und: Damit ließe sich die Entwicklungszusammenarbeit auf Augenhöhe bringen – weg vom Geber- und Nehmer-Status hin zu einem gemeinsamen Interesse, CO2 zu vermeiden und unseren Energiebedarf zu stillen.

Frage: Welches Energiekonzept wird Deutschland fit für die Zukunft machen, ohne Wirtschaft und Gesellschaft zu überfordern?

SPD, Grüne und FDP haben beschlossen, den Ausbau erneuerbarer Energien zu beschleunigen. Laut Koalitionsvertrag sprechen wir bei größeren Anlagen von einer Halbierung der Realisierungszeit.

Die Umsetzung wird allerdings kein leichtes Unterfangen werden, weil die bisherigen gesetzlichen Regelungen zu langen Abstimmungszeiten geführt haben. Daher rechne ich mit heißen Debatten. Unser Ziel muss aber sein, bei Planung und Umsetzung deutlich schneller zu werden.

Darüber hinaus haben wir festgehalten, für die Übergangszeit neue wasserstofffähige Gaskraftwerke zu bauen. Ohne diese Anlagen wird Deutschland zukünftig vor einer gigantischen Stromlücke stehen.

Frage: Der Umbau gelingt nicht von heute auf morgen. Daher wird Deutschland zur Bedarfsdeckung auf Strom aus dem Ausland angewiesen sein.

So ist es. Und: Wir haben schon bei der Stilllegung der bisherigen Atomkraftwerke gesehen, dass der Kohlestrom-Anteil wieder gestiegen ist. Das ist natürlich nicht im Sinn der CO2-Vermeidung. Daher stellt sich die Frage, Entscheidung der Vorgängerregierungen sinnvoll war, die drei letzten Atomkraftwerke in Deutschland Ende dieses Jahres endgültig abzuschalten.

Frage: Im Bundestagswahlkampf lautete eine der zentralen Forderungen Lindners die Rückkehr zur Schuldenbremse. Der jetzige Entwurf zum Nachtragshaushalt sei eine „akrobatische Umbuchung von Schulden, die den Regeln der Schuldenbremse im Grundgesetz widerspricht“, moniert derweil Reiner Holznagel, Verbandspräsident vom Bund der Steuerzahler. Wie stehen Sie dazu?

Hier braucht es einen differenzierten Blick: Manchmal ändern sich die Ausgangslagen, auch in einer Koalition. So ist für die Grünen der Umbau der Wirtschaft ein Riesenthema, wofür es entsprechende Finanzmittel braucht. Das heißt aber nicht, dass wir die Schuldenbremse nicht einhalten werden. Nach überstandener Coronakrise wird auch die Bremse wieder greifen.

Frage: Abschließende Frage: Die Russland-Ukraine-Krise spitzt sich zu. Europäische Staaten und die USA stärken die Position der Ukraine unter anderem durch Waffenlieferungen, während sich Deutschland zurückhält. Zu Recht?

Historisch spielt unser Land, das schuld an zwei Weltkriegen ist, eine besondere Rolle. Wir nehmen eine pazifistisch-altruistische Position ein – bei dieser Linie sollten wir bleiben. Nichtsdestotrotz werden wir unsere Nato-Verpflichtungen erfüllen, und zwar mit Steigerungen im Verteidigungshaushalt.

Kurzum: Die Ukraine-Krise hat das Nato-Bündnis wiederbelebt und besser zusammengeschweißt, als es vor wenigen Monaten noch denkbar war.

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