Kreis Lörrach Zum Aufatmen ist es noch zu früh

Die Oberbadische
Noch macht es Frankreich deutschen Unternehmen schwer, wenn diese im Nachbarland ihre Dienstleistungen anbieten wollen. Das soll sich nach einer Gesetzesnovelle ändern. Foto: Archiv Foto: Die Oberbadische

Wirtschaft: Französisches Entsendegesetz soll entschärft werden / Noch gibt es offene Fragen

Es ist eine weitere Etappe in Richtung Normalisierung: Paris will die im Juli 2015 eingeführte Entsenderichtlinie, das sogenannte Macron-Gesetz, für deutsche Unternehmen entschärfen. Vor der sich breit machenden Euphorie warnt indes die Industrie- und Handelskammer (IHK) Südlicher Oberrhein: Noch ist nichts in trockenen Tüchern, außerdem gibt es noch offenen Fragen.

Von Michael Werndorff

Regio. Der französische Markt spielt für viele kleine Handwerksbetriebe in der Region kaum eine Rolle mehr. Während das Frankreich-Geschäft in der Vergangenheit bis zu 40 Prozent ausmachte, nehme man kaum mehr Aufträge aus dem Nachbarland an, berichtet Paul André Koenig, Chef der Lörracher Schreinerei Koenig. Laut IHK habe sich das Frankreichgeschäft insgesamt um etwa 30 Prozent verringert.

Die Gründe liegen in den Entsenderichtlinien, die Frankreich vor drei Jahren eingeführt hat. Es soll französische Arbeitnehmer vor Lohndumping und der Aushöhlung von Arbeiterrechten schützen, wie es offiziell heißt. Koenig, gebürtiger Elsässer, spricht indes von Protektionismus, was auch Johannes Ullrich, Präsident der Freiburger Handelskammer, so sieht: „Das Loi Macron ist Protektionismus in Reinform.“

Konkret müssen Unternehmen, die in Frankreich eine Dienstleistung anbieten wollen, hohen Aufwand betreiben: Wenn zum Beispiel ein südbadisches Unternehmen einen Techniker über die Grenze schicken will, muss der heimische Betrieb einen Vertreter in Frankreich benennen, der Französisch spricht, zudem muss eine Anmeldung über ein Internetportal erfolgen. Dabei werden zahlreiche Daten abgefragt, insbesondere für kleine Unternehmen ist das eine aufwendige und zeitraubende Prozedur, und das unabhängig davon, ob es sich um einen mehrtägigen oder um einen kurzzeitigen Servicetermin handelt.

Hoher Aufwand für Unternehmen

Im März 2017 kam dann noch die kostenpflichtige Beantragung der „Carte d’intification professionelle BTP“ hinzu, die bei Kontrollen auf Baustellen vorgelegt werden muss – und zwar bei jedem entsendeten Arbeitnehmer und Auftrag. Das stellt deutsche Betriebe vor große Herausforderungen und Mehrkosten.

Das war auch der deutschen Politik ein Dorn im Auge, weshalb mit dem französischen Staat verhandelt wurde. Erfreuliches Ergebnis war, dass Frankreich auf die Einführung einer Entsendegebühr in Höhe von 40 Euro verzichtete, wie Anfang des Jahres mitgeteilt wurde. Bilaterale Kooperationsvereinbarungen wurden ebenfalls angekündigt, was Nicole Hoffmeister-Kraut, die baden-württembergische Ministerin für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau, als „einen echten Erfolg für den europäischen Binnenmarkt“ betitelte.

Nun kommt nochmals Bewegung in die Sache: Wie das Zentrum für europäischen Verbraucherschutz in Kehl jetzt mitteilt, hat die französische Nationalversammlung ein Gesetz verabschiedet, das grenzüberschreitende Dienstleistungen einfacher machen soll. Das Gesetz, welches noch vom Verfassungsgericht überprüft und vom französischen Präsidenten unterzeichnet werden muss, sieht drei Maßnahmen vor: Unternehmen, die Mitarbeiter für einen kurzen Zeitraum entsenden, sollen von den oben genannten Vorschriften befreit werden, allerdings müssen das Branchen sein, die bisher frei von Betrugsfällen bei Entsendungen sind.

Die dem französischen Arbeitsministerium unterstellten, regionalen Aufsichtsbehörden sollen im Einzelfall selbst entscheiden können, ob sie Unternehmen von Auflagen befreien. Und drittens: Die Bestimmung eines gesetzlichen Vertreters und die Voranmeldung sollen dann wegfallen, wenn Unternehmen Mitarbeiter auf eigenen Auftrag entsenden, sie also Mitarbeiter zum Beispiel auf eine Messe nach Frankreich schicken.

Mit Frankreich ins Gespräch kommen

Allerings gibt es noch keinen Grund zur Vorfreude: Frédéric Carrière, Referent Auslandsmärkte bei der IHK Südlicher Oberrhein, macht darauf aufmerksam, dass die jeweiligen Regeln und Bestimmungen zur konkreten Umsetzung des Gesetzes noch gar nicht bekannt seien.

„Es kann durchaus noch zu Überraschungen kommen, zum Aufatmen ist es noch viel zu früh“, kommentiert der Referent im Gespräch mit unserer Zeitung die noch offenen Fragen. Zudem macht er darauf aufmerksam, dass wohl erst ab 2019 mit einer Änderung der Vorgehensweise seitens Frankreich zu rechnen sei. „Sollte die Gesetzesnovelle im Sinne der deutschen Firmen greifen, wird das Frankreich-Geschäft wieder an Fahrt aufnehmen.“

Das Wirtschaftsministerium in Stuttgart teilte auf Anfrage mit, dass es vorrangiges Ziel sei, praxistaugliche Lösungen zu finden, die für die regelmäßig in Frankreich tätigen Betriebe mit möglichst geringen bürokratischem Aufwand verbunden sind. Dafür sei es wichtig, mit Frankreich ins Gespräch zu kommen, wie einzelne im Gesetz vorgesehen Regelungen und Begrifflichkeiten definiert und ausgelegt und wie die Erleichterungen für die Unternehmen konkret ausgestaltet werden können. Offen ist aus Sicht des Ministeriums, mit welchen französischen Verwaltungsstellen Vereinbarungen geschlossen werden können und welchen Geltungsbereich sie haben sollen.

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