^ Kandidateninterview: Josha Frey (Grüne) : Zusammenhalt fördern - Kreis Lörrach - Verlagshaus Jaumann

Kandidateninterview: Josha Frey (Grüne) Zusammenhalt fördern

Die Oberbadische
Sieht beim Ausbau von Windkraftanlagen noch Luft nach oben: Josha Frey (Grüne). Foto: zVg

Frage: Herr Frey, was waren die in dieser Legislaturperiode für Sie wichtigsten von Grün-Schwarz umgesetzten Projekte?

Dies sind einerseits Projekte für ein gutes Klima, wie das neue Klimaschutzgesetz, inklusive einer Photovoltaik-Pflicht für Gewerbeflächen und einer Vielzahl an Projekten rund um eine nachhaltige Mobilität: Massiver Ausbau des ÖPNV, Reaktivierungsprogramm stillgelegter Schienenstrecken, neue Radwege und flächendeckend Lade-Säulen für E-Autos. Andererseits ist auch die Förderung des gesellschaftlichen Zusammenhalts zu nennen: zum Beispiel durch die Unterstützung von Geflüchteten bei der Integration oder auch die Stärkung der Quartiersarbeit.

Frage: Das neue Naturschutzgesetz der Koalition hat gezeigt: Wenn ein Volksbegehren droht, geht mehr –und das recht schnelle. Wie wollen Sie in der neuen Legislatur grüne Ziele und konventionelle Landwirtschaft gegenseitig annähern?

Die Umsetzung hat doch gezeigt: Wenn viele gemeinsam für Biodiversität kämpfen, kann mehr erreicht werden. „Rettet die Bienen“ war ein weiterer Schub für unsere konsequente Politik für den Naturschutz.

Allerdings war unsere Prämisse von Anfang an, den Weg gemeinsam mit Naturschutz und Landwirtschaft zu gehen: Wir brauchen Bienen und Bauern. Der erarbeitete Kompromiss geht sachgerecht und praxistauglich über die ursprünglichen Ideen des Begehrens hinaus. Hieran möchten wir anknüpfen und einen neuen Gesellschaftsvertrag zwischen Landwirtschaft und Naturschutz auf den Weg bringen und auch die Lebensmittelindustrie und die Verbraucher einbeziehen.

Frage: Auf der Agenda stand neben der Integration von Flüchtlingen unter anderem die Energiewende. Welche Bilanz können Sie für sich und unsere Region ziehen?

Hier wirkt grüne Politik: Das zeigt das Bundesländerranking der Agentur für Erneuerbare Energien von 2019. Bei politischen Anstrengungen und Erfolgen für die Erneuerbaren sind wir erneut mit Schleswig-Holstein auf den ersten Platz.

Während 2010 der Anteil der Erneuerbaren Energien an der Stromerzeugung im Land noch bei 16 Prozent lag, lagen sie in Baden-Württemberg im ersten Quartal 2020 mit über 45 Prozent vor Kohle und Atom. Auch bei Energieeinsparung und -effizienz sind wir bundesweit die Nummer 1. Auch in unserer Region ist die Energiewende mit inzwischen neun Windrädern und vielen Solaranlagen deutlich sichtbar. Dies, obwohl wir bei diesen Energieformen vom Bund ausgebremst wurden.

Frage: Am Thema Windkraft scheiden sich indes die Geister: Sehen Sie mit Blick auf mögliche Windparks in unserer Region das Ende der Fahnenstange erreicht, oder gibt es noch Luft nach oben? Gegenwind aus der Bevölkerung nimmt jedenfalls nicht ab.

Gewiss ist der Ausbau von Windkraft eine Herausforderung für die nächsten Jahre, und hier hätten wir uns als Grüne natürlich mehr gewünscht. Ich sehe hier definitiv – auch für die Region – noch einige Luft nach oben. Wir brauchen insbesondere mehr Flächen für die Windkraft, vor allem im Wald. Das geht nur, wenn wir Artenschutz und Windkraft zusammendenken und ebenso für mehr Akzeptanz werben. Dafür ist auch eine stärkere Beachtung der regionalen Wertschöpfung für strukturschwache Gemeinden wichtig.

Frage: Zur Industrie: Mit grüner Politik und der Fixierung auf den Elektroantrieb lande das Autoland Baden-Württemberg in einer Sackgasse, wie Kritiker sagen. Können Sie den politischen Gegnern den Wind aus den Segeln nehmen?

Megatrends wie Digitalisierung, Automatisierung und Elektrifizierung prägen die Mobilität der Zukunft. Für den Klimaschutz müssen wir weg von fossilen Verbrennern und hin zu klimafreundlichen Antrieben. Je schneller unserer Industrie diese Transformation gelingt, desto erfolgreicher wird sie in Zukunft sein und desto mehr Arbeitsplätze können im Land gesichert werden.

Die Batterietechnik ist am Markt am weitesten entwickelt und am erschwinglichsten. Damit können wir heute bereits die CO2-Emissionen des Verkehrs spürbar senken. Dennoch zeigt zum Beispiel unser Projektplan für eine Wasserstoffwirtschaft, dass wir technologieoffen bleiben. Hier kann auch unsere Region seine Innovationsbereitschaft zeigen.

Frage: Der Ausbau des ÖPNV ist ein Dauerbrenner: Ihrer Partei schwebt ein Jahresticket vor, das vor Ort nicht mehr als einen Euro pro Tag kosten soll. Bei den krisengebeutelten Verkehrsunternehmen, Kreisen und Kommunen dürfte das für Kopfzerbrechen sorgen. Wie soll das Vorhaben finanziert werden?

Wir müssen den steigenden CO2-Ausstoß des Verkehrs senken. Deshalb ist der Ausbau des ÖPNV das wichtigste Klimaschutzprojekt. Es war auch richtig, dass die Verkehrsunternehmen vom Land in der Corona-Krise mit zwei Rettungsschirmen zur Kompensation der massiven Einnahmenausfälle unterstützt wurden. Wir können es uns nicht leisten, diese Unternehmen zu verlieren, denn wir brauchen sie auch nach der Pandemie für unsere Mobilität – und zur dringend notwendigen Mobilitätswende zum Schutz unseres Klimas. Unterm Strich wird es billiger werden, um weniger Schäden durch den Klimawandel zu erleiden, wenn wir den ÖPNV effizient ausbauen.

Frage: Zurück zur Flüchtlingspolitik: Der Pakt für Integration mit den Kommunen darf als Herzstück bezeichnet werden. War es nicht ein Fehler, auf eine Verankerung der Mitwirkungspflicht von Flüchtlingen zu verzichten? Und wie soll die Integration in einem coronageschüttelten Arbeitsmarkt gelingen?

Der Pakt für Integration ist in Deutschland einzigartig. Mit ihm sollen Menschen, die zu uns kommen, die echte Chance bekommen, sich hier ein Leben aufzubauen und Teil unserer Gesellschaft zu werden: Durch Angebote zum Spracherwerb, spezifische Unterstützung bei der Jobsuche und gezielte Hilfe in Schule und Ausbildung.

Aufgrund der regelmäßig von mir organisierten Runden Tische im Landkreis weiß ich, dass dies an vielen Stellen gelungen ist und Geflüchtete auch nach dem ersten Lockdown wieder in Arbeit gingen. Das kann nur gelingen, wenn alle Verantwortung übernehmen – was viele Geflüchtete auch beweisen.

Frage: Bei der Bildungspolitik hat sich Grün-Schwarz in den vergangenen Jahren oftmals nur auf den kleinsten gemeinsamen Nenner einigen können. Wo sehen Sie die wichtigsten Aufgaben einer neuen Landesregierung unter grüner Führung?

Der Schulerfolg eines Kindes hängt noch immer stark von der Herkunft und dem Geldbeutel der Eltern ab. Wir wollen dafür sorgen, dass alle Kinder und Jugendlichen faire Bildungschancen erhalten. Gerade beim Thema Digitalisierung darf keiner abgehängt werden.

Fair bedeutet außerdem ein Schulsystem, das inklusiv auf die individuellen Bedürfnisse der Schüler eingehen kann. Wichtig ist auch die Stärkung der Demokratiebildung. Wir wollen ein leistungsstarkes Bildungssystem, das gleichzeitige Ort der Vielfalt und des gesellschaftlichen Zusammenhalts ist.

Frage: Die Corona-Pandemie hat Gesellschaft und Politik fest im Griff. Wie stehen Sie zum strengen Kurs der Landesregierung in der Bekämpfung der Pandemie?

Wir haben in einem Landespandemiegesetz festgelegt, dass alle Maßnahmen, die länger als zwei Monate dauern, die Zustimmung des Landtags benötigen. Dort werden sie transparent diskutiert, abgewogen und abgestimmt. Damit sind wir das erste Bundesland gewesen, in dem die Infektionsschutzmaßnahmen auch unmittelbar durch das Parlament legitimiert wurden. Es ist uns gelungen, Transparenz mit konsequentem Handeln zu verbinden. Dank diesem besonnenen, aber entschlossenem Handeln konnten wir einen dramatischen Verlauf der Pandemie bisher abwenden, und das Gesundheitssystem konnte den Anforderungen gerade noch gerecht werden.

Frage: Kritik hat Ihr Parteifreund, Sozialminister Manfred Lucha, für sein Krisenmanagement, die Informationspolitik in Sachen Corona-Impfung und die Anmeldemodalitäten über Telefon und Internet erfahren. Was sagen Sie zu Luchas Ehrenrettung?

Hier geht es nicht um Ehre, sondern um die konkreten Ergebnisse. Unser Gesundheitssystem konnten wir leistungsfähig erhalten. Die Infrastruktur für Impfungen wurde in kürzester Zeit aufgebaut. Für alle Erstimpfungen ist die zweite Impfdosis garantiert, indem Impfstoff vorrätig gehalten wird, anstatt alles gleich zu verimpfen. Hier gehen manche Bundesländer andere Wege. Die Ständige Impfkommission warnt aber davor, die zweite Impfung hinauszuzögern – es gibt zu viele Unbekannte. Diesen Kurs zu fahren, war deshalb goldrichtig.

Frage: Derzeit werden die Grünen im Rahmen der Einfamilienhaus-Debatte in sozialen Medien mal wieder als Verbotsfetischisten betitelt. Wie nehmen Sie die Diskussion wahr, und ist das Eigenheim auf grüner Wiese ein Auslaufmodell?

Ich kann die Aufregung nicht ganz nachvollziehen. Ursprung der Diskussion war die Stadtentwicklung im angespannten Wohnungsmarkt in einem bestimmten, sehr dicht besiedelten Hamburger Viertel. Das ist mit dem Flächenland Baden-Württemberg nicht zu vergleichen.

Für uns Grüne ist es ein zentrales Anliegen, schnell mehr bezahlbaren Wohnraum zu schaffen – gerade auch für Menschen mit geringen oder mittleren Einkommen. Hier sind die Kommunen in der Pflicht. Außerdem verstehe ich nicht, wie die Versiegelung von Flächen verhindert werden soll, wenn wir Baulücken in den Städten und Gemeinden nicht verdichtet bebauen. Diese kommunale Diskussion in eine Landtagswahl zu tragen, ist zu offensichtlicher Populismus.

Frage: Die Grünen verfolgen in Sachen Sicherheit eine Politik des Gehörtwerdens und der Transparenz. Das geht aber nur mit mehr Bürgerbeteiligung. Wie wollen Sie diese ausbauen?

Durch unseren Einsatz ist Baden-Württemberg bundesweit Spitze in Sachen Bürgerbeteiligung. Trotz dieser Erfolge sind wir noch nicht am Ziel: Das Volksabstimmungsgesetz wollen wir weiterentwickeln, um vorhandene Hürden abzubauen. Daneben wollen wir unbedingt auch auf Landkreisebene Bürgerbegehren ermöglichen. Dies hat die CDU bisher blockiert. Ein weiteres Herzensanliegen ist uns die Absenkung des Wahlalters auf 16. Das konnten wir für Kommunalwahlen durchsetzen – jetzt wollen wir das für Landtagswahlen auch ermöglichen.

Frage: Abschließend: Wie schaut Ihr parteipolitisches Wahlziel aus?

Mein Ziel ist es, in diesem Jahr noch mehr Wähler davon zu überzeugen, dass sie Grün wählen; so hoffe ich, mit mindestens 35 Prozent Wählerstimmen wieder in den Landtag gewählt zu werden.

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