Kultur Allein richtig Schreiben ist wahre Kunst

Kathryn Babeck
Mosebach (links) und Safranski im Gespräch. Foto: Kathryn Babeck

Martin Mosbach liest bei den Literaturtagen unter dem Motto „Familienbande“ aus seinem Roman „Taube und Wildente“. Das Publikum ist gefesselt.

Der Gesellschaftsroman erzählt die Geschichte einer kaputten Ehe. Ein Stillleben löst dabei einen radikalen Sinneswandel aus. Vorne auf der Bühne sitzt der Büchnerpreisträger und renommierte Literat: Wolfgang Mosebach. Der Saal ist bis auf den letzten Stuhl gefüllt.

Der Poetenfürst

Rüdiger Safranski erzählt, wie Mosebach eigens aus Griechenland „mit abendländischer Mobilität“ nach Badenweiler angereist ist. Den Schriftsteller bezeichnet er als „größten lebenden Prosaisten in Deutschland“ und betont, dass bei den Literaturtagen nicht nach Neuheit, sondern nach Qualität ausgewählt werde.

Ein Stillleben als Grundlage

Der Roman von Mosebach „Taube und Wildente“ ist nach einem Stillleben aus dem 19. Jahrhundert benannt. Der Künstler Otto Schloderer hat das Werk geschaffen. Im Roman hängt es im Balkonzimmer eines provenzalischen Landhauses. Dort verbringt Marjorie De Kesel den Sommer. Sie ist Erbin eines beträchtlichen Familienvermögens. Ihr Vater hat im Kongo, wo eines der brutalsten Kolonialregimes herrschte, mit einer belgischen Firma Bodenschätze abgebaut und viel Geld verdient. Mit dem Vermögen hat er allerhand moderne Kunst gesammelt. Das Anwesen gehört einer Stiftung. Marjorie hat Ruprecht Dalandt geheiratet, der Verleger eines Kleinverlags ist. Weitere Akteure sind unter anderem die Stieftochter, der Verwalter des Hauses und Angestellte des Verlags.

Bild geht in Flammen auf

Es ist die zweite Ehe von Marjorie. Keiner der beiden würde in den Bereich des anderen hineinregieren, erläutert Mosebach seine Figuren. Der Kampf um das Bild entwickele sich jedoch zu einem Stellvertreterkrieg, sagt er. Marjorie will das Bild verkaufen, um das Dach des Hauses zu sanieren. Ruprecht erwirbt es mit Hilfe des Verlagskapitals. Der Hass brodelt. An Dreikönig, bei der Bescherung, fängt diese Bild wegen des Christbaumbrandes Feuer, geht in Flammen auf und wird „zerfetzt“. Mit diesem infernalen Höhepunkt der Zerstörung endet die Lesung.

Ein autofiktionaler Roman?

Zwischen Safranski und Mosebach entspinnt sich nach der Lesung ein intensives und in Teilen amüsantes Gespräch. Safranski philosophiert über Schönheit und meint, dass Deutsche giftig werden, wenn sie etwas Schönes sehen. Mosebach erwidert: Zumindest würden sie Schönheit erkennen. Als Zuhörer fragt man sich, was Safranski mit Schönheit meint. Bezieht er sich auf das Gemälde mit den toten Vögeln, deren Füße mit Schnüren zusammengebunden sind, oder die Sprache von Mosebach? Das in Grautönen gehaltene Bild besticht durch einen einzigen purpurnen Farbtupfer im Schnabelbereich der toten Taube. So beschreibt es Mosebach und warnt vor den verfälschten Farben der digitalen Wiedergabe im Netz.

Etwas verschmitzt sagt Safranski, er habe gehört, Mosebach habe das Gemälde besessen. Mosebach zögert, Safranski hakt nach. Daraufhin bejaht Mosebach dies und sagt, das Bild sei verbrannt. Er habe dem Kunstwerk ein Denkmal setzen wollen. Deutlich wird, in dem Roman steckt offenbar mehr Autofiktionales, als die beiden dem Buch bei diesem Gespräch zugestehen wollen.

Keine Positionierung

Der Kolonialismus schwingt dabei unterschwellig mit. Beide positionieren sich dazu nicht. Genauso vage bleibt Mosebach bei Liebesszenen, diese deute er nur an, will den mündigen Leser nicht mit all zu vielen Details bedrängen, sagt er.

Deutliche Worte finden sie hingegen, wenn es um die Schönheit der Sprache geht. „Die Schönheit tritt hinzu, wenn man eine Sache richtig macht“, sagt Mosebach. Er achte auf richtiges Schreiben, dann komme die Schönheit von allein, erläutert er seine Arbeitsweise. Das durchweg ältere Publikum goutiert dies mit Applaus.

Nach der Lesung fliegt er zurück nach Griechenland: Er müsse sich an einen fremden Ort begeben, um richtig schön schreiben zu können.

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