Kultur Ein Konzerterlebnis

Jürgen Scharf
Feengleich spielte Maria Dueñas den Solopart in Mendelssohns berühmtem Violinkonzert. Foto: Jürgen Scharf

Ganz der Romantik gewidmet war das Konzert des Sinfonieorchesters Basel im Burghof, das ohne Dirigent spielen muss. Die junge aufstrebende Geigensolistin bezauberte das Publikum im vollen Saal.

Alle guten Geister aus Oberons Elfenreich hatten sich insgeheim an die Pulte des Sinfonieorchesters Basel auf der Bühne im Burghof gesetzt. Und ganz vorne an der Rampe stand eine Titania in blendendem Weiß, einem luftig-duftigen Tüllkleid, schulterfrei, grazil wie eine Balletttänzerin, feengleich: eine junge Feenkönigin der Violine.

Eine echte Lyrikerin

Und so ist auch das Spiel und die Klangqualität der 21-jährigen spanischen Nachwuchsvirtuosin Maria Dueñas, zart und schlank, von einer tonlichen Filigranheit, die diese junge Geigerin als eine echte Lyrikerin auszeichnet, deren Ton im berühmten e-Moll-Konzert von Felix Mendelssohn in den leisesten Pianostellen noch Wärme hat und aufblüht.

So schlank und rank wie sie selbst aussieht und in Erscheinung tritt, so sehr nach Elfenmusik klingt ihr Mendelssohn-Konzert: zwischen ätherisch, feinsinnig und gefühlvoll strömend.

Ohne erkrankten Dirigenten

Zudem bestand Dueñas an diesem Abend eine Feuertaufe. Sie spielte das große Violinkonzert ohne Unterstützung eines Dirigenten. Denn Ivor Bolton, der Chefdirigent, war kurzfristig erkrankt. Ersatz konnte so schnell nicht gefunden werden, aber das Sinfonieorchester wollte das Konzert nicht absagen, was man ihm hoch anrechnen müsse, wie Burghof-Chef Timo Sadovnik meinte. Konzertmeisterin Friederike Starkloff leitete sicher vom (etwas erhöhten) Pult der ersten Geige die Aufführung.

Zu hören war also in diesem sehr bekannten und von vielen jungen Geigern als Debüt gewählten Violinkonzert ein Spiel voller Poesie. Aber es ist ja auch ein strahlendes, lyrisch ausschwingendes Konzert, Steilvorlage für Solisten mit wohlklingendem Ton, also ein dankbares Objekt für junge Geigerinnen wie Maria Dueñas. Ihr Ton kam aufs Schönste zur Entfaltung.

Geigerische Sensibilität

Es war eine Art natürlicher Adel des Spiels zu erleben, mit einer geigerischen Sensibilität, klangschön in den Übergängen, delikat und liebevoll ausgestaltet; ein Mendelssohn ohne aufgesetztes romantisches Pathos, unsentimental, ohne dick aufgetragene Expressivität.

Maria Dueñas hat keinen kraftvollen und „großen“ Oistrach-Ton, ihrer ist eher süß und filigran, federnd und leuchtend, und so erklingen die Kantilenen im Mittelsatz perlend und elegant. Ein klarer Stil, weniger auftrumpfend, dafür eine bewegliche Leistung und frei von solistischer Eitelkeit (zu der dieses Konzert durchaus verführen könnte).

Sehr musikalisch löst die Solistin ihre Aufgabe in der Kadenz im ersten Satz, und im Schlusssatz kommen ihre Tonqualitäten voll zum Tragen. Es war also unmöglich, sich der Faszination dieser bezaubernden Geigenstimme zu entziehen. Und auch ohne Dirigent gelang eine harmonische Übereinstimmung von Orchester und Solistin, von der aber spürbar die Impulse ausgingen.

Hier war eine Geigenbegabung zu hören, ein Rising Star, ein junger Stern am Klassikfirmament, der von BBC Radio nicht umsonst als eine der „New Generation Artists“ ausgewählt wurde. So erlebte man eine Interpretation des populären Mendelssohn-Violinkonzerts, in dem weniger der Appassionato-Charakter im Kopfsatz-Allegro zum Ausdruck kam als die Sommernachtstraum-Stimmung im geistsprühenden Finalsatz, wo alle „Orchester-Elfen“ routiniert dieses Standardwerk akkompagnierten und ihre Magie verbreiteten.

Vibratoselig und engelsgleich war die Zugabe der Solistin, wiederum fast ganz im Pianissimo-Bereich, wenn sie sich mit dem „Chant de la Veslemoy“ (Maiden’s Song) von Johan Halvorsen für den Applaus bedankt: eine Spanierin in Norwegen.

Das Orchester wartete nicht nur mit einer Solistin auf, sondern hatte auch zwei Komponistinnen der Romantik im Programm. Fanny Hensels Ouvertüre braucht sich vor den Ouvertüren ihres Bruders Felix Mendelssohn nicht zu verstecken, und im Falle von Louise Farrenc war die Aufführung der dritten Sinfonie so etwas wie eine Ehrenrettung.

Souveränes Formgefühl

Die Sinfonie kommt ohne schweres Blech aus, nur mit zwei Hörnern und warmen Bläserfarben von Fagott und Oboe, und lässt noch den Geist Beethovens spüren. Die Basler zeigten auch ohne ihren Chef am Pult souveränes Formgefühl. Die Einsätze stimmten, die Satzcharaktere wurden gut herausgearbeitet und alles aus einem dramatischen Impuls heraus entwickelt.

Also eine überzeugende Wiedergabe bei ganz hervorragendem Orchesterklang. Da rundete sich ein besonderes Konzerterlebnis voller Entdeckungen.

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