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Kultur „Gschissen“ und doch glücklich

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Dirk Sermann Foto: /ngo Pertramer

Vergnüglich und abgründig ist das Kabarettprogramm von Dirk Stermann „Zusammenbraut“. Darin schmeißt er als Brautvater eine Party für seine Tochter – ist aber nicht eingeladen. Die Feier wird zur Abrechnung.

Dirk Stermann ist deutscher Fernseh- und Radiomoderator, Kabarettist und Autor. 1988 verschlug es ihn nach in Österreich, wo er erfolgreich arbeitet – und lebt. Auch in Deutschland ist er bekannt aus Film, fernsehen und von Bühnenshows. Mit seinem ersten Solo-Programm gastiert er am Mittwoch, 19. April, um 20 Uhr im Burghof mit „Zusammenbraut“. Wir unterhielten uns mit ihm .

Der deutsche Numerus clausus hat Sie als Student nach Österreich verschlagen: von Duisburg nach Wien. Ein Kulturschock? Oder Liebe auf den ersten Blick?

Durch den Kulturschock war es Liebe auf den ersten Blick. Viele andere, die zeitgleich mit mir aus Deutschland oder der Schweiz nach Wien kamen, haben die Stadt gleich wieder verlassen. Mir war sie gleich vertraut, auch wenn in Wien das Gegenteil von rheinischem Frohsinn und Optimismus vorherrscht. Der klassische Dialog in Wien lautet: Wie geht’s dir? Gschissen. Und dir. Auch gschissen. 

Den Wienern beziehungsweise Österreichern werden ja viele besondere Charaktereigenschaften nachgesagt. Welche haben Sie aufgespürt? Welche haben Sie inspiriert?

Die Stadt ist für mich wie eine große Bühne, noch immer. Gut überschaubar in der Größe, unüberschaubar an Geschichten und merkwürdigem Personal.

Glauben Sie, dass der Wechsel nach Österreich Ihre kreative Berufsfindung wesentlich beeinflusst hat?

Das gute an Wien ist, dass es wie ein Verkehrsübungsplatz für die große Welt funktioniert. Man kann schneller Dinge tun, ist in Wien immer am richtigsten Ort des Landes. Aber je länger man hier ist, umso unwichtiger wird der Rest der Welt. Also bleibt man lieber auf dem Verkehrsübungsplatz. 

Sie sind in Deutschland von Film- und Fernsehen bekannt. Und in Österreich höchst populär. Eine Seltenheit bei einem Piefke, oder?

Vielleicht geht es dabei um Akzeptanz durch Penetranz. Ich war halt immer da, im Radio und Fernsehen, und man hat sich an mich gewöhnt. So wie man weiß, dass nach Regen Matsch kommt. 

Zu Ihrem ersten Kabarett-Soloprogramm „Zusammengebraut“: Umreißen Sie doch bitte kurz, um was es hier geht.

Meine Tochter heiratet, ich bin aber nicht eingeladen und halte trotzdem die Hochzeitsrede, in deren Verlauf klar wird, warum ich wohl nicht eingeladen worden bin. Und am Ende tanze ich den Brauttanz allein.

 Wird es nach diesem ersten Solo-Programm eine Kabarett-Fortsetzung geben?

Nach vielen Jahren als Duo mit meinem Kollegen Grissemann war es spannend für mich, wie einsam ich mich alleine auf einer Kabarettbühne fühlen werde. Interessanterweise bin ich nicht einsam, sondern genieße es. Also ist es gut möglich, dass ich auf den Geschmack gekommen bin.

In Ihren Büchern steckt viel Autobiografisches. Der Abend im Lörracher Burghof wird als Abrechnung mit Vaterqualitäten beschrieben. Wie viel eigenes Erleben steckt dahinter? Woraus schöpfen Sie sonst?

Meine Bücher und auch das Kabarettprogramm spielen mit Realitäten. Das ist ein großer Spaß beim Schreiben. Tatsächlich heißt die Figur wie ich, macht das gleiche wie ich, lebt in der gleichen Stadt, ist aber doch Fiktion. Aber diese Fiktion wirkt möglich, als könnte alles stimmen. Man schreibt sich selbst in etwas hinein. Oder hinaus. 

Hat sich Ihr Blick, Ihre Kritik, Ihre Fokussierung verschoben, seit Sie auf die 60 zusteuern?

Ich habe gelesen, ab 49 wird man glücklicher, ruhiger, zufriedener. Dann bin ich das wohl schon seit ein paar Jahren, oft, ohne es zu merken.

 Älterwerden ist eine Herausforderung. Hilft es Ihnen, das Thema mit Humor anzugehen?

Fröhliche Resignation ist immer ein guter Ansatz.

Ein Gedankenspiel: Was würde Sie gerne mit 85 tun? Bücher schreiben, auf der Bühne stehen, ein Rentnerdasein in einem Wiener Kaffeehaus...?

 Mit 85 bin ich dann schon seit 36 Jahren glücklich, wenn die Studie stimmt. Rente ist in meinem Beruf oder in meinen Berufen unüblich, aber möglich. Im Kaffeehaus zu sitzen ist immer eine Option. Oder auf der Bühne umkippen. Ärgern würde ich mich, wenn ich während des Schreibens eines Romans stürbe und nie erfahren würde, wie der Roman endet.

Dirk Stermann: „Zusamenbraut“ am Mittwoch, 19. April, 20 Uhr, Burghof Lörrach

Das Gespräch führte Gabriele Hauger.

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