Das delian::quartett ist Ensemble in Residence im Burghof. Unser Rezensent schrieb über Ihren Auftritt „Bitte mehr davon!“ Wie stellen Sie es an, mit Klassik so zu begeistern?
Interview: Die Kritiker überschlagen sich vor Begeisterung, wenn das delian::quartett gastiert. Das Publikum im übrigen ebenso. Was machen die Musiker anders und so besonders? Das wollten wir vom Quartettmitglied und Geiger Andreas Mosche wissen.
Das delian::quartett ist Ensemble in Residence im Burghof. Unser Rezensent schrieb über Ihren Auftritt „Bitte mehr davon!“ Wie stellen Sie es an, mit Klassik so zu begeistern?
Das Geheimnis besteht wohl darin, dass wir uns das gar nicht fragen. Stattdessen bieten wir einfach die Formate, die wir selber unbedingt sehen wollten. Ein wichtiger Aspekt ist dabei fast immer die Suche nach neuen Türen zur vermeintlich verstaubten Klassik.
Haben klassische Konzertformate noch Berechtigung?
Doch. Natürlich ist nichts gegen „normale“ klassische Abende zu sagen, da gibt es viele schöne, verdienstvolle, unbedingt lohnenswerte Programme, um Mozart, Brahms, Beethoven und viele andere, die man unbedingt hören sollte. Trotzdem hilft es, wenn wir mehr an das Publikum von heute denken. Wenn wir die Präsentation von klassischer Musik ein bisschen an die Zeit anpassen. Alle unsere s konzipieren wir mit viel Liebe und unter immensem Aufwand. Wir versuchen, Wege zu finden, auf die wir ein Publikum jeden Alters einladen können. So ein Konzertbesuch sollte ein aufregendes Abenteuer sein. Spätestens, wenn man anschließend mit Freunden darüber reden möchte, was man erlebt hat, ist die Klassik im Heute angekommen. Bei uns braucht man nicht mit Frack und Fliege ins Konzert zu kommen und sich steif und ordentlich benehmen. Unser Publikum soll sich wohlfühlen bei uns. Es soll nicht kommen, weil das zum guten Ton, zum Kulturkanon gehört, sondern weil es eine wahnsinnig tolle Erfahrung verspricht.
Vielfach wird bedauert, dass in den Konzertsälen viel älteres Publikum vorherrscht. Haben Sie sich über diese Idee gefunden?
Es ist nicht einfach, vier Musiker zu finden, die bereichernd unterschiedlich sind, trotzdem zu einer Einheit verschmelzen können und dazu auch noch menschlich zueinander passen. Dass wir uns als delian::quartett gefunden haben, verbunden durch dieselbe starke Idee, war schlichtweg ein riesiges Glück. In einem Quartett zu spielen, fordert viel Kompromissbereitschaft, an die man sich aber nicht verlieren sollte. Ein Quartett ist eine verletzliche und delikate Formation. Bei der Projekt-Kreation tauschen wir uns über alles intensiv aus, recherchieren, diskutieren. Glücklicherweise brennen wir alle für die selbe Programmatik. Und wenn neue Vorschläge aufkommen, sagt niemand: Was ist denn das für eine komische Idee? Der menschliche Faktor ist in allem mindestens so wichtig wie der professionelle.
Wenn man so viel Zeit zusammen verbringt und probt: Geht man sich da nicht auch mal auf die Nerven?
(lacht) Selten. Obwohl wir extrem unterschiedlich sind, verstehen und unterstützen wir uns sehr. Das hat sich auch schon in persönlichen Krisensituationen gezeigt. Oder zu Beginn der Covid-Pandemie. Damals hatten wir größere Auftritte in Italien und Deutschland geplant. Mehrfach fuhren wir im Auto zwischen beiden Ländern hin und her und mussten stets unverrichteter Dinge wieder umkehren, weil unsere Konzerte in letzter Sekunde behördlich untersagt worden waren. Trotzdem hatten wir immer gute Laune, blieben konstruktiv, mit Blick nach vorne. Im übrigen hocken wir nicht ständig aufeinander. Wir leben in verschiedenen Städten und freuen uns, wenn wir dann jeden Monat zu unseren Projekten zusammenkommen.
Inzwischen probieren viele Ensembles neue Formate aus. Tut sich da einiges im Klassikbetrieb?
Ich glaube, das ist das einzig Positive, das uns die Pandemie beschert hat: Der Klassikbetrieb muss sich neu aufstellen und wird dadurch frischer und kreativer. Das Publikum will zurückgewonnen werden. Unser delian::quartett war schon früh auf der Suche nach neuen Möglichkeiten, nach erhellenden Werk-Kombinationen, genreübergreifenden Geschichten – und diese neue Entwicklung spielt uns jetzt in die Karten. Wahrscheinlich haben wir nicht direkt einen Trend geprägt, aber ich sehe, dass auch andere sich mehr und mehr Gedanken darüber machen, was in der Klassik zeitgemäß ist und was den musealen Staub von der Klassik bläst.
Was machen Sie, damit die Jungen das cool finden?
Dafür haben wir ein eigenes Format, obwohl natürlich auch in allen anderen Konzerten Kids und Jugendliche willkommen sind. Bei unseren Konzerten für junge Leute verfolgen wir eine klare Linie: Bloß nichts Belehrendes. Brrr! Wir alle erinnern uns an unsere erste Erfahrung mit klassischer Musik. Das vergisst man nicht. Ein solches Erlebnis sollte Spaß machen. Vom Kindergartenalter bis zum Oberstufenbereich sollten Kinder und Jugendliche sagen: Wow, das war cool! Dazu präsentieren wir vielfältige Programme mit Stücken quer durch die Musikgeschichte und Moderationen aus der Hosentasche. Dabei nehmen wir uns selbst nicht so ernst. Da kann schon mal ein unrasierter Musiker als süße Scheherazade auftreten. Es soll Spaß machen – und Lust auf weitere Konzerte.
Sie sind Artist in Residence im Lörracher Burghof. Was bedeutet Ihnen das?
Das ist toll. Im Zuge unserer Residenz zeigen wir, was in der Kammermusik möglich ist. Wir schaffen eine besondere Verbundenheit mit dem Publikum und mit dem Haus. Der Burghof ist für uns wie ein Wohnzimmer, in dem wir uns mit Freunden treffen. Das Haus bietet mit unserer Reihe in einer einzigen Saison eine ungeheure Palette. Gemeinsam mit dem Publikum begeben wir uns auf eine spannende Reise.
Sie kommen am Sonntag mit „insight“ nach Lörrach – gemeinsam mit einem katalanischen Künstlerkollektiv. Zu Bachs Fugen gibt es einen Augenschmaus, oder?
Oh ja! Das ist ein echtes Highlight. Es gibt ja schon lange Projekte, die klassische Musik mit Videoprojektionen verknüpfen. Bei uns erlebt man aber keine bloße Kino-Musik. Wir verbinden überwältigende Bilder mit der musikalischen Struktur. Über zwei Jahre lang haben wir das unter beträchtlichen Kosten vorbereitet. Und es hat sich gelohnt. Das Publikum geht mit uns auf eine spektakuläre Reise durch surreale Welten, die alle von Bachs Musik inspiriert sind. „insight“ macht die „Kunst der Fuge“ heutig. Nach jedem Konzert erfahren wir ganz emotionale Reaktionen auf diese strukturbetonte und architektonisch bewundernswerte Fugenkunst, die dann doch für sich genommen auf manchen pur allzu intellektuell erschiene. Bei uns muss man nichts verstehen. Man kann sich einfach zurücklehnen, genießen – und intuitiv erkennen, dass die Bilder mit der Musik tanzen. Das ist wirklich eine besondere Erfahrung.
delian::quartett und Piedra Muda Lab mit „insight“: Sonntag, 28. Januar, 18 Uhr, Burghof