Kultur Kunst: Schandbar billig

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„La Muse inspirant le poète“ von Henri Rousseau Foto: Martin P. Bühler

Das Kunstmuseum Basel positioniert sich zum Thema „Fluchtgut“-Ankäufe. Worum geht es?

Das Museum führt Gespräche über eine „gerechte und faire Lösung“ im Zusammenhang mit dem Erwerb von Henri Rousseaus Gemälde „La muse inspirant le poète / Apollinaire et sa muse“. Anhand dieses konkreten Falles positioniert sich das Kunstmuseum betreffend „Fluchtgut“ und strebt eine Vergleichslösung an. Es folgt damit seiner Strategie für die Provenienzforschung, nach der sogenanntes Fluchtgut priorisiert tiefenerforscht wird.

Die Geschichte

Das Kunstmuseum Basel erwarb 1940 das Gemälde von Henri Rousseau von der Gräfin Charlotte von Wesdehlen. 2021 traten die Anwälte eines Anspruchstellers in der Nachfolge von Charlotte von Wesdehlen an das Museum heran mit der Bitte, die Hintergründe des Ankaufs zu überprüfen. Für den Fall, dass die Aufklärung des historischen Sachverhalts einen NS-verfolgungsbedingten Verlust des Gemäldes bestätigen sollte, wurde um die Suche nach einer gerechten und fairen Lösung gebeten, heißt es in einer Museumsmitteilung.

Mühe um Aufklärung

Die Kunstkommission des Kunstmuseums Basel und das Museum hätten sich in der Folge aktiv um eine fundierte Aufklärung bemüht. Die Abteilung Provenienzforschung erarbeitete den historischen Sachverhalt, und es wurde eine Arbeitsgruppe eingesetzt. Das Ergebnis wurde den Anwälten des Anspruchstellers vermittelt. Diese baten schließlich um die Restitution (Wiedergutmachung) des Werks.

Der Verkauf des Gemäldes von Henri Rousseau durch Charlotte von Wesdehlen gehört zu den Fällen, die in der Schweiz als „Fluchtgut“-Verkäufe (Emigrantenverkäufe von aus Deutschland Geflüchteten im unbesetzten Ausland zwischen 1933 und 1945) behandelt werden. Kunstkommission und Kunstmuseum erachten auf Basis der Resultate der vertieften Nachforschungen indes einen Anspruch auf Rückgabe des Gemäldes als nicht gegeben. Verhandlungen über eine faire Lösung werden hingegen befürwortet und sind inzwischen aufgenommen worden.

Trotz aktuell noch offener Fragen möchte das Kunstmuseum einen Beitrag zur Debatte über Fluchtgut in der Schweiz leisten.

Das Gemälde

Charlotte von Wesdehlen (1877–1946) war eine aus Deutschland eingebürgerte Schweizerin jüdischer Herkunft, die ihre Heimatstadt Berlin in der NS-Zeit verlassen musste. Sie verkaufte das Werk, weil sie für ihren Lebensunterhalt in der Schweiz Geld benötigte. Der Verkaufspreis war niedrig; Georg Schmidt, der damalige Direktor des Kunstmuseums Basel, sprach selbst von einem „schandbar billigen Preis“.

Unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles kommen Kunstkommission und Kunstmuseum zum Schluss, dass der Fall des Rousseau-Ankaufs nicht zu einer Restitution des Werkes führt.

Die Zwangslage sei in der Schweiz eine andere als in Deutschland oder den besetzten Gebieten; der Vermögensverlust dort sei unmittelbar und die Situation für die Betroffenen in aller Regel lebensbedrohend.

Die ausführliche Begründung ist auf der Website des Kunstmuseums veröffentlicht. Das Kunstmuseum erachtet dies als Teil der Würdigung des Schicksals von Charlotte von Wesdehlen und als notwendige Aufarbeitung der Geschichte der eigenen Institution.

Was ist Fluchtgut?

Der Begriff Fluchtgut unterscheidet sich von Raubkunst, welche jüdischen Eigentümern vom NS-Regime geraubt wurde. Der Begriff wurde in der Schweiz über viele Jahre hinweg als Kategorie verwendet, um Ansprüche auszuschließen. In den letzten Jahren ist allerdings ein Umdenken festzustellen.

In der internationalen Praxis ist der Umgang mit Fluchtgut-Verkäufen sehr unterschiedlich. Es finden sich sowohl Rückgaben als auch Ablehnungen auf Ansprüche auf dieselben, erklärt das Kunstmuseum; zudem bestehen vermittelnde Positionen. Die Restitution von Fluchtgut ist möglich, bildet allerdings die Ausnahme. Eine solche Ausnahme sei laut Kunstkommission und Kunstmuseum im vorliegenden Fall weder ersichtlich noch begründet.

Transparenz für Besucher

Das Gemälde „La muse inspirant le poète“ finden Besucher des Kunstmuseums aktuell in der Sonderausstellung im Neubau ausgestellt. Sobald das Werk wieder in die Sammlung im Hauptbau integriert wird, will das Museum mit einem Hinweisschild auf die Herkunft des Kunstwerkes aufmerksam machen. Mittels QR-Code werden interessierte Ausstellungsbesucher dann die Möglichkeit haben, ausführliche Informationen abzurufen.

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