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Kultur Schnell unter die Haube

Jürgen Scharf
Im schnellen Rollen- und Kostümwechsel sangen und spielten sich die Schauspielerinnen durch die Geschichte. Foto: Jürgen Scharf

Ein komödiantischer, turbulenter Abend mit Jane Austens Klassiker „Stolz und Vorurteil“ (oder so) vor schütter besetzten Reihen im Burghof. Mit lauter komischen, aufgeblasenen Typen.

Snobs und Blender, als wären sie aus einem Text von Oscar Wilde entsprungen (männlich), und aufgedrehte taffe junge, eigensinnige Frauen. Das ist das Personal dieser musikalische Romanadaption „Stolz und Vorurteil (oder so)“ nach Jane Austen, mit der das Landestheater Tübingen am Mittwoch im Burghof gastierte.

Klare Familienplanung

Das Stück wirft einen Blick in die gute alte Regency-Zeit Anfang des 19. Jahrhunderts, die so gut auch wieder nicht war, denn die Frauen waren noch lange nicht emanzipiert. Der Frau gestand man nämlich nicht zu, dass sie in der Lage sei, Besitztümer zu haben und Vermögen zu verwalten. So war das erklärte Ziel der Familienplanungen, die wohlgeratenen Töchter aus gutem Haus baldmöglichst zu verheiraten. Es musste ein betuchter Ehemann her, eine gute Partie gemacht werden.

Verkupplung gefragt

Auch Mrs. Bennet ist dieser Meinung, sie muss ihre fünf Töchter Elizabeth, Jane, Mary, Kitty und Lydia unter die Haube bringen, damit sie keine alten Jungfern werden. Da kommt ihr ein Ball in der Stadt gerade gelegen. Dort trifft sich die High Society, die jungen wohlhabenden Herren und die hochmütigen Dandys wie der Junggeselle Mr. Bingley und Mr. Darcy, der eher schlechte Manieren hat.

Drollige Gags

Wie soll man jetzt die Mädchen mit diesen Gentlemen verkuppeln? Das gibt genügend Stoff für total verrückte und witzige Szenen. Eine komische Verve schwappt den ganzen Abend über die Bühne, mit amüsanten, maliziösen und drolligen Gags.

Ironische Stilmittel

Regisseur und Oberspielleiter Dominik Günther hat in diese Version der Autorin Isobel McArthur noch eine Menge ironische Stilmittel pointiert eingearbeitet. Und so machen die aufgetakelten älteren Gesellschaftsladys und das kesse „junge Gemüse“ viel Spaß bei den Krocket-Geschicklichkeitsspielen mit farbigen Bällen und den pikierten Salongesprächen.

Auch die Rahmenhandlung ist geglückt. Die dienstbaren Geister, sprich die Dienstmädchen, die in Austens Romanen nur Randfiguren sind, bekommen hier ihren großen Auftritt und ihre eigene Geschichte. Die Mädels fangen gleich an zu singen. Liebeshits der letzten 50 Jahre aus der Rock- und Popgeschichte, die die Gefühlswelten transportieren.

Im Karaoke-Stil

Die Inszenierung hebt ganz auf den Karaoke-Stil ab. Es ist kein Kammertheater, kein reines Schauspiel, sondern eine Mischung aus Revue, Musical und ein bisschen Rocky Horror Picture Show mit den Frauen in Hosenrollen als unerträgliche Stinkstiefel.

Die augenzwinkernde Fassung lebt von schnellen Rollenwechseln und Verkleidungen; am Bühnenrand steht ein großer Garderobenständer mit Hüten und Kostümen, und die fünf Schauspielerinnen, darunter zwei kurzfristige Einspringerinnen, die sich toll schlugen, halten mit rasantem Verwandlungsspiel die Zuschauer in Atem.

Tolle Schauspieler

Herausragend Susanne Weckerle als Mrs Bennet mit Etepetete-Getue und in einer Doppelrolle als hochmütiger und unausstehlicher reicher Pinkel Darcy, Laura Sauer als eigensinnige Elizabeth, die ihre Freier vergrault, und Insa Jebens als düpierter Charles Bingley. Aber auch Franziska Bayer und Elisa Serauky drehen in mehreren Rollen mächtig auf.

Partystimmung

Wenn die Sänger-Schauspielerinnen zum Mikrofon greifen, hat man sie auf der für Sprechtheater nicht so geeigneten Burghofbühne besser verstanden. Diese Daily Soap war ein etwas anderer Jane-Austen-Klassiker, bei dem sich die Darstellerinnen durch die Geschichte und die Regency-Epoche von 1810 bis 1820 gesungen und gespielt haben.

Da kam keine Kitsch-Romantik auf, bei allem nostalgischem Amüsement bis hin zu Partystimmung mit Popsongs und Lametta-Boas. Das hatte Humor. Oder so.

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