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Kultur Wüstenblues

Tonio Paßlick
Vieux Farka Touré war Hauptact Foto: Tonio Paßlick

Das Trio „Suonno d’Ajere“ aus Italien und Vieux Farka Touré als Hauptact faszinieren bei Stimmen im Rosenfelspark mit leidenschaftlicher Stimme und eindringlichen Arrangements.

Es ist diese Suche nach den Wurzeln, die den globalen Kosmos authentischer Musik ausmacht: Zukunft leben, indem man das Gestern mit Würde und Leidenschaft zugleich in sich spürt und in einen Kontext zum Heute herstellt.

Dieser Antrieb verbindet beide Gruppen, die beim zweiten sehr gut besuchten Abend der Stimmen-Konzerte am Donnerstag auf der Bühne standen – so unterschiedlich ihre Herkunft auch sein mag. Das Trio „Suonno d’Ajere“ aus Neapel hat sich diesem Anspruch sogar mit seinem Namen verschrieben: „Traum von gestern“. Und Vieux Farka Touré als Hauptact bereichert das „Wüstenblues“-Vermächtnis seines ikonischen Vaters Ali Farka Touré mit seinem Trio um Elemente aus Jazz, Rock ’n’ Roll, Reggae, Dub und lateinamerikanischen Stilen und betitelte sein 2022 veröffentlichtes Album „Les Racines“ – die Wurzeln.

Knisternde Stimmung

Die Neapolitaner erwischten einen Kaltstart nach siebenstündiger Verspätung. Aber die anmutige, elegisch erzählende wie leidenschaftliche beschwörende Stimme der Sängerin Irene Lupe Scarpato erzeugte sofort eine knisternde Stimmung. Diese wurde virtuos umrankt von Mandoline, Mandola und Mandoloncello, mit denen Marcello Smigliante Gentile die traditionellen neapolitanischen Melodien aufleben ließ; während Gian Marco Libeccio klassische wie poppige Elemente einbrachte.

Gelegentlich erinnerte das Pathos an Fadistas, dann wieder an die in der Romantik so beliebten Posteggias, an die Straßenmusikanten, deren Lieder in den bekannten Schlagern Italiens eingingen. Seit 2016 verbindet das Trio Tradition mit zeitgemäßer Adaption, lässt Volks- und Kunstmusik miteinander verschmelzen und erfüllt damit die italienische Sehnsucht nach Identität.

Sängerin Irene Lupe Scarpato erzeugte sofort eine knisternde Stimmung. Foto: Tonio Paßlick

Musikalische Weltreise

Auch Vieux Farka Touré benötigt für seine musikalische Weltreise nur zwei Mitspieler: Marshall Henry am Bass und Adama Koné mit seiner Schlagzeug-Batterie und einer großen Kalebasse. Schlicht und fast ohne Moves steht er in seinem traditionell bestickten Damast-Gewand und modischer Sonnenbrille da – und lässt die Musik sprechen.

Es sind Klänge wie Liebesbriefe an seinen Vater und vor allem an die Region um Timboktou im nördlichen Mali, die so viele bekannte Interpreten hervorgebracht hat. Sublime Bluesmeditationen wie „Lahidou“, das sanft rollende Liebeslied „Flany Konare“ oder „Les Racines“ mit seiner Flamenco-Perkussion und lauernden Gitarrenriffs. Songs, deren eindringliche Inhalte die politischen Botschaften im Alltag spiegeln. Etwa „Ngala Kaourene“ mit seinem Appell an die Einheit der Malier über alle ethnischen Grenzen hinweg.

Die Orientierung an seinen Wurzeln geht einher mit einer musikalischen Mission: karge, langsame und dafür eindringliche Arrangements, fast meditativ in ihren steten Wiederholungen.

Sein Vater habe ihn gelehrt, die Musik einfach zu halten. Schlicht und gelassen. Ein großer Teil des Programms wird gespeist von den Alben der letzten beiden Jahre, die nicht nur viele Elemente malischer Wurzeln der Songhai aufnehmen, sondern wie ein Gegenbild zu den überhandnehmenden Fast Food Pop-Produktionen aus dem Labtop wirken. Und dennoch von magischen Gitarren-Soli geprägt werden, die ihm den Übernamen „Jimi Hendrix der Sahara“ eingebracht hatten.

Zwischen seinem ersten Album 2007 in der Zeit, als sein Vater starb und ihn noch zu einzelnen Titeln inspirierte, und dem Bühnenauftritt in Lörrach schulterte er das große Erbe, verbrämte es mit Funk, Reggae und lateinamerikanischen Anleihen. Und kehrte nun zurück, inzwischen ein Weltstar und ein beeindruckender Vertreter des afrikanischen Blues, dem er durch seine Elektrifizierung moderne und urbane Farben gegeben hat. Trance-artige Jam-Sessions entstehen, tanzbar und träumbar zugleich. Kein Wüstensturm, sondern ein hypnotisches Wechselspiel zwischen Gitarre und Gesang.

Betörende Grooves

Eine Brücke von alter Kultur zu zeitgenössischem Geist, eindringlich und resonant. Und doch voller Lebenslust. Willig verliert man sich in dieser Welt betörender und komplexer Grooves. Und bekommt eine leise Ahnung, mit welchem bangen Puls der eigentlich junge Farka Touré an die aktuellen Ereignissen am Niger denkt.

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