Lesung Ein starkes Zeit- und Frauen-Porträt

Jürgen Scharf
Gut recherchiert hat Sandhya Hasswani Leben und Wirken der letzten Äbtissin von Säckingen Foto: Jürgen Scharf/Picasa

Welt, Geist und Leben im 18. Jahrhundert am Hochrhein: Der historische Roman „Die letzte Äbtissin“ von Sandhya Hasswani stellt eine starke Frau mit einem bewegten Leben vor.

Im Museum der Stadt hängt ein Ölgemälde: Es zeigt Maria Franziska von Roggenbach (1694-1755), die Fürstäbtissin in Säckingen war. Es gibt aber auch noch eine andere historische Frauenfigur: Mari-Anna von Hornstein-Göffingen (1723-1809), die letzte Äbtissin im Säckinger Damenstift, von der sich Auch ein Porträt im Schloss Schönau befindet und die Stifterin des silbernen Fridolinschreins war, der heute noch bei Prozessionen durch die Stadt getragen wird.

Faszinierende Persönlichkeit

Über diese faszinierende Persönlichkeit erzählt Sandhya Hasswani in ihrem über 540 Seiten dicken biografischen Roman „Die letzte Äbtissin. Ihr bewegtes Leben in Säckingen“. Die Stadtbibliothek hatte die im Hotzenwald lebende 35-jährige Schriftstellerin und Journalistin mit indischen Wurzeln für die 140. Schopfheimer Autorenlesung eingeladen. Von Hasswani als Teilnehmerin der Schopfheimer Literatur-Mundwerkstatt 2022 ist auch ein Beitrag auf alemannisch im neuen Jahrbuch der Stadt zu lesen.

Es wurde ein hochinteressanter Abend über diese vor fast genau 300 Jahren geborene Fürstäbtissin des Frauenstiftes, die das damals das stattliche Alter von 86 Jahren erreichte und sogar die Stiftsauflösung überlebte. Unter ihrer Ägide erreichte das Stift noch eine allerletzte Blütezeit, bevor es der Säkularisierung zum Opfer fiel.

Den Reformen von Kaiser Joseph II. hatte sich Mari-Anna noch erfolgreich entgegengestellt. Sie erlebte einige gesellschaftliche Umbrüche in der Welt des ausgehenden 18. Jahrhunderts. Zu ihren Lebzeiten ist unheimlich viel passiert: die französische Revolution und ein Gesellschaftswandel von der Ständegesellschaft zum modernen Verfassungsstaat fanden statt, und es erfolgten die Vermessung des Landes, Steuer- und Verwaltungsreformen.

Hasswanis sehr gut recherchierter und spannend geschriebener Roman gibt differenzierte Einblicke in die Adelshöfe in Europa, in die Lebensgeschichte und den Werdegang der Mari-Anna in wechselhaften Zeiten und in das Schicksal von Bauernfamilien aus dem Hotzenwald, die ins Banat, dem heutigen Rumänien, verbannt wurden. Nicht zuletzt wirft das Buch auch ein Schlaglicht auf die Napoleonischen Kriege, die zur Aufhebung des Stifts führten.

Roman hält die Spannung

Der Historienroman basiert auf vielen Gesprächen mit Heimatforschern und Stadtarchivaren, ist nah an den Quellen und den historischen Ereignissen und kann die Spannung halten. Hasswani las einige der sehr lebendig und lebensnah geschilderten Passagen aus ihrem informativen Frauen- und Zeitporträt, die den Alltag im Stiftsleben und das kulturelle Engagement dieser letzten Äbtissin beleuchten.

Natürlich stellt sich die Frage, und die Autorin warf sie bei der Lesung auch selber auf: Wie passt so ein Thema in unsere heutige Zeit? Es passt. Nicht nur, weil Mari-Anna von Hornstein-Göffingen eine starke Frau war, sondern weil man aus ihrem Leben Schlüsse ziehen kann und Einblicke in Schicksale erhält.

Gut war, dass Hasswani nicht nur las und erzählte, sondern auf die historischen Aspekte einging, zudem sehr klug und wissend auf die Fragen aus dem Zuhörerkreis reagierte. So erfuhr man Neues über den Brand des Fridolinmünsters, das 20 Jahre renoviert und barockisiert wurde und bei dem drei Monate vor der Wiedereinweihung durch eine Unachtsamkeit des Orgelbauers Türme und Empore zerstört wurden. Beim Wiederaufbau war die mit 32 Jahren ins Amt gewählte Mari-Anna maßgeblich beteiligt.

Prägende Entwicklungen

Schließlich verkörperte das Damenstift eine kirchlich-weltliche Macht und die Äbtissin war eine Landesherrin, vergleichbar heute mit einer Landrätin. Auch kommen im Buch die Salpetereraufstände aus den 1730er Jahren vor, gewaltsame Unruhen mit bewaffneten Bauern. Es werden also Entwicklungen festgehalten, die eine ganze Epoche prägten.

Mari-Annas Grab im Münster ist das einzige erhaltene und steht stellvertretend für hunderte von Amtsvorgängerinnen. Noch heute ist in Bad Säckingen und im Fricktal das Hornsteiner Wappen gegenwärtig.

Zur Zeit ist eine Ausstellung über die letzte Äbtissin im Hochrheinmuseum Schloss Schönau in Bad Säckingen zu sehen; zu ihrem 300. Geburtstag am 2. Juli ist ein großes Fest im Schlosspark, mit Mitwirkenden, die in historischen Kostümen durch die Schlossalleen flanieren.

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