"Geben Sie zu: Wir haben das alle erlebt."
Für Wissenschaftlerin Emma Smith hat Shakespeare heute eine paradoxe Rolle. "Auf der einen Seite wird seine Arbeit verehrt: zitiert, aufgeführt, bewertet, subventioniert, parodiert. Shakespeare!", schreibt sie im Buch "This is Shakespeare". Auf der anderen Seite - sie erwähnt Gähnen, Augenrollen und die Angst, intellektuell zu versagen - könne Shakespeare sich wie eine Verpflichtung anfühlen. Müdigkeit hervorrufen, wenn man abends um halb zehn im Theater sitze und es noch eine Stunde dauere. "Geben Sie zu: Wir haben das alle erlebt."
Smith findet, man müsse nicht jedes Wort entschlüsseln können, sondern könne sich mit den Themen seiner Texte beschäftigen. Ruhm, Freundschaft, Geld, Sex, Politik, Freude, Leid - viele Themen, inklusive der Kunst selbst. "Lesen, nachdenken, hinterfragen, interpretieren, spielen - das wirklich ist Shakespeare."
Ähnlich sieht es Scott. Shakespeare werde nur selten Fragen beantworten, sondern stattdessen weitere Fragen stellen. "Und was er von Ihnen als Publikum oder als Leser möchte, ist, dass Sie nachdenken." Für sie ist das etwas, was man heute noch von ihm lernen kann. Auch, dass er am Dialog interessiert gewesen sei, am Aufbrechen von Gegensätzen, am spielerischen Umgang mit Sprache, die beweglich bleibe und es einem ermögliche, eigene Gefühlslandschaften zu erkunden.
Das Hinterfragen von Machtstrukturen
Das Stück, das bei ihr unaufhörlich nachhalle, sei "Macbeth", sagt Scott und zitiert die ersten Zeilen, in denen sich drei Hexen treffen. "When shall we three meet again? In thunder, lightning, or in rain? - When the hurly-burly’s done, when the battle’s lost and won." ("Wann treffen wir drei uns das nächste Mal? Bei Regen, Donner, Wetterstrahl? - Wenn der Wirrwarr ist zerronnen, Schlacht verloren und gewonnen.") Ein Stück, das sich mit dem Streben nach Macht und den fatalen Folgen davon auseinandersetzt.
Shakespeare habe sich mit Tyrannen beschäftigt; habe Fragen gestellt zum Recht eines Landes, andere zu unterdrücken oder zu überfallen. Fragen, die man sich auch zu Russlands Präsident Wladimir Putin und seinem Angriffskrieg gegen die Ukraine stellen kann.
"Shakespeare ist fasziniert von Macht. Wer hat sie? Wer hat das Recht darauf? Wer ist verantwortlich für Macht? Und was bedeutet es, Macht zu wollen und darüber zu verfügen?", sagt Scott. Das bleibe in allen Bereichen der Gesellschaft relevant. Ob man hierarchische und politische Strukturen betrachte, Familien, Partnerschaften oder Geschwisterbeziehungen. Themen, mit denen jeder in seinem Leben konfrontiert sein wird. Auch mehrere Jahrhunderte nach Shakespeares Tod im Jahr 1616.