Lörrach Älter als gedacht

Die Oberbadische
Willy Brandt besuchte am 19. Februar 1960 Lörrach und traf mit Oberbürgermeister Arend Braye und seiner Frau Ida Berliner Kinder, die als Flüchtlinge in Lörrach gelandet waren. Foto: zVg/SPD Foto: Die Oberbadische

Jubiläum: SPD-Ortsverein Lörrach wird im Oktober 150 Jahre alt / Hubert Bernnat hat die wechselvolle Geschichte aufgearbeitet

Die große Gründungswelle von SPD-Ortsvereinen begann kurz nach 1900, da existierte die Lörracher Gruppe bereits seit mehr als 30 Jahren. Im Oktober feiert der Ortsverein seinen 150. Geburtstag. Dabei wurde er nur drei Wochen nach seiner Gründung 1868 schon wieder verboten.

Von Kristoff Meller

Lörrach. „Allgemeiner Arbeiterbund Sektion Lörrach“ und die Jahreszahl 1872 stehen auf der großen roten Fahne, die in der Dauerausstellung des Dreiländermuseums zu sehen ist. Doch bei einer Restauration der Fahne vor sechs Jahren wurden die Flicken, auf denen sich die Jahreszahl befindet, entfernt – zum Vorschein kam das Jahr 1869. „Das war die erste Fahne, die der damalige Arbeiterverein gehabt hat“, erklärt Hubert Bernnat.

Der Historiker und SPD-Stadtrat kennt die Lörracher Geschichte der Sozialdemokraten wie kein Zweiter. Bereits vor 25 Jahren hat er sich ausführlich mit ihr beschäftigt und ein Buch veröffentlicht. Zum 150. Geburtstag des Ortsvereins, der mit einem Mitgliederfest, einer Stadtaktion und einem Festakt gefeiert wird, stellt er am 5. Oktober eine überarbeitete Version seiner Recherchen in Form eines Lörracher Hefts vor (wir berichteten am Donnerstag).

Gute Quellenlage dank polizeilicher Überwachung

Für die Anfangsjahre ist die Quellenlage laut Bernnat erstaunlich gut: „Die SPD wurde damals polizeilich überwacht und darum gibt es viele Polizeiberichte und schriftliche Quellen.“ So ist es dem Historiker gelungen, herauszufinden, dass der Ortsverein nicht – wie lange angenommen – erst 1869 gegründet wurde, sondern bereits im Oktober 1868. Doch schon nach drei Wochen wurde er verboten. Das Verbot wurde aber zeitnah zurückgenommen, und so erfolgte im Januar 1869 die erneute Gründung.

Auf der Rückseite der Fahne befindet sich der Spruch „Gleiche Rechte, gleiche Pflichten – einer für alle, alle für einen“, der auf Karl Marx zurückgeht und die traditionell eher linke Ausrichtung des Lörracher Ortsvereins zeigt, die bis nach dem Zweiten Weltkrieg anhielt.

Ihren großen Aufstieg feierte die Lörracher SPD zu Beginn des 20. Jahrhunderts: „Bis 1919 ist sie zu einer mächtigen Partei geworden, die bis zu 50 Prozent der Stimmen erhielt“, berichtet Bernnat. 1906 war sie außerdem an der „einmaligen und außergewöhnlichen Koalition“ mit den Nationalliberalen beteiligt, die den ersten hauptamtlichen Bürgermeister Lörrachs, Erwin Gugelmeier, ins Amt hob. Für Bernnat „einer der ganz großen Bürgermeister der Stadt“.

Nach dem Ersten Weltkrieg kam es laut Bernnat zu einem „Radikalisierungsprozess“ und zur Spaltung. Viele Wähler wechselten zur KPD und die SPD verkam zu einer kleinen Partei, die in der Weimarer Republik gerade noch zweistellige Ergebnisse in der Lerchenstadt einfuhr.

In der Nachkriegszeit erreichten die Sozialdemokraten zwar nicht mehr die Stärke von 1919, aber mit Arend Braye wurde dafür ab 1948 ein Sozialdemokrat Oberbürgermeister. Dies gelang laut Bernnat dank der „pragmatischen“ Koalition von SPD, DP (Vorläufer der FDP) und den Kommunisten. Gemeinsam mit seinem Stellvertreter Karl Arzet, dem „Vater des Salzerts“, leistete Braye „Erhebliches“ (Bernnat), um die Wohnungsnot zu lindern. Damals waren ein Viertel der Einwohner Vertriebene.

Nach mehrfachen Umbrüchen in den 60er und 70er Jahren, erlebte die SPD eine zweite große Zeit als Rainer Offergeld 1984 Oberbürgermeister wurde. „Wohnungsbau und die Innenstadtentwicklung unter Offergeld sind zwei Marksteine der Lörracher Geschichte, die von Sozialdemokraten bewerkstelligt wurden“, betont Bernnat.

Aktuell ist mit Jörg Lutz ein Mann im höchsten Lörracher Amt, der zwar kein rotes Parteibuch besitzt, sich im Wahlkampf aber laut Bernnat von der SPD unterstützen ließ. „Auf lokaler Ebene sind noch Erfolge möglich, die wir auf Bundes- und Landeseben derzeit so vermissen.“

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