Von Jürgen Scharf Lörrach. Nein, die Musikgeschichte muss nicht umgeschrieben werden. Aber Hans Liberg bietet bei seiner Suite von brillant gespielten musikalischen Gags den Vermutungen neue Nahrung, dass in der Musik „alles geklaut“ ist. Und er beweist es, indem er die Melodien kurz anspielt und überraschende Parallelen zwischen Bach und Rockmusik, Lloyd Webber und Mozart aufzeigt. Beim neuen Programm „Attacca“ des holländischen Pianisten und Entertainers kommt der Konzertgänger nur dann hundertprozentig in den Kunstgenuss, wenn er Salsa von Mozart unterscheiden kann und sich in Klassik, Jazz und Popmusik einigermaßen auskennt. Hans Liberg – das ist Musikkabarett für Fortgeschrittene. Was er im diesmal nicht ganz vollen Burghof abzieht, ist ein ähnliches Divertissement in Spaß-Dur wie schon einmal: querbeet durch die Notenblätter. Nach dem Motto „Erkennen Sie die Melodie"“ führt der Alleinunterhalter, erdbeerrosa Anzug, runde Nickelbrille, durchs Programm. Mixt Schubert mit ABBA, Bach mit Dave Brubeck und pappt die Klavierkonzerte von Beethoven bis Grieg aneinander, wie einst der legendäre Gerard Hoffnung. Dabei haut der Klavierkomiker mächtig in die Tasten, hüpft als Springinsfeld über die Bühne, springt schnell von einer Melodie zur anderen. Überhaupt bricht er einen Wirbelsturm von lähmend komischen Pointen vom Zaun und bringt mit seiner musikalischen Purzelbaumlogik die Synapsen der Zuschauer (nicht nur in einem interaktiven Klavierkonzert) in Schwung. Dass er nicht immer die besten Witze hat, weiß er selbst, aber sie füllen. Einer der lustigen Sorte ist der über Bach, der mit Familie Biber auf Tour geht – samt Justin Bieber. So wird mit burlesker Verve die E- und U-Musik kräftig durcheinander gequirlt, Kirchenmusik und Free Jazz kriegen ihr Fett weg. Leicht schlüpfrig, singt er „Je t’aime“ am Keyboard und fragt: „Gibt es schwule Musik"“ Mit seiner jugendlichen Rhythmusgruppe als Background holt Liberg als ehemaliger Jazzgitarrist mal die E-Gitarre hervor. Ein paar Töne auf der Trompete tun’s auch, und das Alphorn ist wieder dabei. Ebenso Frau Merkel mit Bach-Perücke. Am Schluss bringt Glenn Gould sein kleines Stühlchen und spielt Bachs Aria aus den Goldberg-Variationen. „O Freunde, nicht diese Töne!“ Nimmt Liberg sich da selber ein bisschen auf den Arm" Ironie und Selbstironie hat er ja genug, und er kokettiert damit gern, wie in den süffisanten Anmerkungen über holländische Musiker, die ins Ausland gehen – wie er. Bei manchen Nummern wie der Ode an die Freude auf Holländisch, beim (irr)witzigen Cha-Cha-Cha-Tschaikowsky und den gekonnten Ausflügen in den Jazz explodiert geradezu Libergs komische Fantasie am Klavier. Da hört man, welche jazzigen Qualitäten er hat. In der zweiten Halbzeit ist viel Mainstream dabei, sonst wäre es zu anstrengend und der Abend zu anspruchsvoll. Übrigens heißt „Attacca“ Verbinden, ohne Pause weiterspielen. Und genau das tut Liberg permanent. Und wenn das Publikum nach zweidreiviertel Stunden und viel dankendem Applaus nicht irgendwann aufgestanden und gegangen wäre, würde er jetzt noch spielen... Wie sagte Hans Liberg doch selber: „Klassische Musik ist schön, aber immer zu lang“.