Lörrach Auf Kante genäht ins Jahr 2020

Bernhard Konrad

Kommunalpolitik: Gemeinderat genehmigt Rekordhaushalt der Stadt Lörrach . Die Lage verschärft sich.

Lörrach - Der Gemeinderat hat gestern Abend den Haushalt 2020 für die Stadt Lörrach einstimmig beschlossen.

Zum Auftakt der Sitzung nannte Oberbürgermeister Jörg Lutz nochmals zentrale Investitionen in Stadtentwicklung, Bildung Klimaschutz und Kultur dieses „auf Kante genähten Haushalts“. Perspektivisch seien mit Blick auf die finanzielle Situation der Kommunen Bund und Land stärker gefragt. Immerhin stelle das Land zusätzlich eine Summe in Höhe von 100 Millionen Euro für Schulsanierungen zur Verfügung: Die Stadt Lörrach werde Förderanträge für die Aufgaben an Fridolinschule und -halle stellen.

Wie berichtet, bewegt sich der Ergebnishaushalt mit Ausgaben in Höhe von knapp 135,8 Millionen Euro erneut auf Rekordniveau. Dem stehen Erträge von gut 134,6 Millionen Euro gegenüber. Nach kleineren Justierungen im Ausschuss beträgt das Minus nun knapp 1,2 Millionen Euro – etwas weniger als erwartet. Die Rekordinvestitionssumme in Höhe von 31,9 Millionen Euro ergibt sich aus dem geplanten Erwerb des Lauffenmühle-Areals für 10,5 Millionen Euro.

GRÜNE „Klimaschutz“ und „Bürgerbeteiligung“ seien zentrale Themen, die den Gemeinderat auch in den kommenden Jahren beschäftigen würden – das zeigten nicht zuletzt die Wahlergebnisse, sagte Margarete Kurfeß für die Grünen. Dabei ließ sie keinen Zweifel daran, dass für Ersteren eine Verkehrswende notwendig sei – das heißt konkret: eine Velooffensive und der Ausbau des ÖPNV.

Angesichts der Fülle von Aufgaben forderte die Fraktionsvorsitzende abermals eine Erhöhung der Gewerbesteuer zur Verbesserung städtischer Einnahmen. Trotz schwieriger finanzieller Aussichten blieben Investitionen in Bildung und Kultur eine Kernaufgabe der Stadt. Auch deshalb, um für die Bevölkerung und Zuziehende attraktiv zu bleiben. Kultureinrichtungen – gleich welcher Größenordnung – benötigten „Stabilität und Kontinuität“. Für die Zukunft des Burghofs müsse ein Kompromiss gefunden werden.

Die Abarbeitung des Renovierungsstaus an Schulen bleibe ebenso „Pflicht“, nicht etwa „Kür“. Kurfeß: „Dieser Pflicht müssen wir gerechter werden.“ Gleichzeitig sei die Erarbeitung eines „verlässlichen Sanierungszeitfensters“ – gemeinsam mit den Schulleitungen – notwendig: „Wo? Wie? Wann? Das muss ehrlich ausgesprochen und geklärt werden.“

Die Wandelareale (wir berichteten) böten zwar enorme Chancen für die Stadtentwicklung, doch müsse darauf geachtet werden, dass „bei all dem Bauboom“ die soziale Schere nicht zu weit auseinanderklafft.

CDU Auch die CDU trug den Haushalt 2020 mit. Indes sah Ulrich Lusche angesichts anstehender Herausforderungen in den kommenden Jahren „schwierige und teilweise auch schmerzhafte Diskussionen“ auf den Gemeinderat zukommen. Für den kurzfristig erkrankten Fraktionsvorsitzender trug dessen Stellvertreter Bernhard Escher Lusches Rede vor.

Die Prognose lokaler Entwicklungen und Zuweisungen werde zusätzlich durch Wahlen auf der übergeordneten politischen Ebene in Bund und Land erschwert – diese bildeten jedoch für die Rahmenbedingungen kommunaler Haushalte spürbare Faktoren.

Einfluss nehmen könne die Stadt bei den Einnahmen durch die Gewerbesteuer. Die CDU verschließe sich nicht der angedachten Erhöhung, mahnte aber mit Blick auf die Ansiedlungsentscheidung der Betriebe „den Bogen nicht zu überspannen“.

Klare Perspektiven seien endlich in der Schulentwicklungsplanung gefordert. Ausbau und Sanierung der Albert-Schweitzer-Gemeinschaftsschule trage die CDU mit – doch geschehe dies „über den Bedarf“ hinaus. Dringend notwendig sei die offene, transparente Priorisierung des weiteren Vorgehens, denn mit dem dritten Gymnasium und der Weiteentwicklung der Hellbergschule stehen abermals erhebliche Investitionen an.

Unverzichtbar sei auch eine Debatte über die grundsätzliche Ausrichtung des Burghofs – und zwar über „kosmetische Operationen“ hinaus: Ein „weiter so“ könne es nicht geben.

Investitionen in die Bauunterhaltung blieben ein Schwerpunkt kommunaler Anstrengungen. Unterdessen müsse darauf geachtet werden, dass der ausgerufene „Klimanotstand“ – die CDU-Fraktion war dagegen – nicht durch überzogenen Forderungen die Wohnraumoffensive gefährde.

Notwendig sei auch die Organisationsuntersuchung der Verwaltung. Dabei gehe es zum einen um die Analyse und Potenziale hinsichtlich der Personalverteilung innerhalb der Kommunalverwaltung, zum anderen aber auch um Fragen der Mitarbeiterabwanderung.

SPD Inwieweit sich die Stadt geradezu in einem Finanzierungsdilemma befindet, machte der Fraktionsvorsitzende der SPD deutlich, denn: Weder Sparrunden noch die von der Kommune zu steuernden Einnahmeerhöhungen reichten auch nur annähernd, um die finanziellen Verpflichtungen Lörrachs darzustellen, betonte Hubert Bernnat.

Zur Umsetzung anstehender Projekte sei – wo möglich und notwendig – auch die Aufnahme von Krediten sinnvoll.

Mit Blick auf die (meist geringeren oder vergleichbaren) Gewerbesteuersätze in der Umgebung sollte mit dem Instrument der Erhöhung „sehr vorsichtig“ umgegangen werden.

Sparen dürfe „kein Selbstzweck“ sein. Gerade freiwillige Leistungen für Beratungsstellen und Vereine träfen „den Nerv einer bürgerschaftlich zugewandten Stadt, die wir in unserem Leitbild fordern“, sagte er.

Auch seien die Mitarbeiter der Verwaltung nicht in erster Linie ein Kostenfaktor, sondern ihr Kapital. Dennoch sei die Überprüfung der Strukturen sinnvoll.

Bernnat kritisierte sowohl Bund als auch das Land – unabhängig von Parteien – für deren mangelnde Unterstützung der Kommunen. Als Beispiel nannte er den durch die Bildungsreform 2004 angestoßenen Wandel der Schullandschaft (etwa die Einrichtung von Ganztagsschulen), für die das Land nie „die notwendigen Konsequenzen gezogen hat.“ Auch Bernnat forderte einen „ehrlichen Fahrplan“ für die Umsetzung von Schulprojekten und – flankierend – Zwischenlösungen für Vorhaben in der Warteschleife

Wie Kurfeß betonte auch der Sozialdemokrat, dass die Stärkung von Radverkehr und ÖPNV ebenso wichtig sei wie Wohnraum, der in Lörrach bezahlbar bleiben müsse.

FREIE WÄHLER „Das Verhältnis von Einnahmen und Ausgaben muss sich verbessern“, forderte Matthias Lindemer für die Freien Wähler. Eine Erhöhung der Gewerbesteuer lehnen sie strikt ab, das Problem liege in erster Linie „auf der Ausgabenseite“, so Lindemer – auch bei „zahlreichen kleinen Ausgaben“ der Verwaltung. Unzureichend kalkulierbare Kosten von Gebäudesanierungen und Neubauten erschwerten die Planungen, deren Ausführungsdimension allerdings künftig genauer auf den Prüftand müsse.

Die Freien Wähler plädierten für einen Abriss des Rathauses – die Sanierunskosten seien nicht abschätzbar (Bernnat nannte zuvor 50 bis 60 Millionen Euro).

Mit Blick auf die Verwaltungsstruktur sagte Lindemer: „Wenn die Organisationsuntersuchung nicht dazu führt, dass effizienter gearbeitet wird und weniger Stellen benötigt werden, ist sie aus unserer Sicht gescheitert.“

Beim Thema Mobilität plädierte er unter anderem entschieden für die Verlängerung der Tramline 6 nach Lörrach.

Lindemer betonte die Bedeutung der Fasnacht, des Burghofs und des Stimmenfestivals – doch seien die beiden Letztgenannten „überdimensionierte Fremdkörper in der Stadt“. Er begrüße die anstehende Grundsatzdebatte über den Burghof.

Der Fraktionsvorsitzende warb um eine Versachlichung der Klimadiskussion und sagte: „Wo sparen wir mit möglichst geringem Aufwand möglichst viel Energie? Das muss das Ziel sein!“

FDP Matthias Koeseler fokussierte seine Überlegungen zu Situation und Perspektiven der Stadt insbesondere auf die Finanzen. Rekordeinnahmen stünden Rekordausgaben – darunter zahlreiche Pflichtaufgaben – und wachsenden Personalkosten gegenüber. Die Stadt erschwere mit ihren Vorgaben Wachstum bei der Gewerbesteuer. Das als Ersatz fürs Entenbad geplante Gewerbegebiet Brombach-Ost sei zum einen vergleichsweise klein. Zum anderen werde Betrieben mit der Summe der einzelnen Vorgaben die Ansiedelung erschwert.

Und, so betonte Koesler: So viele Jahre nach der Eingemeindung der Ortsteile sei es „an der Zeit und auch erforderlich, über dezentrale Ortsteilverwaltungen nachzudenken.“ Die FDP plädiere dafür, „endlich diese Zergliederung aufzuheben und das ersparte Geld für Projekte, die in die Zukunft gerichtet sind, auszugeben. Natürlich gilt es, die Bürger mitzunehmen – aber eher im Sinne von Quartiersarbeit.“

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