Lörrach Auf Spuren des Virus’ im Abwasser

Regine Ounas-Kräusel
Laborleiter Julian Lacher (links) und Steffen Mehlhorn, Geschäftsführer des Wieseverbandes, im Labor neben dem PCR-Automaten der Firma Analytik Jena Foto: Regine Ounas-Kräusel

Corona: Versuch der Erfassung von Covid in der Kläranlage Weil am Rhein / Zeitvorsprung in Pandemie

In der Kläranlage in Weil am Rhein läuft ein Versuch zur Erfassung von Corona-Infektionen über das Abwasser. Lörrachs Oberbürgermeister Jörg Lutz erklärt, warum der Wieseverband das Projekt unterstützt.

Von Regine Ounas-Kräusel

Lörrach/Weil am Rhein. „Durch das Corona-Monitorung über das Abwasser entsteht ein zeitlicher Vorsprung in der Bewertung des Pandemiegeschehens von bis zu zehn Tagen gegenüber dem Dateneingang bei den Gesundheitsämtern.“ Dies könnte Behörden und Politkern helfen, beim Pandemiemanagement schneller zu handeln.

Das Projekt

Der Wieseverband als Betreiber der Kläranlage und die Firma Analytik Jena, eine Tochter der Firma Endress + Hauser, erproben das Coronamonitoring im Abwasser seit Mitte Dezember in Weil. Das Projekt soll ein Jahr dauern.

Menschen, die mit dem Virus SARS-CoV-2 infiziert sind, scheiden auf der Toilette Virenpartikel aus. Diese sind nicht mehr infektiös, aber ihr Erbgut, die RNA, kann mittels PCR-Analyse nachgewiesen werden. Dies kann Julian Lacher, Laborleiter der Weiler Kläranlage, direkt vor Ort tun. Ein Speziallabor ist dafür nicht notwendig, denn die Geräte von Analytik Jena erledigen die wichtigsten Schritte von der Entnahme der Abwasserprobe bis zur PCR-Analyse automatisch.

Die Kläranlage

Die Kläranlage reinigt das Abwasser aus Lörrach, Weil am Rhein, Efringen-Kirchen und aus dem Kandertal. Julian Lacher nimmt routinemäßig Proben aus dem ankommenden Abwasser, um die Kläranlage zu überwachen. Nun entnimmt ein Automat zusätzlich alle 30 Minuten Proben aus dem Abwasserkanal von Lörrach und Weil. Die Proben werden 24 Stunden lang gesammelt und gemischt. Dies soll verhindern, dass die Schwankung der Abwassermengen im Laufe eines Tages das Coronamonitoring verfälscht.

Nach nur drei bis vier Stunden Bearbeitung im Labor hat der PCR-Automat dann die Virenlast im Abwasser ermittelt: „Wir haben noch am selben Tag das Ergebnis“, sagt Lacher. Ob die hochansteckende Omikronvariante oder eine andere Virusvariante vorliegt, unterscheidet das Gerät nicht.

Der Zeitvorsprung

Deutsche und internationale Forschungen zeigen, dass sich das Coronamonitoring über das Abwasser als Frühwarnsystem eignet. Zwei Beispiele: Das Helmholtz Umweltforschungszentrum Leipzig und die TU Dresden haben im Jahr 2020 Kläranlagen in ganz Deutschland untersucht. Eine Zunahme der Infektionen konnten sie im Abwasser oft schon nachweisen, bevor den Gesundheitsämtern steigende Zahlen vorlagen. In den Niederlanden untersuchte das Forschungsinstitut „KWR Water Research Institute“ zu Beginn der Pandemie acht Kläranlagen. In einer wies es Coronaviren nach, bevor der erste Fall in der betroffenen Stadt bekannt wurde.

Ein zweiter Vorteil: Über das Abwasser werden Infektionsherde entdeckt, ganz unabhängig davon, wie viele Menschen getestet werden. Steffen Mehlhorn, Geschäftsführer des Wieseverbands, erklärt es so: „Im Prinzip testen wir alle, weil jeder auf die Toilette muss.“

Die EU-Kommission hat daher im März vergangenen Jahres die Mitgliedsstaaten aufgefordert, in Städten mit insgesamt mehr als 150 000 Einwohnern die Kläranlagen auf Coronaviren hin zu untersuchen. In den Niederlanden finde ein solches Abwassermonitoring schon flächendeckend statt, sagt Jana Dichelle, Unternehmenskommunikation bei Analytik Jena. Die Behörden bezögen die Ergebnisse mit ein, wenn sie über einen Lockdown oder Lockerungen entscheiden. Auch Analytik Jena arbeite mit der Bauhaus Universität Weimar an einem flächendeckenden Monitoring für Thüringen.

Bei dem Projekt der hiesigen Kläranlage wird das Coronageschehen in Lörrach und Weil am Rhein beobachtet. Da das Projekt erst seit Mitte Dezember läuft, liegen noch keine ausgewerteten Daten vor.

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