^ Lörrach: Aus der Perspektive eines Täters - Lörrach - Verlagshaus Jaumann

Lörrach Aus der Perspektive eines Täters

ov
Wolfgang Wissler ist in Lörrach aufgewachsen. Nun erscheint sein neuer Roman. Foto: zVg/Wissler

Der aus Lörrach stammende Autor Wolfgang Wissler hat ein neues Buch geschrieben.

Der 232 Seiten starke Roman „Straffers Nacht“ (erschienen im Pendragon Verlag) handelt von einem skrupellosen SS-General, der 20 Jahre nach Ende des Nationalsozialismus auf den Tag der Abrechnung wartet. Das Buch beschäftigt sich mit der deutschen Vergangenheit, der Frage von Schuld, Sühne und der Tatsache, das viele alte Nazis in der jungen Bundesrepublik Karriere machten.

Ein früherer SS-General fristet ein düsteres Dasein als Nachtwächter im Deutschland der Nachkriegszeit. Was hat Sie dazu bewogen, diesen Roman zu schreiben?

Vor allem war es der Gedanke, dass in den 1960er-Jahren, also auch in meiner Kindheit, die Mörder unter uns waren: Männer, die unter Hitler schreckliche Massaker begangen hatten und nun unauffällige, nette und freundliche Nachbarn waren, verlässliche Kollegen, engagierte Vereinsvorstände. Wie konnte das sein? Wie konnten diese Männer mit ihren Taten leben? Und was geschah, wenn sie sich gegenseitig erkannten? Was sprachen sie? Fielen dann die Masken?

Ein dunkler Stoff, erzählt aus der Perspektive eines Täters – war es schwierig, für den Protagonisten des Buchs, Straffer, eine Stimme zu finden?

Da hat sich bereits sehr vieles für mich beim Schreiben des Buches ergeben, und manchmal war ich selbst überrascht von Straffers Verkommenheit. Zum Beispiel, einerseits die Einsicht in die Bestialität seiner Taten und andererseits seine Brutalität, wie sie sich etwa in den knappen Sätzen zu den ermordeten Familien Kafkas und Freuds zeigt.

Wo haben Sie sich Ihre Informationen zusammengesucht?

Über den Nationalsozialismus habe ich immer viel gelesen und viel diskutiert. Aber da ist ein Buch, das ich doch hervorheben möchte und das mir besonders beim Kapitel über die in Luxemburg internierten NS-Kriegsverbrecher sehr wertvoll war: „Nürnberger Tagebuch“ von Gustave M. Gilbert. Er war Gefängnispsychologe und betreute während des Nürnberger Hauptkriegsverbrecher-Prozesses Göring, Frank, Ribbentrop, Speer, Kaltenbrunner und all die anderen. Der Satz vom Blick in den Abgrund wird ja überstrapaziert. Aber in diesem Fall trifft er zu.

Sind Ihnen bei der Recherche Informationen untergekommen, die Sie sehr überrascht haben?

Ja. Zum Beispiel, wie schamlos auch in der Filmbranche vielen Regisseuren, Schauspielern und Drehbuchautoren die Wende gelungen ist. Beispielhaft zeige ich das im Buch anhand der „Winnetou“-Verfilmungen. Und ich denke da an Leute wie Heinz Rühmann, Marika Rökk, Alfred Weidenmann oder den späteren „Derrick“-Autor Herbert Reinecker. Gestern dafür, heute dagegen, offenbar wenig zu bereuen. Hauptsache, die Show geht weiter. Viele Nachkriegsfilme werden so zu einer Halde der Verlogenheit.

Das Werk behandelt viele kontroverse Themen. Was war Ihnen beim Schreiben besonders wichtig, herauszustellen? Wie sind Sie dabei vorgegangen?

Besonders wichtig war und ist mir zu sagen, dass wir Deutschen sehr wohl weiterhin eine besondere Verantwortung tragen. Das bedeutet, auch mehr Hilfe zu leisten als andere Nationen und nicht allzu sehr zu klagen, was uns da wieder angetan wird. Uns wurde eine zweite Chance gegeben, die damals gewiss nicht jeder Deutsche verdient hatte.

Eine unglaubliche Enthüllung im Roman ist die, dass kurz nach dem Ende des Krieges einige NS-Größen in einem Kurhotel untergebracht waren und es sich dort haben gut gehen lassen. Wie haben Sie diese Details recherchiert?

Diese Bad-Mondorf-Episode ist nicht neu, ich möchte mich da keinesfalls mit fremden Federn schmücken. Aber es hat mich schon gewundert, dass sie bisher nicht – wenigstens meines Wissens nicht – in einem Roman oder Film behandelt wurde. Das ist doch grotesk: Die überlebenden Hauptkriegsverbrecher – Göring, Ribbentrop, Frank, Jodl, Streicher und andere – relaxen im sonnigen Hotelpark, gehen spazieren und genießen abwechslungsreiche und üppige Mahlzeiten inklusive Süßspeisen, während ihre überlebenden Opfer hungern und darben. Was sie wohl in ihren Mußestunden geredet haben?

Sie sind hauptberuflich Journalist – hat Ihnen diese Tätigkeit dabei geholfen, den Roman zu schreiben?

Das Training als Tageszeitungs-Redakteur hat schon seinen praktischen Nutzen. Wer um 9.30 Uhr bei Null anfängt und abends um 18 Uhr 350 Zeilen zu einem schwierigen Thema abliefern muss, hat weder Zeit noch Verständnis für Schreibkrisen. Das hilft auch beim Romane schreiben.

Umfrage

Bundeswehr

Braucht Deutschland wieder die allgemeine Wehrpflicht?

Ergebnis anzeigen
loading