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Lörrach Ballett 60plus – mit Anmut und Hingabe

Christiane Breuer
Die älteren Teilnehmerinnen können in der Ballettstunde von Sylvia Künnecke in vielerlei Hinsicht mit ihren jüngeren Kolleginnen mithalten. Mit Leidenschaft sind alle in der Tanzstunde bei der Sache und schulen damit zugleich ihr Körpergedächtnis. Foto: Christiane Breuer

Ursula, Yvonne und Myrtle tanzen Ballett – mit mehr als 60 Jahren.

Die 61-jährige Ursula kam erst mit 50 Jahren zum Ballett. „Tanz ist Leben und Leben ist Tanz“, sagt sie lächelnd. Der Ballettunterricht bringt sie innerlich zum Schweben, schwärmt sie. Sie fühle sich leicht und schwerelos, alle Sorgen seien vergessen. Sie habe an Kraft und Beweglichkeit gewonnen, ihre Balance und Körperbeherrschung verbessert. Das helfe ihr auch im Alltag. Und wirklich, sie gleitet regelrecht über den Boden mit einer geradezu federgleichen Leichtigkeit.

Die Seniorinnen kommen ein- bis zweimal pro Woche zu einer ganz normalen Ballettstunde für Erwachsene, nicht etwa zu einer „Softversion“ für Oldies. Die Übungen an der Stange und im Raum dauern 75 Minuten und sind sehr anstrengend. Da wird niemand geschont.

Teilnehmer von 27 bis 75

Montagabend, 19 Uhr, Wiesentalstraße 26 bei „Art & Dance“: Nach und nach betreten die Damen den Ballettsaal. Die jüngste ist 27, die älteste 75 Jahre alt. Ballettmeisterin Sylvia Künnecke begrüßt sie alle mit Handschlag. Die Stimmung ist fröhlich und erwartungsvoll. Alle dehnen sich noch ein bisschen, nehmen ihren Platz an der Stange ein, und mit der Musik beginnt das Aufwärmen. Die Tänzerinnen tragen eng anliegende Trikots, T-Shirts, Strumpfhosen, Stulpen und weiche Ballettschläppchen.

Die Übungen (Exercices), sind auf der ganzen Welt gleich. Position eins, Port de bras (Armhaltung), Plié (Knie beugen) und Relevé (auf die Zehenspitzen). Die Körperspannung wird aufgebaut: Schultern fallen lassen, gerade stehen, beim Plié und Grand Plié den Rücken gerade halten, nicht den Po herausstrecken, Kopf hoch, Hals lang, Balance finden: Konzentration ist alles, Körpergedächtnis nennt man das.

Präzision und Geduld

Neben Vanessa (38) halten Myrtle (75), Ursula (61) und Yvonne (64) mühelos mit. Die Übungen beginnen langsam, folgen einem eigenen System, müssen präzise ausgeführt werden und schulen so Geduld und Durchhaltevermögen. Es herrscht eine konzentrierte Ruhe, die Bewegungen sind rund, sanft und voller Anmut. Nach und nach steigert sich das Tempo. Dehnungen werden trainiert, Koordination und Gleichgewicht.

Yvonne kam vom Kunstturnen zum Ballett. Seit dem Jahr 2000 trainiert sie und ist überzeugt, dass sie durch das Tanzen körperlich viele Jahre jünger wirkt als 64. „Durch die Konzentration auf meinen Körper, die Disziplin, die Freude an der Bewegung gewinne ich Abstand vom Alltag und eine positive Lebenseinstellung. Beim Tanzen fühle ich mich so leicht.“ Dennoch spürt sie auch ihre Grenzen. Zum Beispiel beim Spagat. Oder bei den Schrittkombinationen.

Geistige Gymnastik

Denn nach den Übungen an der Stange geht es zum Training im Raum, nicht mehr mit einzelnen Posen, sondern mit mehr oder weniger langen Abfolgen von Schritten, Sprüngen und Pirouetten. Spätestens hier wird klar: Tanz ist auch eine intellektuelle Herausforderung, eine geistige Gymnastik, die beide Gehirnhälften beansprucht. „Fouettés, Pas de chats, Adagio – wer mithalten will, muss sich erinnern, und so werden die Erinnerung und das Körpergedächtnis in Schwung gehalten“, sagt die 75-jährige Myrtle, die aus einer Künstlerfamilie stammt, ausgebildete Sängerin ist und neben Ballett auch noch indischen Tempeltanz beherrscht.

Mit allen Sinnen dabei

Sie geht alles mit Leidenschaft an. Erst mit 50 Jahren entdeckte sie für sich den Klassischen Tanz. Sie ist ehrgeizig und diszipliniert, kontrolliert in dem rundum verspiegelten Ballettsaal sehr genau ihre Haltung und Positionen. „Für mich ist beim Ballett auch der Ausdruck wichtig. Es geht hier nicht um mechanisches Ausführen von Schritten oder Figuren, ich bin mit allen Sinnen dabei.“ In der Tanzschule schätzt sie die familiäre Atmosphäre und die Professionalität der Lehrkräfte, die alle Tanzpädagogen sind.

Inklusion ist auch wichtig

Sylvia Künnecke (57) hat die Tanzschule „Art & Dance“ im Jahr 1996 gegründet. Neben Klassischem Ballett unterrichtet sie zusammen mit fünf Lehrkräften mehr als 20 Gruppen in Modern Dance, Stepptanz und Jazztanz von vier bis 80 Jahren.

Wichtig ist ihr dabei auch das Thema Inklusion: So sind unter den Tanzeleven auch Kinder und Jugendliche mit körperlichen Einschränkungen.

„Wie aufrecht sie gehen“

Künnecke freut sich immer wieder, wenn sie ihre „Tanzseniorinnen“ unterrichten darf: „Schauen Sie ihre Haltung an, wie aufrecht sie gehen. Ballett ist auch im Alter gut für den Rücken, zum Beispiel bei Bandscheibenvorfall, für den Bauch und die ganze Körperhaltung. Ich habe immer wieder beobachtet: Auch wer spät anfängt, zu tanzen, kann noch bemerkenswerte Fortschritte erzielen“, sagt die Tanzlehrerin im Gespräch mit unserer Zeitung.

Und wie zum Beweis gleiten zum Ende der Stunde alle Teilnehmerinnen fast mühelos in einen Spagat.

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