Von Gabriele Hauger
Theater: Familie Flöz mit „Feste“ im fast ausverkauften Burghof
Von Gabriele Hauger
Lörrach. Das Ende ist traurig und versöhnlich zugleich. Tosender Applaus für das Künstlerkollektiv Familie Flöz. Mit „Feste“, 2021 in Corona-Zeiten entstanden, gastierten die Akteure am Sonntagabend vor fast ausverkauftem Haus.
Die Schauspieler mit den unverwechselbaren, Flöz-Masken (Hajo Schüler) agieren sprachlos, rein pantomimisch. Körperhaltung, Aktion, Gestik, dann ein Innehalten, bei dem einen die eigentlich unbewegliche Maske so intensiv fragend und so viel aussagend anschaut, dass man Gänsehaut bekommt. Das macht dieses Schauspiel so unvergleichlich intensiv.
Auch in „Feste“ hat das Kollektiv genau hingeschaut: auf Menschliches, auf Gesellschaftliches, auf Schicksalhaftes. Ohne belehrenden Ernst vermitteln uns die Akteure mit ihrer melancholischen, aber auch sehr heiteren Poesie eine Geschichte: Ein junges Paar heiratet. Sie, behütete Tochter eines stinkreichen Oligarchen mit Hubschrauber und pelzbesetztem Mantel. Geschützt hinter hohen Mauern, sorgt ein Konvolut aus Hausmeister, Putzfrau, Koch, Designer und Lieferanten für ein unbeschwertes Dasein.
Immer wieder hört man das Meer rauschen. Doch von diesem ist die Villa durch eine hohe Mauer abgeschirmt: Schutzwall, Gefängnis, Ausgrenzung? Die Assoziationen sind vielfältig. „Feste“ steht ebenso für das bevorstehende Hochzeitsfest wie für die Festung Europa, die sich vor Armut, Einwanderung und Fremdheit schützen will. Ein Europa, das zudem jede Menge Müll produziert, der sich in Plastiksäcken im Innenhof stapelt.
Zwischen diesem Müll taucht plötzlich eine hochschwangere junge Frau auf: unsicher, abgerissen, hungrig. Sie stößt zunächst auf Ablehnung. Wie durch Zauberhand schafft sie es jedoch, kleine Wunder zu vollbringen: Welke Pflanzen blühen, Herzen öffnen sich, Rückenleiden heilen, ein Coming-out bringt dem Leben neues Glück.
Die vielen unterschiedlichen Typen entwickeln dabei ihren eigenen Charme: Da ist die herzensgute Hauswartin, die gerne mal mit dem bequemen Hausmeister ein Schlückchen nimmt. Da ist der Koch, der Hühner rupft und Torten kreiert, was effektvoll am Fenster halb versteckt, halb sichtbar inszeniert wird.
Da ist der Oberkellner, der zum Schäferstündchen mit der Hochzeitsplanerin verschwindet oder der prollige Lieferant mit Rockmusik und Haarzopf, der Szenenapplaus bekommt. Hier wechseln sich sprühende Regie-Ideen (Michael Vogel) mit genialer Schauspielkunst, und die Zuschauer kommen aus dem Kichern nicht mehr heraus. Und doch fügen sich immer wieder – stets von sensibler Musik mit Cello (Maraike Brüning) und Klavier (Benjamin Reber) begleitet – höchst ergreifende Momente ab. Was muss diese junge Frau erlebt haben, dass sie so traurig, so verängstigt, so liebes- und schutzbedürftig ist?
Zum Glück findet sie endlich diese Zuneigung, wird sie nach und nach von Personal und Braut ins Herz geschlossen. Und so glaubt der Zuschauer, es werde sich alles zum Guten wenden. Doch am Ende stirbt sie bei der Geburt – und nur ihr Kind wird eine bessere Zukunft haben.
Nach kurzem Innehalten herrscht donnernder Applaus. Der sich nochmals steigert, als die Masken fallen. Nur drei (!) Schauspieler – Andres Angulo, Johannes Stubenvoll, Thomas van Ouwerkerk – haben in fliegendem Wechsel all diese Rollen verkörpert. Chapeau!