Lörrach Beiläufig selbstironisch und skurril glaubwürdig

Die Oberbadische
Sebastian Lehmann mit einem wunderlichen Blick auf die Wechselfälle des Lebens Foto: Willi Vogl Foto: Die Oberbadische

Kultur: Sebastian Lehmann mit seinem Programm „Ich war jung und hatte das Geld“ im Nellie Nashorn

Von Willi Vogl

Lörrach. „Für uns wär’s auch in Ordnung, wenn‘s ein Mann wäre. Hauptsache heiraten“, sagt Mama zu ihrem Sohn Sebastian, nachdem sie sich über die mutmaßliche Homosexualität eines prominenten Fußballers ausgelassen hat. Ihr gleichermaßen konservatives wie progressives Statement ist das amüsant irritierende Ergebnis eines Telefonats zwischen dem Wahlberliner Sebastian Lehmann und seinen in Freiburg lebenden Eltern.

Mit seiner Sololesung „Ich war jung und hatte das Geld“ schlüpfte Lehmann im Nellie Nashorn in verschiedene Jugendkulturrollen aus den „wilden Neunzigern“. Das Alter des poetischen Ichs und damit eine mögliche Parallele zu Lehmanns eigener Vita verlieh vielen seiner Geschichten eine skurrile Glaubwürdigkeit.

„Das Zeug ist so krass“, stellte er als gerade mal zwölfjähriger Kiffer fest. 100 Mark hatte seine Clique für das vermeintliche „Gras“ bezahlt, das sich jedoch als Kräutermischung der Provence entpuppte. Als Satansanbeter trug er zwar kein Halsband mit Nieten oder Stacheln, das strassbesetzte Accessoire der Mutter erfüllte jedoch auch seinen Zweck. Nachdem er sich hinreichend mit Sprüchen wie „ich bin so böse“ vor dem Spiegel konditioniert hatte, war er schließlich zum finalen Blutopfer bereit. Das potenzielle Opfer, sein Hamster Schnulli, entkam jedoch. Immerhin kam es mit einer Fingerverletzung seines Mitsatanisten Dirk doch noch zu einem kleinen Blutrausch.

Lehmann präsentierte einen wunderlichen bis bizarren Blick auf die Verwechslungen, Missverständnisse und Fehlschläge in weiteren Rollen wie Gruftie, Öko, Gangsta-Rapper, Cosplayer, Junge-Union-Mitglied oder Sprayer.

Eine andere Kategorie seiner kabarettistischen Lesung waren Google-Übersetzungen von Popmusiktiteln der Neunziger. Da war etwa Shaggys anzügliches Liebeslied „Mr. Bombastic“, Beoncés „Drunk in Love“ mit „…kann ich den Blick von meinem Fett abwenden“ oder Justin Timberlakes dadaistisch transformiertes „Rock Your Body“ mit „Du willst dich nicht zugeben, willst du spielen. Komm schon, lass uns einen Wirbel machen“. Tieferen unterhaltenden Wirbel erzeugte Lehmann mit den maschinenverzerrten Übersetzungen nicht. Als spaßige Intermezzi erfüllten sie jedoch ihren Zweck.

Schließlich kamen mit Leseausschnitten aus seinem jüngsten Roman „Parallel Leben“ noch weitere Unterhaltungskategorien zum Zug. „Ich schreibe“, antwortete der Autor auf die Frage, was er beruflich mache. „Meine Kleine schreibt auch, und kann schon das L“, war die Erwiderung einer Mutter bei einer Autorenlesung. Laut Lehmann eigneten sich Romanthemen nicht für Witziges. In Wahrheit schreibe man einen ernsten Roman, um ernster genommen zu werden.

Sebastian Lehmanns Programm gierte nicht nach tagespolitischer Plakativität. Seine Geschichten gewannen ihren schmunzelnden Unterhaltungswert aus punktgenauer Beobachtung alltäglicher Begebenheiten und ihrer beiläufig selbstironischen Präsentation. Das Publikum sah sich im Nellie Nashorn heiter berührt.

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