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Lörrach Beredtes Schweigen

Die Oberbadische
Wie kann das sein, dass sich auf Masken so viel Gefühl widerspiegelt? Das fragten sich die Zuschauer einmal mehr beim Auftritt der Familie Flöz im Burghof. Foto: Veronnika Zettler Foto: Die Oberbadische

Maskentheater: „Familie Flöz“ beeindruckte einmal mehr das Burghof-Publikum

Von Veronika Zettler

Lörrach. Ernsthaft? Nur vier Darsteller? Ein Überraschungsmoment für die Zuschauer, als „Familie Flöz“ beim lang anhaltenden Schlussapplaus die Masken endlich ablegt und jedem im Publikum klar wird, dass hinter der Bühne einige rasante Kostümwechsel stattgefunden haben müssen.

Die ganze Palette menschlicher Emotionen in Pappmachégesichtern

Das Maskentheater des preisgekrönten Künstlerkollektivs, das schon mehrfach im Burghof zu sehen war, zeigte am Samstag und Sonntag sein 2008 uraufgeführtes Programm „Hotel Paradiso“. Wie immer kommt die Flöz-Familie ohne Worte aus. Und ohne Mimik. Alle Darsteller tragen Masken, alle Masken ähneln sich mit ihren überdimensionalen, karikaturenhaften Nasen, trotzdem scheint sich auf jedem dieser Pappmachégesichter die ganze Palette menschlicher Emotionen widerzuspiegeln. Schon dieser Merkwürdigkeit halber macht es immer wieder Spaß, dem wundersamen Treiben der Familie Flöz zuzuschauen und aufs Neue zu grübeln, was es eigentlich ist, das den Masken so beredten Ausdruck verleiht.

Diesmal spielt die Geschichte in einem kleinen Hotel. Da ist die bucklige Seniorchefin, die ihren Gehstock als Schlagstock einsetzt, sobald etwas nicht nach ihrem Gusto läuft. Da ist der verblichene Seniorchef, der das Geschehen nur noch vom großen Gemälde über der Eingangstür überschaut, nachts aber als Gespenst durch die angestaubte Lobby schleicht. Da sind die Kinder: neidisch, verliebt, frustriert und was man sonst noch auf den Masken lesen mag – alle Deutungshoheit liegt beim Zuschauer. Im weiteren Panoptikum sorgen Zimmermädchen, Page und diverse Hotelgäste für emotionales Slapstickchaos, außerdem ein Räuber auf der Flucht sowie zwei Kommissare, die aussehen wie Prinz Charles und Bill Clinton, und schon beim Versuch, den Anfang der Klebebandrolle zu finden, so kläglich wie urkomisch scheitern.

Immer wieder setzt sich die Drehtür des Hotels in Bewegung, spült Menschen hinein und andere hinaus. Was hier und da an die Verfilmungen von Vicki Baums Klassiker „Menschen im Hotel“ erinnert, trägt auch Züge aus dem Horrorstreifen „Texas Kettensägen Massaker“. Denn der Hotelkoch folgt resigniert inneren Zwängen und zerlegt mit seiner Handkreissäge alles, was ihm in die Quere kommt, ob Hund oder Mensch.

Klar, dass bei solch desolaten Zuständen die vier Sterne des Hotels eines Tages kassiert werden. Das ist das Ende der Seniorchefin. Plötzlich prangt ihr Gesicht neben dem ihres Gatten auf dem Gemälde über der Eingangstür.

So ist Hotel Paradiso vor allem eines: eine dramaturgisch ausgeklügelte Reihung ebenso makabrer wie melancholischer Momente. Der Sog des Untergangs reißt früher oder später jeden mit sich. Die einen fliegen in die Luft, die anderen verpassen sich: Genau in dem Augenblick, als der Sohn durch die Drehtür hinauseilt, um die Liebste um Verzeihung zu bitten, läuft sie auf der anderen Seite hinein. Die Maske, die eben noch so freudvoll aussah, ist jetzt definitiv den Tränen nahe.

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