Lörrach Das Glück ist unbeschreiblich

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Auf der Suche nach den vielen Variationen des Glücks: der multimediale Erzähler und Autor Christof Jauernig Foto: Foto: Moritz Jacobi

Interview:
Ums Glück hat sich Christof Jauernig gekümmert. „Eintausendmal Lebensglück“ heißt sein neues Projekt. Dafür hat er in 60 Städten 1000 Menschen befragt. Seine daraus entstandene Collage stellt er in Lörrach vor. Hat er selbst sein Glück gefunden?

Glück ist vergänglich. Doch wir alle streben danach, es zu finden und möglichst lange zu bewahren. Mit dem Thema Glück hat sich Christof Jauernig intensiv beschäftig. Am Mittwoch, 18. Oktober, 19.30 Uhr, kommt er auf Einladung der VHS Lörrach-Steinen ins Alte Rathaus und stellt seine Collage aus Wort, Bild und Klang vor. In 60 Städten hat er Geschichten zum Glück gesucht – und gefunden.

Sie treten diesmal als Glücksbote auf. Wie definiert man Glück?

Der Duden beschreibt Glück als „angenehme und freudige Gemütsverfassung, in der man sich befindet, wenn man in den Besitz oder Genuss von etwas kommt, was man sich gewünscht hat“. Aber manches lässt sich nur schwierig in Worte fassen, finde ich. Glücksgefühl kann etwas sehr Tiefes, Berührendes, Erfüllendes sein, das Aussehen wechseln wie ein Chamäleon und genauso schnell kommen und gehen. Unbeschreiblich eben. Wenn ich das zu definieren versuche, laufe ich Gefahr, ihm den Zauber zu nehmen.

Die meisten Menschen geben an, Glück hänge nicht mit Materiellem zusammen. Aber wie wichtig sind Geld und Wohlstand eben doch zum Glücklichsein?

Ein grundlegender Lebensstandard trägt natürlich zur Zufriedenheit bei, da haben wir es gut in unserem vergleichsweise reichen Land. Aber tatsächlich haben von den über 1 000 Menschen, die ich nach ihren Glücksmomenten gefragt habe, nur sehr wenige durch Geld verursachte Glücksgefühle angeführt. Eine Gehaltserhöhung zum Beispiel nannte nur eine einzige Person. Das deckt sich mit meiner eigenen Erfahrung. Seit ich die Bankenbranche hinter mir gelassen habe, verdiene ich in meinem neuen, selbstgeschaffenen Job als multimedialer Erzähler erheblich weniger Geld – was aber durch die Freude, die mir meine Arbeit macht, um ein Vielfaches überkompensiert wird.

Sie haben in 60 Städten Glücksaussagen Ihres Publikums gesammelt. Es muss eine Freude sein, anschließend hunderte Glücksmomente zu lesen. Färbte da das Glück auf Sie ab?

Das kann man so sagen. Vieles von dem, was ich da gelesen habe, hat mich sehr berührt. Von tief empfundenem Glück, zum Beispiel durch die Überwindung von Schicksalsschlägen, bis hin zu luftig-leichtem war da alles dabei.

Glückszettel, die Christof Jauernig gesammelt hat. Foto: Christof Jauernig

Kann man Glücklichsein lernen?

Für mich spielt sich Glück auf zwei Ebenen ab: auf einer, die mit der grundlegenden Gestaltung meines Lebens zusammenhängt, und einer weiteren, sehr unmittelbaren, momentbezogenen. Beide sind beeinflussbar. Zur ersten: Wenn ich ein Leben führe, was so gut wie möglich im Einklang ist mit meinen inneren Wahrheiten, mit dem, wofür ich brenne, mit dem, wofür ich mich gemacht fühle. Wenn ich also so authentisch sein kann und leben kann, wie möglich, dann ist das Glück für mich. An dieser Stelle bin ich gefragt, mein Leben aktiv und nach besten Möglichkeiten zu gestalten – dies kann ich lernen. Zu der anderen Ebene gehört die Erkenntnis, dass Glück immer im gegenwärtigen Moment entsteht, also da, wo das Leben spielt, und nur da als solches empfunden werden kann. Im Alltag also den Blick weit zu machen, auf die vielen besonderen Augenblicke zu achten, die das Leben bereithält, und sie vor allem in ihrer Besonderheit wertzuschätzen, auch das lässt sich lernen. Das hängt mit bewusstem Wahrnehmen zusammen, und damit sind wir dann bei den Glücksmomenten, von denen ich für mein Programm so viele gesammelt habe. Sie sollen genau dabei helfen, sich an die eigenen, vielleicht in Vergessenheit geratenen zu erinnern.

Nennen Sie doch bitte drei eindrücklich Glücks-Briefe, Beispiele, die Sie besonders berührt haben.

Eine 79-jährige aus Schwetzingen schrieb, dass sie glücklich ist, wenn sie durch den Friedwald zu ihrem dort bestatteten Mann wandert, weil sie sich sicher ist, dass sie einmal wieder bei ihm sein wird. Eine 50-jährige Berufsschullehrerin aus Kassel nannte den Moment, als sich ein junger Mann beim Gehen aus der letzten Unterrichtsstunde vor Weihnachten umgedreht hat und meinte: „Danke für diese Unterrichtsstunde!“ Und dann gab es den Glücksmoment einer 61-jährigen Übersetzerin aus Oberhaching, denjenigen mit dem höchsten Wiedererkennungswert. Bei keinem anderen ist das wissende, von Schmunzeln begleitete Nicken des Publikums stärker, egal wo ich auftrete: „Wenn meine Lieblings-Kaffeetasse im Schrank ist (also nicht in der Spülmaschine), wenn ich einen Kaffee trinken will“.

Nach welchen Kriterien haben Sie die Statements für Ihr Programm ausgewählt?

Zum einen hat eine Rolle gespielt, wie häufig bestimmte Themenfelder berührt wurden, diese Momente habe ich dann in einzelnen „Glückszutaten“ zusammengefasst. Da waren beispielsweise Naturerlebnisse oder das Zusammensein mit anderen Menschen ganz vorne dabei. Auch habe ich bevorzugt Statements ausgewählt, die mich besonders berührt haben oder durch ihre Originalität auffielen. Und schließlich unterstreicht meine Auswahl natürlich auch das, was ich mit Blick auf Glück besonders wichtig finde. Dazu gehört im Sinne des oben Angesprochenen – dem Glück des Moments – vor allem die Gegenwart als eigene Glückszutat.

Was für einen Eindruck haben Sie: Gehen wir nach der dramatischen Corona-Erfahrung mit den Glücksmomenten fürsorglicher um? Oder sind wir wieder im alten Mäkel-Modus?

Meine Wahrnehmung ist schon, dass Corona dazu beigetragen hat, so manches wieder mehr zu würdigen. Angefangen mit uneingeschränkten menschlichen Begegnungen bis hin zum Wertschätzen von Gesundheit per se. Ob das ein nachhaltiger Effekt ist, wird sich zeigen. Klar ist: Mäkeln ist dem eigenen Glücksempfinden abträglich, und nur ich selbst habe in der Hand, dem Einhalt zu gebieten. Bin in dieser Hinsicht auf jeden Fall meines eigenen Glückes Schmied.

Die Dänen gelten als sehr glückliches Volk. Die Deutschen liegen eher im Mittelfeld. Warum? Uns geht es doch gut.

Mein Verdacht ist, dass unter anderem das bei uns gesellschaftlich ziemlich fest verankerte Leistungsstreben manchmal den Blick ablenkt von alltäglichen Glücksbringern. Wohlstand ist, wie besprochen, eben nicht alles. Vor allem dann, wenn wir vor lauter Fokus auf dessen Erhalt oder Ausbau den gegenwärtigen Zauber aus dem Blick verlieren, den die Welt um uns herum bereithält. Das Meer zum Beispiel mit seiner unendlichen Weite – ich muss nur an seinem Ufer stehen, um tiefes Glück zu empfinden. Die Dänen haben davon besonders viel. Und auch die Schleswig-Holsteiner übrigens, die ebenfalls als besonders glücklich gelten.

Wie gestalten Sie Ihren Auftritt bei der VHS in Lörrach?

Ich glaube, dass es schwierig ist, Glück erklären zu wollen. Deshalb ist meine Veranstaltung weder Vortrag noch Lesung. Stattdessen versuche ich, das eingesammelte Glücksgefühl durch eine Kombination aus eher poetischen Texten, Leinwandprojektionen und selbst eingespielter Musik atmosphärisch zu vermitteln. Im Anschluss gibt es wieder eine Fragerunde, die meist sehr persönlich und tiefgehend verläuft. Auch die Frage, wie sich durch meinen Lebensumbruch meine eigene Perspektive auf das Thema Glück verändert hat, spielt dann oft eine Rolle.

Gehen die Menschen danach glücklicher nach Hause?

Ich würde es mir wünschen

Termin: Mittwoch, 18. Oktober, 19.30 Uhr, VHS Altes Rathaus, Eintritt frei, Anmeldung unter vhs-loerrach-steinen.de

 

 

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