Lörrach Das mutige Mädchen Anna

Dorothea Gebauer
 Foto: Kristoff Meller

Stolperstein-Serie: Von Lörrach ins KZ – , Folge 1: Das tragische Schicksal der Familie Denz

Lörrach - In feierlichem Rahmen wurden kürzlich die ersten Stolpersteine zum Gedenken an die Lörracher Opfer der Nationalsozialisten verlegt. In einer Serie porträtieren wir diese und beleuchten zum Auftakt das tragische Schicksal der Familie Denz.

Luisenstraße, Lörracher Bezirksgefängnis, Villa Aichele, Wiese. Orte in Lörrach, die eng mit dem Schicksal der Familie Oskar und Anna Denz in Verbindung stehen. Einer Familie, der drei der ersten acht Stolpersteine gewidmet wurden. Ihr Weg macht deutlich: Das schreckliche Unrecht geschah hier, ganz nah. Das berührt und mahnt zugleich.

Anna Denz ist ein mutiges Mädchen. Schon mit elf Jahren, als Grundschülerin, verweigert sie den Hitlergruß. Dem Fahnenappell, zu dem immer Montag und Freitag aufgefordert wird, folgt sie nicht. Wiederholt wird sie von ihren Lehrern angemahnt, doch dem BDM beizutreten. Sie weigert sich konsequent. Von ihren Mitschülern wird sie in Folge beschimpft, geschlagen und wie eine Aussätzige behandelt. Sie hält diesen Druck nicht mehr aus und beginnt mit 14 Jahren eine Bürolehre in der Eisenhandlung Heimsch. An zwei Nachmittagen besucht sie die Gewerbeschule in Lörrach.

Woher dieser Mut? Schon früh teilt sie den Glauben ihrer Eltern und hält daran fest: „Ich vertraute Jehova“ sagt sie. Auch erinnert sie sich, dass sie ein neugieriges Kind war, dessen Fragen ernst genommen und beantwortet wurden. Oskar und Anna-Maria Denz sind Mitglieder der Zeugen Jehovas, von denen es in Lörrach 1933 etwa 40 Mitglieder gibt. Diese Glaubensüberzeugungen und die Gemeinschaft machen sie stark gegen das NS-Regime anzugehen. Sie werden zu aktiven Mitglieder des Widerstands gegen Hitler. So wird der „Wachtturm“, der in der Schweiz gedruckt wird, über die Grenze geschmuggelt. Oskar Denz, der 1899 in Lörrach geboren war, ist bereits als junger Mann politisch aktiv und sehr geachtet. 1922 heiratet er Anna-Maria Dillmann aus dem Wiesental. 1923 beziehen sie eine Wohnung in der Luisenstraße 35. Sie sind ganz normale Lörracher Bürger, sind oft im Schwarzwald, picknicken und zelten gerne und lieben das Leben. In ihrer Freizeit schmuggeln sie verbotene Schriften.

Ab 1938 geht es dann Schlag auf Schlag. Alles, was an Repressalien überhaupt passieren kann, geschieht dieser Lörracher Familie: Inhaftierung, Verhör, Folter, KZ und schließlich Ermordung.

Ihr schwerer Weg beginnt damit, dass Anna Denz mit ihren Eltern wie immer vierzehntägig in Bettingen Publikationen abholt. Beim Grenzübertritt an der Wiese werden sie angehalten, durchsucht und schließlich verhaftet. Anna haben sie mitgenommen, weil es harmloser wirken sollte, als Familie aufzutreten. Leidensstationen von Oskar Denz sind das Lörracher Bezirksgefängnis, Mannheim, Freiburg, das KZ Dachau und schließlich das KZ Mauthausen. Er wird Opfer medizinischer Experimente und wird mit Tuberkulose infiziert. Er stirbt 1942 an deren Folgen.

Auch Anna-Maria Denz weigert sich, ihren Glauben aufzugeben. Nach Stationen in den Gefängnissen Lörrach, Schwäbisch Gmünd landet sie mit 44 Jahren schließlich im KZ Ravensbrück. Ihr aufrechter Sinn lässt es auch dort nicht zu, dass sie im Kriegswinter Pullover für Soldaten strickt. Sie wird mit 40 Tagen Dunkelarrest, und mit Schlägen von Stockhieben „bestraft.“ Sie stirbt 1942 als Folge dieser Misshandlungen.

In aller Tragik bekommt die Geschichte eine positive Wendung: Das mutige Mädchen Anna wird wie ihre Eltern auch in der Villa Aichele stundenlang verhört. Was für ein Glück, dass es einen Heinrich Reiff gibt, der ihr über Inzlingen und St.Chrischona zur Flucht in die Schweiz verhilft. Ein weiteres Glück, dass sie in Riehen von einer Familie Hirschburger aufgenommen wird. Die Geschichte ihrer Rettung kann beginnen. Nach einem Studium in New York und Heirat des Amerikaners James Turpin lässt sie sich in den USA nieder.

Das einst mutige Mädchen Anna, nun Mrs. Turpin, geborene Denz, wird 90 Jahre alt und und lebt bis zu ihrem Tod 2013 in Kentucky, ihre Tochter Marlene Turpin in San Diego. Sie wäre gern zur Stolperstein-Verlegung für ihre Mutter und Großeltern nach Lörrach gekommen. Corona hat dies leider verhindert.

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