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Lörrach „Das war der Wahnsinn“

Kristoff Meller

Austausch: Helena Bianco und drei weitere Schüler aus São Paulo waren fünf Wochen lang in Lörrach.

Lörrach - Freiheit! Wenn die 15-jährige Helena Bianco den größten Unterschied zwischen Lörrach und São Paulo mit einem Wort umschreiben müsste, wäre es vermutlich dieses. Fünf Wochen verbrachte die Brasilianerin im Rahmen eines Schüleraustauschs in einer Lörracher Gastfamilie, die eine besondere Beziehung zu Brasilien hat.

„Wir sind einfach mit dem Fahrrad in die Schweiz gefahren, das war der Wahnsinn“, schwärmt Helena. In São Paulo, eine der größten Städte der Erde, könne sie sich niemals so frei bewegen: „Für Jugendliche gibt es dort keine echte Freiheit.“ Ganz anders als im Finanzzentrum Brasiliens, konnte sie in den vergangenen Wochen einfach mit ihrer Austauschpartnerin Hanna, die die Theodor-Heuss-Realschule besucht, in die Lörracher Fußgängerzone laufen oder Ausflüge mit der S-Bahn unternehmen.

Die größte deutsche Schule außerhalb der Bundesrepublik

In der brasilianischen Metropole ist hingegen sogar ihre Schule Porto Seguro, die größte deutsche Schule außerhalb der Bundesrepublik, von Sicherheitspersonal bewacht. Aktuell werden an drei Standorten im Stadtgebiet 9000 Heranwachsende unterrichtet. Seit acht Jahren erlernt die 15-Jährige dort die deutsche Sprache.

Ein Teil des Schulprofils ist der Austausch mit mehreren deutschen Schulen in der zehnten Klasse. Seit 2013 beteiligt sich das Hans-Thoma-Gymnasium (HTG) auf Initiative von Dunja Fritschi-Bock daran. „Ich war vor 34 Jahren selbst zum Austausch an der Porto Seguro und wollte das meiner Tochter, die im vergangenen Jahr Abitur am HTG gemacht hat, ebenfalls ermöglichen“, erklärt Fritschi-Bock im Gespräch mit unserer Zeitung. Sie ist darum sehr froh, dass Schulleiter Frank Braun den Austausch befürwortete und bis heute unterstützt. Um die Organisation kümmern sich die beiden Lehrer Michael Kurapkat und John Gärtig.

Ihre Mutter war vor 34 Jahren in Deutschland

Neben Dunja Fritschi-Bock nahm vor 34 Jahren zufälligerweise auch Helenas Mutter am Austausch teil, und in den vergangenen Jahren waren die beiden älteren Schwestern von Helena ebenfalls in Deutschland. „Das ist schon wie eine Tradition in unserer Familie“, erzählt die jüngste der drei Schwestern, die sich früher ein Zimmer geteilt haben.

Darum war auch der fünfwöchige Aufenthalt im Zimmer ihrer Austauschpartnerin Hanna kein Problem: „Das hat gut geklappt.“ Ungewohnt war für sie hingegen, dass es nur ein Badezimmer gibt, wo sich die ganze Familie beispielsweise beim Zähne putzen trifft. Aber das habe „schöne Begegnungen“ ermöglicht.

Interesse hat nachgelassen

Neben den beiden Mädchen gab es in diesem Jahr nur drei weitere Schülerpärchen aus Lörrach – alle am HTG. In der Vergangenheit waren es laut Fritschi-Bock bis zu zwölf Paare. „Bisher haben immer alle Schüler, die wollten, einen Platz bekommen, denn die Porto Seguro findet Lörrach mit seiner Lage im Dreiländereck klasse.“ Warum das Interesse geringer war, hat laut Fritschi-Bock verschiedene Gründe: „Die Fridays-for-Future-Bewegung ist am HTG relativ stark, ein Vater wollte die Politik Bolsonaros nicht unterstützen, und manche Lehrer behaupten, dass der Austausch nur für Besserverdiener sei, aber ich bin auch keine Großverdienerin.“ Angesichts der Wirtschaftskrise in Brasilien habe sich zudem die Zahl der Interessenten aus Südamerika halbiert.

Doch auch als kleine Gruppe hatten sie laut Helena viel Spaß. Zu den Höhepunkten des Aufenthalts gehörten Besuche des Europa-Parks, des Colmarer Weihnachtsmarkts sowie ein Wochenende auf einer Hütte in den Schweizer Alpen bei Zweisimmen. „Das war sehr besonders, wir hatten keinen Strom, kein Internet und keine Smartphones“, schwärmt Helena.

Der erste Kontakt mit Schnee

Dort kam sie auch das erste Mal mit Schnee in Kontakt. Während in Brasilien das Quecksilber um die 30 Grad anzeigt, versuchte sich das brasilianische Quartett im Schlitten fahren und mehr. „Sie haben den Schnee wirklich mit allen Sinnen erfasst“, berichtet Fritschi-Bock mit einem Schmunzeln. Das in Lörrach in diesem Winter bislang ausbleibende Weiß, wurde zudem zum Einseifen der Schulkollegen genutzt und auch auf seinen Geschmack getestet.

„Ich wäre gerne noch länger geblieben“, sagt Helena am Dienstag, als sie auf dem Alten Marktplatz steht, am Abend wartet indes der Flieger in Zürich für den zwölfstündigen Rückflug. Dann heißt es die Tage zählen, denn am 18. Juli steht der Lörracher Gegenbesuch an.

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