Lörrach Das wichtigste Fundament

Regine Ounas-Kräusel
Der Kalligraf Rabbi Yitzchak Goldstein (l.) mit Landesrabbiner Moshe Flomenmann und der neuen Thora. Das Bild entstand in der Synagoge Lörrach, im Hintergrund ist der Thoraschrank zu sehen. Foto: Regine Ounas-Kräusel

Religion: Israelitische Kultusgemeinde erhält neue Thorarolle zum zehnjährigen Bestehen der Synagoge.

Lörrach - Die Israelitische Kultusgemeinde Lörrach feiert an diesem Wochenende das zehnjährige Bestehen ihrer Synagoge. Am 9. November 2008, 70 Jahre nach der Zerstörung des alten Gotteshauses unter dem Nationalsozialismus, hat die Gemeinde ihre neue Synagoge eingeweiht. Aus diesem Anlass erhält sie eine neue Thorarolle, die heute im Landtag fertiggestellt wird.

Feierstunde im Landtag

Der Kalligraf Yitzchak Goldstein aus Jerusalem wird die Schriftrolle bei einer Feierstunde im Landtag vollenden und Vertreter aller Fraktionen werden ihm die Hand dabei führen. Für Moshe Flomenmann, Landesrabbiner und Rabbiner der Lörracher Gemeinde, ist die Feierstunde im Landtag wichtig. Sie trage dazu bei, den jüdischen Glauben in der Bevölkerung bekannter zu machen: „Die Thora ist das wichtigste Fundament des Judentums.“ Ihre Inhalte, wie etwa die Geschichten von Adam und Eva, von Abraham und von Noah, würden außerdem die drei großen Religionen Judentum, Christentum und Islam verbinden.

Die neue Thora hat Yitzchak Goldstein in einjähriger Handarbeit geschrieben. Damit sie koscher ist, also den Geboten der jüdischen Religion entspricht, muss sie fehlerfrei sein und auf Pergament geschrieben werden, das von koscheren Kälbern stammt. Man verwende dafür die Haut von Tieren, die zum Essen geschlachtet werden, betonte Flomenmann. Nur für eine Thora werde kein Tier getötet.

Flomenmann sieht den Platz der jüdischen Gemeinde Lörrach mitten in der Gesellschaft: „Wir leben in Lörrach und sind Bürger dieses Landes.“ In Lörrach gebe es mit Unterbrechungen seit 350 Jahren jüdisches Leben, rief er in Erinnerung. Nach der Deportation der Juden im Nationalsozialismus, entwickelte sich in Lörrach nach 1995 wieder ein jüdisches Gemeindeleben. Seit 2008 bietet die Synagoge mit dem Gemeindezentrum an der Rainstraße dafür einen Ort.

Infrastruktur für den Alltag geschaffen

Die israelitische Kultusgemeinde Lörrach hat heute an die 500 Mitglieder. In den ersten Jahren schlossen sich der Gemeinde vor allem jüdische Einwanderer aus der früheren Sowjetunion an. Heute gehören viele verschiedene Menschen dazu: die Mitglieder der ersten Jahre und ihre Enkel, Juden aus verschiedenen Ländern wie Rumänien und England, viele ältere Menschen, aber auch Familien und junge Leute.

In der Stadt habe man sich inzwischen eine Infrastruktur für den Alltag geschaffen, berichtet der Rabbiner. So bieten eine Bäckerei und ein weiteres Geschäft koschere Lebensmittel an. Direkt bei der Synagoge gibt es seit kurzem ein koscher-veganes Café. Im Laufe der Jahre seien viele Kontakte entstanden. So gehöre die jüdische Gemeinde zu den Gründern der interreligiösen Gruppe Abraham, nannte der Rabbiner ein Beispiel. Als Zeichen der Zugehörigkeit wertete er es auch, dass die Städte Lörrach und Weil am Rhein zur Finanzierung der neuen Thora beitrugen.

Während die jüdische Gemeinde in den Anfangsjahren vor allem ihren zugewanderten Mitgliedern bei der Integration in die deutsche Gesellschaft half, sieht sie heute ihre Aufgaben woanders. Man wolle den Mitgliedern vermitteln, wie sie den jüdischen Glauben im Alltag leben können, schilderte Flomenmann. So feiert man in der Gemeinde zusammen Gottesdienst und die jüdischen Feste. Seminare führen in die Praxis des Glaubens ein, zum Beispiel beim Pessachfest. Mit dem koscher-veganen Café oder auch dem staatlich anerkannten Religionsunterricht am Hans-Thoma-Gymnasium wolle man junge Leute ansprechen, sagte Flomenmann: „Es liegt in unseren Händen, bei jungen Menschen Interesse für die Religion zu wecken.“ Auch von der neuen Thora erhoffe er sich Impulse für seine Gemeinde.

Antisemitismus vorwiegend im Internet

Auf die Frage, ob die jüdische Gemeinde Lörrach auch Antisemitismus erfährt, sagte Flomenmann: Das geschehe vor allem im Internet und den sozialen Medien. Für besonders gefährlich hält er es, dass antisemitische Äußerungen heute nicht mehr nur von Neonazis kämen, sondern oft von gebildeten Leuten aus den oberen Etagen der Gesellschaft. Ein Beispiel sei der AfD-Politiker Wolfgang Gedeon. Seine Gemeinde setze auf Offenheit, um Vorurteile abzubauen und biete zum Beispiel Führungen in der Synagoge an.

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