Lörrach „delian::quartett“ : Vom Zauber der Imagination

Tonio Paßlick
Ulrich Noethen mit dem delian::quartett: Als „Ensemble in Residence“ ist es in der Saison 23/24 mit insgesamt vier Veranstaltungen im Burghof zu erleben. Foto: Tonio Paßlick

Das „delian::quartett“ und der Schauspieler Ulrich Noethen gastierten gemeinsam mit „Zauber des Orients“ Burghof.

Das „delian::quartett“ und der Schauspieler  Ulrich Noethen gastierten gemeinsam mit   „Zauber des Orients“  im Burghof.

Wie können klassische Musik und klassische Literatur so spannend vermittelt werden, dass sich moderne Konzertbesucher mit Neugier und Vorfreude darauf einlassen? Das ist seit Jahren ein heiß diskutiertes Thema unter Konzertveranstaltern und in Musiker-Kolloquien.

Mit Texten und Musik

Das „delian::quartett“ bietet seit seiner Gründung 2007 eine schlüssige Antwort auf diese Frage, indem es festgefahrene Hörgewohnheiten aufbricht und einen berührenden Kontext mit anderen Kunstgattungen sucht. Mit großem Erfolg.

Zehn Jahre lang hatte das „delian::quartett“ gemeinsam mit dem Schauspieler Bruno Ganz aufregende Projekte mit literarischen Texten und klassischer Musik entwickelt. Die jüngste Idee konnte der 2019 verstorbene Schweizer Schauspieler nicht mehr auf die Bühne bringen. Auch wenn frühere Projekte in der gegenseitigen Inspiration zwischen Text und Musik entstanden seien, betont der Geiger Andreas Moscho, dass das „bezaubernde Orient-Projekt“ zu neunzig Prozent von der Text-Auswahl geprägt gewesen sei.

Reich an Assoziationen

Aufregend ist dieses Projekt tatsächlich, da es nicht nur eine Auswahl aus den immensen orientalisch inspirierten literarischen Schätzen und dem umfangreichen Repertoire des Quartetts bedeutet, sondern im Hörer sehr viele unterschiedliche Assoziationen weckt. Mit Ulrich Noethen war ein kongenialer Ersatz für den ursprünglich vorgesehenen Peter Simonischek gefunden worden. Der bekannte Film- und Bühnenschauspieler las aus Mathis Enards „Kompass“, dazu aus Goethe, Omar Khayyam, Rumi und aus „1001 Nacht“ von Claudia Ott.

Vom Staub befreit

Die vier Musiker Adrian Pinzaru (Violine), Andreas Moscho (Violine), Lara Albesano (Viola) und Hendrik Blumenroth (Cello) hatten sich Stücke von Henry Purcell, William Bird, Joseph Haydn, Dimitri Schostakowitsch, Ludwig van Beethoven, von Peyman Yazsanian oder Alfred Schnittke ausgesucht. Und schufen damit überraschende und wohltuende Zusammenhänge, die scheinbar vertraute Kompositionen von allen verstaubten intellektuellen Schubladen befreiten.

Der „Zauber des Orients“ geriet so zu einem „Zauber der Imagination“, der Bezüge zur ureigenen Erlebniswelt schaffte. Denn die Musiker verzauberten mit einem subtilen und zugleich transparenten Klang. Keine Effekthascherei, nichts gegen den komponierten Strich gebürstet und dennoch voller Esprit und spontaner Ideen.

Noethen souverän

Ermöglicht durch eine stupende Homogenität und Virtuosität. Und ironisch bis lakonisch, wo die Texte dies provozierten. Zum Beispiel bei dem Presto aus Haydns Streichquartett Es-Dur op 33, das in einem fröhlichen Dialog mit dem Publikum gipfelte.

Noethen wiederum beherrscht souverän die Meisterschaft der emotionalen Zurückhaltung. Seine Figuren wurden plastisch und lebendig, weil sie von der Vorstellungswelt des Hörers ausgemalt werden konnten. Der erste Programmteil war dem Roman „Kompass“ von Mathis Enard vorbehalten.

Das Publikum verzaubert

Er zeigt, wie fruchtbar die Begegnung von Forschern und Reisenden aus dem Westen mit Menschen, Landschaften und Kulturen in Ländern wie der Türkei, dem Iran oder Syrien seit vielen Jahrhunderten gewesen ist. „Kompass“ führt auch in die Konfliktzonen unserer Tage, nach Aleppo, Raqqa und Palmyra. Allerdings in eine Zeit kurz vor den katastrophalen Zerstörungen des Syrienkriegs.

Der Wunsch des Ensembles wurde erfüllt. Das Publikum war spätestens bei der Verschmelzung von Rumis Meditation über das achtsame Leben mit Yazdanians Themen aus „White Nights“ restlos begeistert und im besten Sinne verzaubert.

Der Burghof hat die Chancen dieser Erlebnisse frühzeitig erkannt: als „Ensemble in Residence“ ist das delian::quartett in der Saison 23/24 mit insgesamt vier Gast-Auftritten im Veranstaltungshaus zu erleben.

Man darf sich freuen.

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