Lörrach Dem geplagten Nachbarn helfen

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Interview – Teil III: Jörg Lutz spricht über den nicht optimalen Verkauf des KBC-Areals und die Schulentwicklung.

Vor vier Jahren – Mitte Juli 2014 – wurde Jörg Lutz zum Oberbürgermeister der Stadt Lörrach gewählt. Damit hat er die erste Halbzeit seiner Amtsperiode  hinter sich. Guido Neidinger, Bernhard Konrad und Kristoff Meller nahmen dies zum Anlass, mit dem Stadtoberhaupt eine politische Bilanz der vergangenen  vier Jahre zu ziehen und einen Blick in die Zukunft zu werfen. Herausgekommen ist ein Interview, das wir in vier Teilen – für jedes Jahr eines Seite – in den nächsten Tagen veröffentlichen. Das Gespräch wurde von Guido Neidinger dokumentiert.

Sie stehen nach wie vor zu der Entscheidung, das KBC-Areal nicht gekauft zu haben. Trotzdem besteht die Gefahr, dass die Stadtentwicklung darunter leidet. Wie wollen Sie das verhindern?
LUTZ: Erst einmal: Wenn die Stadt vor Jahren eine gut kapitalisierte Grunderwerbsgesellschaft gegründet hätte, um den Kauf des KBC-Areals möglich zu machen, dann kann ich dem zustimmen. Aber in der jetzigen Situation hätten wir einen Kredit in Höhe von rund 30 Millionen Euro für diesen Grundstückserwerb aufnehmen müssen. Und so sehr können wir die städtischen Finanzen einfach nicht strapazieren. Ganz abgesehen davon, dass die Kommunalaufsicht beim Regierungspräsidium dem einen Riegel vorgeschoben hätte. Außerdem hätten wir das KBC-Gelände dann ja auch weiterentwickeln müssen. Und dafür sprechen wir noch einmal von dem gleichen Betrag, den wir dafür hätten aufbringen müssen.
Was die Weiterentwicklung des KBC-Areals als Gewerbefläche betrifft, bin ich zuversichtlich, dass die neuen Eigentümer hier verantwortlich handeln. Es gibt durchaus ernst zu nehmende Bestrebungen, KBC oder zumindest große Teile davon in Lörrach am jetzigen Standort zu erhalten. Wenn KBC sich aber ganz oder weitgehend von Lörrach verabschiedet, dann stehen wir vor der Herkulesaufgabe, das Gelände gemeinsam weiterzuentwickeln.
Aber nochmal: Ich bin wirklich zuversichtlich. Die neuen Eigentümer kommen aus der erweiterten Region. Sie wollen das Gelände weiterentwickeln. Und warum sollte diese reine Gewerbefläche nicht auf diese Weise in die Zukunft geführt werden, sodass wir als Stadt uns auf unsere Kernaufgaben konzentrieren können.

Also abschließend: Sie vertrauen darauf, dass die neuen Eigentümer Gutes für sich, aber auch für die Stadt mit dem KBC-Areal im Sinn haben?
LUTZ: Ja, das ist meine Überzeugung.  

Um wen handelt es sich denn da überhaupt?
LUTZ: Wir kennen alle die Einrichtungen, die von ihnen betrieben werden. Ich finde auch, dass die Eigentümer sich durchaus outen könnten. Ich kann nur immer wieder sagen, das sind wirklich solide Menschen. Herr Daun, der ehemalige Eigentümer des KBC-Areals, hat mir einmal gesagt: Das sind im guten Sinne seriöse Kaufleute. Dem kann ich nur zustimmen. Ich jedenfalls vertraue ihnen.

Verzeihen Sie, Ihr Vertrauen in Ehren, aber ein Rest Unsicherheit bleibt bei uns.
LUTZ. Das ist unbestreitbar so, denn letztlich kann man in keinen Menschen hineinschauen. Und nochmal: Natürlich hätte ich eine solche Fläche gerne in städtischer Hand.

Wirtschaftliche Entwicklungen vollziehen sich manchmal rasend schnell. Ähnlich wie beim KBC-Areal ist es doch auch beim Lauffenmühle-Areal. Kann nicht trotz des städtischen Vorkaufsrechts der Fall eintreten, dass die Stadt beim Verkauf des Geländes ebenfalls leer ausgeht?
LUTZ: Ja, diese Gefahr besteht. Allerdings haben wir mit allen Akteuren gesprochen und deutlich gemacht, dass wir es als extrem unfreundlichen Akt empfinden würden, wenn dieses Gelände der Stadt vor der Nase wegverkauft würde. Dieser Appell ist nach meiner Überzeugung auch angekommen, wenngleich man da nichts ausschließend kann.

Was bedeutet eigentlich Vorkaufsrecht? Beim KBC-Areal hatten Sie, wie jetzt bei der Lauffenmühle, ein Vorkaufsrecht und wurden trotzdem vom Verkauf des Grundstücks überrascht.
LUTZ: Derjenige, der das Vorkaufsrecht hat, muss in den Vertrag mit einem anderen Käufer einsteigen. Wenn man von seinem Vorkaufsrecht Gebrauch macht, dann wird der Name des Investors im Vertrag durch Stadt Lörrach ersetzt. Mehr geht nicht. Da kann man nicht nachverhandeln und muss die Zwei-Monatsfrist einhalten. Ansonsten wird der Vertrag mit dem Investor rechtsgültig, und wir sind raus.

Optimal lief der Verkauf des KBC-Areals ja nicht. Hat die Stadt daraus gelernt?
LUTZ: Definitiv ja. Allerdings konnten wir absolut nicht davon ausgehen, dass der frühere Eigentümer ohne jede Vorankündigung innerhalb von zwei Wochen einen Käufer findet, der bereit ist, diese enormen Summen zu bezahlen und den Vertrag unterschriftsreif hinbekommt.

Auch die Schulentwicklungsplanung ist ein wichtiges Feld für die Stadt. Wann rechnen Sie den mit der Inbetriebnahme des genehmigten 3. Gymnasiums in der Neumattschule?
LUTZ: Wenn es wirklich optimal läuft, dann könnte das Gymnasium zu Beginn des Schuljahres 2024/25 starten.

Das ist eine große Zeitspanne. Warum dauert das so lange?
LUTZ: Wir haben kürzlich eine Begehung durchgeführt mit den Schulleitungen von HTG, Hebelgymnasium sowie unseren zuständigen Fachbereichen. Da gibt es die verschiedenen Gebäudeteile: einmal die Grundschule, den Ganztagsbereich und die Werkrealschule. Bei letzterer fühlt man sich gleich in die Schulen der 60er und 70er Jahre zurückversetzt mit langen Gängen und den in Rechts-Links-Kombination angeordneten Klassenräumen. Alle Pädagogen sagen sofort, dass der heutige Unterricht so nicht möglich ist. Im Untergeschoss ist Unterricht schon gar nicht mehr möglich wegen der fehlenden Fluchtwege. Mit anderen Worten: Die Gebäude wird man wohl fast alle rückbauen, also abreißen müssen. Wir müssen ein Konzept erarbeiten, die Schulbauförderung beantragen, einen Planer finden...

Dann hat sich das Thema ja völlig anders entwickelt als ursprünglich angedacht. Man kann nicht die vorhandenen Gebäude nutzen, sondern muss im Grunde neu bauen?
LUTZ: Das kann man so sagen. Wir werden auf jeden Fall die neue Sporthalle erhalten und auch die Mensa und die Grundschule. Ansonsten wird vom heutigen Gebäudebestand wohl nicht viel übrig bleiben.

Wie wäre es alternativ mit einer Campus-Erweiterung? Immerhin gibt es im Bereich des Rosenfelsparks eine große Wiese. Dann könnte man die frei werdende Fläche der Neumattschule für den Wohnungsbau nutzen. Was halten Sie von dieser Idee?
LUTZ: Der Campus Rosenfels hat inzwischen seine absolute Maximalgröße erreicht. Jetzt passt dort alles zusammen. Größer werden darf der Campus nicht mehr. Außerdem ist es nicht damit getan, eine Schule dort zu bauen. Man müsste auch noch eine Sporthalle bauen, die es in der Neumatt bereits gibt. Schon vom Platzbedarf reicht das Areal am Rosenfelspark nicht aus.

Wenn das 3. Gymnasium erst 2024/25 in Betrieb gehen kann, wie lösen Sie bis dahin das massive Raumproblem am Hans-Thoma-Gymnasium?
LUTZ: Zunächst einmal ist das Bekenntnis aller betroffenen Schulen vorhanden, diese Zeit überbrücken zu wollen. Die beiden Gymnasien kooperieren schon heute gut. Das müsste man verstärken. Während die Raumsituation am HTG mit vielen Wanderklassen sehr prekär ist, gibt es am Hebelgymnasium kaum Wanderklassen. Da könnte es sich anbieten, dem geplagten Nachbarn vorübergehend zu helfen.

Wie sieht es mit Containerlösungen aus?
LUTZ: Das ist sehr schwierig. Auf dem Campus-Gelände gibt es dafür kaum Platz. Außerdem stehen dort schon seit Jahren Container.

Die 2. Realschule ist ja seltsamerweise abgelehnt worden. Welche Chancen sehen Sie, dass die Schule im zweiten Anlauf doch noch genehmigt wird?
LUTZ: Ich muss gestehen, dass ich bei dem Thema im Moment etwas ratlos bin. Es wird wohl im September ein Gespräch mit der Kultusministerin geben. Dann werden wir unsere Raumprobleme und Pläne nochmals darlegen. Dass wir mit unserer Forderung nach einer zweiten Realschule richtig liegen, zeigen die Planungen der Freien Evangelischen Schule, die einen weiteren Realschulzug einrichten will. Während die FES das selbst entscheiden kann, sind wir an Vorgaben gebunden.

Teil IV lesen Sie in unserer morgigen Ausgabe

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