Lörrach Der 700 Meter-Marathon

Die Oberbadische

Zollfreie Straße: Wie sich die Ereignisse im Winter 2006 bis zur Rodung des Geländes zuspitzten

Rund 20 000 Fahrzeuge nutzen die Zollfreie Straße Tag für Tag. Indes war die Verbindungsstrecke zwischen Lörrach und Weil am Rhein vor deren Eröffnung über Jahrzehnte hinweg Gegenstand einer erbitterten Kontroverse. Vor der Einrichtung einer Baustelle und der Abholzung zahlreicher Bäume spitzten sich im Winter 2006 die Ereignisse zu. Die Stunden vor der Rodung auf Schweizer Gebiet glichen einer dramatischen Inszenierung.

Von Bernhard Konrad

Lörrach. Wochen und Monate vor Beginn der Aktion in den Mittagsstunden eines trüben Februartages hatte sich der Ton auf beiden Seiten verschärft. Juristisch konnte das 1977 mit einem Staatsvertrag zwischen Deutschland und der Schweiz geregelte Projekt nicht mehr angefochten werden. Unterdessen protestierten die Gegner des Vorhabens nicht nur gegen die Fällung der Bäume entlang des Flussabschnitts. Sie verwiesen auch auf problematische geologische Bedingungen am angrenzenden Tüllinger Berg – ohnehin zweifelten sie die verkehrstechnische Notwendigkeit der Straße an.

Am Morgen des 6. Februar 2006 stehen sich alle Akteure gegenüber

Die zunehmend mit pathetischem Timbre in der Stimme wiederholten Forderungen beider Seiten kamen aber immer seltener bei den Adressaten an. Zum Greifen nah war nach zahllosen juristischen Auseinandersetzungen dieser Tag der Entscheidung, den die Befürworter in jahrelangen Bemühungen angestrebt, die Gegenseite ebenso beharrlich ein ums andere Mal vereitelt hatte. Beide Seiten wussten, dass es jetzt um’s Ganze geht.

Vor allem die vom Verkehr gebeutelten Tüllinger – aber auch viele Bürger aus Riehen und Alt-Weil – waren fest entschlossen: Wenn es diesmal nicht klappt, so befürchteten sie, dann klappt es nie. Transparente säumten die Straßen des Ortes, engagiert und immer wieder hoch emotional waren die Diskussionen im Schulhaus, zu denen sich Anhänger wie Gegner einfanden. Die Prominenteste: Barbara Schneider, die ihre Ablehnung der Straße nie verschwieg, jedoch als Basler Baudezernentin an geltende Rechtsprechung gebunden war.

Derweil bereiteten sich die Gegner um den Kopf des Widerstands, den Basler Arzt und Umweltschützer Martin Vosseler, auf die entscheidende Phase vor. Dass der Protest gewaltfrei bleiben sollte, war von Anfang an beschlossene Sache. Dass sie diesen Anspruch bis zuletzt durchhielten, nötigte selbst den entschiedensten Befürwortern der Straße Respekt ab.

Am Morgen des 6. Februar wussten alle: Jetzt gilt’s. In den Wipfeln hatten sich Aktivisten in Baumhäusern verschanzt, andere ketteten sich an Bäume, allen voran Vosseler. Für kurze Zeit standen sich alle Akteure dieses Stücks ein letztes Mal gegenüber: Befürworter, Gegner, Politiker, Polizisten, Medienvertreter. Es schien, als würden in den Stunden vor dem Einsatz der Motorsägen all die Emotionen, Argumente, Appelle, Ermutigungen und Warnungen der vergangenen Jahre auf diesen wenigen Quadratmetern des kleinen Zollfrei-Camps unter einem Brennglas fokussiert.

Vosseler im Hungerstreik

Dann der Moment, in dem sich Schneider am Baum des angeketteten Vosseler niederließ, um mit ihm zu sprechen – leise, mit Bedacht: ein Augenblick der Nähe, umkreist von den Medien. Vosseler, seit Tagen schon im Hungerstreik, glaubte bis zuletzt an sein Ziel: „Das Wunder ist möglich!“

Er hoffte vergeblich: Die Polizei räumte das Gelände behutsam, aber konsequent. Um 13.15 Uhr fiel der erste Baum. Am nächsten Morgen lag die Fläche kahl im Dämmerlicht.

Über sieben Jahre später, am 4. Oktober 2013, wurde die Straße offiziell frei gegeben – und ein neues Kapitel der Verkehrsinfrastruktur im Oberzentrum aufgeschlagen.   siehe weiteren Bericht auf der Lokalseite Weil am Rhein

Umfrage

Bargeld

Die FDP fordert Änderungen beim Bürgergeld. Unter anderem verlangt sie schärfere Sanktionen. Was halten Sie davon?

Ergebnis anzeigen
loading